Per Tandem unterwegs in Sudamerika, Neuseeland und Europa!
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Thursday, 4 August 2005
Olten - Uznach: Nach 15100 Kilometern glucklich zu Hause angekommen
Der Abschluss unserer Reise fuehrte uns kreuz und quer durch die Deutschschweiz bis an den Bodensee und schlussendlich nach Uznach, wo wir am 3. August 2005 das letzte Mal das Gepaeck vom Tandem abluden!

Am Anfang stand ein Traum. Ein Jahr lang Vorbereiten, Planen, Lesen, Recherchieren und Organisieren. Am 2. Juni 2004 der lange herbeigesehnte Tag des Abflugs nach Ecuador. Die ersten Wochen liefen nach Plan, dann nahm die Reise ihren eigenen Lauf. Nach drei Monaten in Bolivien die komplette Aenderung der Reiseroute. Aus dem Projekt "Zwischen Alaska und Feuerland unterwegs" wurde eine ganz andere, eben "unsere" Weltreise. Die Route aenderte sich staendig durch Begegnungen mit Menschen, Einladungen, Tips, Pannen, Wetter.
Wir erlebten sehr viele "Zufaelle", die auf die Reise im Kleinen oder im Grossen Einfluss hatten. An den Begriff "Zufall" glauben wir inzwischen nicht mehr. Alles machte Sinn, musste so sein, selbst die schlechten Erlebnisse und schlimmen Stunden. Je laenger wir unterwegs waren, desto offener waren wir fuer spontanes Reisen, desto leichter konnten wir von bestehenden Plaenen abruecken. Das brauchte aber Groesse und Ueberwindung, wir mussten das erst mal lernen. Grosse Plaene brauchen viel Mut, noch mehr braucht es aber, trotz langer Vorbereitung wieder davon abzukommen und spontan neue Wege zu suchen. Heute koennen wir sagen, fuer uns war es eine perfekte Reise, alles kam so wie es kommen musste.

Wir blicken zurueck auf eine unvergessliche Zeit, eine Lebenserfahrung, die wir auf keinen Fall missen moechten. Wir sind nicht mehr reich auf dem Bankkonto, aber reich an Eindruecken und Erlebnissen, die fuer uns unbezahlbar sind!

Dies ist unser letzter Reisebericht auf dieser Seite. ABER: Bald werden wir an dieser Stelle die Adresse unserer kuenftigen Homepage bekanntgeben. Dort werden wir nebst den Reiseberichten auch Fotos, Karten und weitere Informationen veroeffentlichen. Und dann folgt irgendwann eine Diashow...!

Posted by tandem-adventure at 10:20 AM BST
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Saturday, 23 July 2005
Grindelwald - Olten: Simmentaler Bauernhaeuser, Hagelunwetter am Genfersee und Fondue im Jura
Von Grindelwald fuehrte unser Weg ueber Interlaken und Spiez ins Simmental, wo den riesigen hoelzernen Bauernhaeusern die Jahrhunderte anzusehen waren. Zusammen mit dem Blumenschmuck Augenweiden fuer uns vorbeiziehende Radfahrer. Durch die lieblichen, gruenen Westschweizer Alpen gelangten wir ueber Gstaad und Gsteig auf den Col du Pillon, unseren 10. Alpenpass dieser Reise! Nach einem ersten kurzen Gewitter, das wir in Les Diablerets unter dem Bahnhofdach abwarten konnten, schien truegerisch wieder die Sonne. Auf dem Weg von Aigle nach Villeneuve drohte bereits die gruen-graue Farbe des Himmels ueber dem Genfersee. Wir waren gerade dabei, Aprikosen zu kaufen, als ploetzlich alles sehr schnell ging. Der Himmel schwarz, die Luft voller Blaetter und aufgewirbeltem Staub, orkanartige Windboeen und Donnergrollen. Wir liessen die Aprikosen Aprikosen sein und fluechteten unter das Dach der naechsten Tankstelle. Hier standen wir halbswegs geschuetzt und konnten den unglaublichen Naturkraeften zuschauen. Der Orkan riss Unmengen Blaetter und Nadeln von den Baeumen, bedeckte Strassen und Autos wie mit gehacktem Spinat. Rundherum krachte und knackte es, Aeste und Baeume fielen auf die Strasse, geknickt wie Zuendhoelzer. Verkehrschaos, Stromausfall, Blaulicht und Sirenen der Feuerwehren und Ambulanzen.
Als nach zwei Stunden der Regen nachliess, wagten wir uns wieder unter dem Dach hervor. Wir waren in Chardonne oberhalb Vevey bei Freunden zum Nachtessen eingeladen. Fuer die verbleibenden 18 km benoetigten wir aber 4 Stunden. Bis vor Montreux kamen wir noch voran, dann stand alles still. Hier hatte ein ungeheures Hagelgewitter gewuetet, so etwas hatten wir noch nie zu Gesicht bekommen. Strassen, Trottoirs, Gaerten, alles komplett bedeckt mit einer gruenen Schicht aus kleingehackten Blaettern, Nadeln, Aesten und Blumen. Wir pfluegten uns durch die nasse, spinatartige Masse. Ueberall weisse Haufen von Hagelkoernern, die groessten auch zwei Stunden nach Niedergang noch baumnussgross. Hagelberge wie Schneehaufen im Winter, Autos ueber und ueber mit Blaettern bedeckt, zerbeulte Karrosserien, reihenweise parkierte Autos mit zerschlagenen Rueckspiegeln, an den Haeusern eingeschlagene Fensterscheiben, Feuerwehrschlaeuche pumpten Wasser aus ueberfluteten Kellern. Alles verstopft vom Feierabendverkehr, nichts bewegte sich mehr, das pure Chaos. Irgendwie schafften wir es, Montreux zu Fuss zu durchqueren. Die Seestrasse nach Vevey war aber wegen umgestuerzter Baeume gesperrt. Ueber einen Weg durch die Weinberge gelangten wir nach Chardonne, wo wir viel spaeter als geplant eintrafen. Das Bild aber auch hier sehr traurig, die Rebberge komplett verwuestet, an den nackten Rebstoecken hingen hoechstens noch ein paar Trauben. Alles andere kleingehackt und vom Sturm irgendwo hin verfrachtet. Die Schreber- und Gemuesegaerten ein Anblick der Verwuestung. Keine Blume, kein Salat mehr intakt.
Stefan empfing uns mit der Schneeschaufel in der Hand. Er war gerade dabei, den Vorplatz von Hagelkoernern und Glasscherben der zerschlagenen Fenster zu befreien. Trotz allem genossen wir den gemuetlichen Abend bei einem feinen Nachtessen und freuten uns riesig ueber das Wiedersehen nach so langer Zeit.
Vom Genfersee gelangten wir durch das huegelige und schoene Waadtland nach Yverdon an den Fuss des Jura. Ein langer Aufstieg brachte uns hoch ueber den Neuenburgersee, wo wir durch Weiden und lichte Tannenwaelder pedalten, Juralandschaft vom Feinsten! In La Sagne bei La Chaux de Fonds besuchten wir ein Camper-Ehepaar, welches wir in Suedfrankreich kennengelernt hatten. Mit ihnen verbrachten wir einen wunderschoenen Abend und schlemmten ein ausgezeichnetes Fondue mit Gruyere-Kaese aus dem Dorfe. Ein so gutes Fondue, dass uns noch den ganzen naechsten Tag das Wasser im Munde zusammenlief, wenn wir daran dachten.
Die weitere Route durch Jura und Mittelland ist zur Zeit gepraegt durch zahlreiche Besuche bei Freunden, feinem Essen, vielen Gespraechen und langsamem Ankommen. Noch bleibt uns Zeit bis Anfang August, um unsere Reise durch die Schweiz fortzusetzen!

Posted by tandem-adventure at 4:56 PM BST
Updated: Saturday, 23 July 2005 5:02 PM BST
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Saturday, 16 July 2005
Gletsch - Grindelwald: Ueber die Grosse Scheidegg an den Fuss der Eigernordwand
Die Nacht auf der Alp zwischen Furkapass und Gletsch war sehr kalt. Wir krochen erst aus dem Zelt, als die Morgensonne ueber die Bergkette reichte. Der Aelpler holte die Thermoskanne ab und wir erfuhren im Gespraech noch einiges ueber diesen harten Job. In Gletsch kamen wir am Bahnhof mit „Fronis“ ins Gespraech. Die alte Bergstrecke ueber den Furkapass wurde durch den Basistunnel abgeloest. Die Bestrebungen von Eisenbahnfreunden, die Strecke mit Dampflokomotiven als Museumsbahn wieder in Betrieb zu nehmen, sind inzwischen von Erfolg gekroent. Jahrelange Bemuehungen, ein breit abgestuetzter Verein und unzaehlige Mitglieder, welche in der Freizeit oder den Ferien Frondienst leisten (eben sogenannte Fronis) ermoeglichten dieses Riesenprojekt in Fahrt zu bringen. Eine Deutsche, welche diese Woche den Billetschalter in Gletsch betreut, erwaehnte beilaeufig, dass die Bahn kuerzlich das „Blaue Haus“, die ehemalige Dependance des Hotels Gletsch, kaufen konnte. Schon vor der Einfahrt in Gletsch stach uns der alte Kasten ins Auge. Das Hotel selbst ist renoviert, die Dependance aber schon lange verwaist. Gerne haetten wir bereits bei der Vorbeifahrt einen Blick reingeworfen. Ob noch alte Moebel, Vorhaenge, Lavabos oder Vorhaenge vorhanden sind? Ob sich im Innern noch ein Hauch 1920er-Jahre spueren laesst? Nun laeuteten bei uns natuerlich die Ohren und wir machten der netten Frau klar, dass wir sehr interessiert waeren, einen Blick in das Geisterhaus zu werfen. Das Glueck war perfekt, sie hatte den Schluessel zum Haus! So kamen wir in den Genuss einer ganz tollen Entdeckungsreise. Knarrende Holztreppen, rote Kokosteppiche, eiserne Treppengelaender, wunderschoene Holzboeden, Blumentapeten, rosa Vorhaenge, hoelzerne Betten mit rotweiss karierter Bettwaesche, Juwelen von alten Kommoden, Schraenken, Spiegeln, Tischen und Stuehlen, stilvolle Lampen, offen gefuehrte Stromleitungen an der Decke und vor jedem Zimmer der passende Schluessel an einem Hacken. Der Bau wurde zum Glueck nie ausgeraeumt, alles wurde fuer unbestimmte Zeit eingemottet und ist heute ein wertvolles Stueck Geschichte. Die Fronis sind bereits daran, mit dem vorhandenen Material einen Teil bewohnbar zu machen, vorerst als Unterkunft fuer die vielen Helfer.
Nach diesem unverhofften Eintauchen in die Geschichte pedalten wir flott hoch Richtung Grimselpass. Bei der fantastischen Aussicht auf Berge, Rhonegletscher und Furkastrasse waren die sieben Kehren bald bezwungen, Picknick und Mittagsrast waren am Passsee unter strahlend blauem Himmel einfach herrlich. Durch die beeindruckende Granitlandschaft am Grimselpass mit den rundgeschliffenen Felsen und zahlreichen Stauseen rollten wir die nicht enden wollende Abfahrt nach Innertkirchen runter.
Wir hatten uns nochmals einen Floh in den Kopf gesetzt. Da die bisherigen Alpenpaesse so ein Genuss und wir in Hoechstform waren, wagten wir uns an die steilste schweizer Passstrasse als ein (vorlaeufig) letztes verruecktes Ziel: Die Grosse Scheidegg nach Grindelwald. Steiler als das Stilfserjoch fuehrt die schmale und fuer Motorfahrzeuge gesperrte Strasse auf den 1962 m hohen Passuebergang. Sie ist landschaftlich so gewaltig, dass sich jeder Schweisstropfen lohnt, eine der schoensten wenn nicht der schoenste Pass der Schweiz.
18 Uhr in Innterkirchen, wir wollten noch ein Stueck des Aufstiegs hinter uns bringen und in der Hoehe das Zelt aufschlagen. Stotzig stieg die Alpstrasse in die Hoehe. Wir mobilisierten alle in diesen 13 Monaten antrainierten Kraefte. Der Puls pochte in den Schlaefen, wir kaempften uns vorwaerts, Meter um Meter. Gegen 20 Uhr erreichten wir eine einsame Alp an praechtiger Aussichtslage hoch ueber dem Tal von Meiringen. Die Baeuerin und der Bauer waren am Heuen. Mit Sensen schnitten sie das Gras am Steilhang. Unsere Bitte um ein Plaetzchen fuer das Zelt wurde erhoert, die Baeuerin maehte fuer uns einige Quadratmeter hinter dem Stall, wo wir uns an traumhafter Lage einrichteten. Die Beine muede, der Magen knurrend, die Kehle durstig. Die Sonne verschwand hinter der Silhouette des Bergkranzes. Wir verwoehnten uns mit einem feinen Znacht und fuehlten uns wie Koenige. Die Baeuerin berichtete ueber den Alltag der Bergbauern. Der Hof nur eine karge Existenz, aber harte Arbeit Tag und Nacht. Es war beeindruckend, mit welcher Energie die „gschaffige“ Frau ihrer schweren Arbeit nachging und wie sie mit leuchtenden Augen ihre Liebe zu diesem Arbeitsort zeigte. Vom Rosenlauigletscher und den ueber uns aufragenden Engelhoernern blies in der Nacht ein kalter Wind ins Tal. Wir schliefen wunderbar, nur die Geraeusche der drei Kaelber im Stall durchdrangen die Nacht.
Als wir uns um 6 Uhr aus den Schlafsaecken schaelten, erwartete uns die Baeuerin vor dem Zelt mit einer Schale Himbeeren und einem runden Alpkaese als Proviant. Geruehrt ueber diese Gastfreundschaft machten wir uns an den zweiten Teil des Aufstieges. Noch warteten 900 Hoehenmeter auf uns und es schien, als wolle die Strasse diese auf moeglichst kurzer Distanz bewaeltigen. Die landschaftliche Kulisse dieses Passes ist einmalig, an Dramatik und Spektakel kaum zu ueberbieten. Als „Vorspeise“ hoch ueber uns die Felsnadeln der Engelhoerner, von der Morgensonne beleuchtet. Die Strasse fuehrte steil durch den Wald, ueber die Felswand der gegenueberliegenden Flussseite stuerzte ein Bach in die Tiefe und gabelte sich in drei Wasserfaelle auf. Eine kleine Alp und ploetzlich der Blick auf Wellhorn und Wetterhorn. Krass! Ehrfuerchtig blickten wir zu den Felsriesen hinten im Tal hoch. Der Rosenlauigletscher klebte hoch oben auf den abgeschliffenen Felsen, hellblau schimmernd das Eis. Vorbei am alten Hotel Rosenlaui erreichten wir die Schwarzwaldalp. Ab hier gehoert die Strasse nach Grindelwald den Radfahrern und Postautos, herrlich diese Ruhe! Auf einem hoelzernen Bauernhaus stand folgende Inschrift:

Es jedes wa da dirchi geit
ischt uf em Waeg i d Ewigkeit
Bhiet di Gott bliib gsund u zwaeg
Chum wider eis uf daem Waeg

Die beruechtigte Rampe nach der Schwarzwaldalp mussten wir teilweise zu Fuss bewaeltigen. Wunderschoen kurvte die Bergstrasse anschliessend durch die bluehenden Wiesen, vorbei an schindelgedeckten, sonnenverbrannten Alphuetten. Linkerhand ragte die gigantische, fast senkrechte Nordwand des Wetterhorns in den Himmel. An der Kante oben ragte der Gutzgletscher in Freie. Ab und zu hoerten wir krachenden Donner, wenn Eismassen abbrachen und die Wand runterpolterten. Immer wieder rueckten wir staunend die Koepfe in die Hoehe. Wir kamen uns winzig klein vor in diesen unfassbaren Felsmassen. Die Steigung war auch im oberen Teil zaeh und verlangte von uns alles ab. Die Ankunft auf der Passhoehe ein Triumph fuer uns, wir hatten das fuer uns sonst Unmoegliche moeglich gemacht! Das Panorama auf Eigernordwand, Grindelwald und die vielen Eisriesen war umwerfend. Gerne standen wir vielen andern Radfahrern Rede und Antwort. Manche schauten ein wenig frustriert unser Gepaeck an. Wir erklaerten ihnen, dass das nur moeglich sei, weil das nun ueber ein Jahr lang unser „Job“ war. Die steile Abfahrt war langwierig, mussten wir alle paar hundert Meter zehn Minuten pausieren und die ueberhitzten Felgen und Bremsen kuehlen. Dafuer hatten wir viel Zeit, das Panorama zu geniessen. In Grindelwald erwartete uns Marina, welche wir in Cuenca in Ecuador kennengelernt hatten, ein freudiges Wiedersehen!

Posted by tandem-adventure at 11:32 AM BST
Updated: Saturday, 16 July 2005 11:41 AM BST
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Valendas - Gletsch: Vom Paessehunger und dem Aelpler, der um 22 Uhr frische Milch ins Zelt brachte
Von Valendas folgten wir bei sich langsam wieder besserndem Wetter dem Vorderrhein nach Disentis und Sedrun. Der Abend naeherte sich, ueber der Passhoehe des Oberalppasses deuteten die dunklen Wolken auf Regen hin. Deshalb waren wir etwas unschluessig, wie weit wir heute noch fahren sollen. In Tschamut eine tolle Ueberraschung. Rein „zufaellig“ sahen wir drei VW-Busse auf einem Parkplatz stehen. Vermessungsstative und ein „ETH-Kleber“ lenkten den Blick auf sich, ob da der Diplomkurs der Geomatik-Ingenieure stattfindet? Eines ergab das andere, kurz: Schlussendlich rollten wir zurueck nach Rueras, wo der Leiter des Kurses, bei dem Richard vor einigen Jahren die Diplomarbeit absolviert hatte, vor dem Schulhaus stand und uns erwartete. War das ein freudiges Wiedersehen! Fuer Dusche, Nachtessen, Unterkunft und feinem Fruehstueck war gesorgt!
Die Fahrt ueber die Paesse Oberalp und Furka wurde zu einem grandiosen Feuerwerk an Hoehepunkten. Die Felszacken hoch ueber Sedrun streckten am fruehen Morgen ihre Finger in den blauen Himmel. Wolkenfetzen hingen wie Wattebueschel daran. Ein perfekter Tag zum Paessefahren. Im Bauch kribbelte es, die Beine waren zapplig. Wir verabschiedeten uns vom „Vermessungskurs“ und machten uns ein zweites Mal auf den Weg nach Tschamut. Das letzte Dorf vor dem Pass mit dem weissen Kirchlein und dem alten Hotel „Rheinquelle“ war bald erreicht. Nun folgte der schoenste Teil der Passstrasse. Auf zahlreichen Kehren arbeiteten wir uns zur Passhoehe hoch. Die Alpwiesen eine Blumenpracht wie aus dem Farbkasten. Ein Blick hinauf, die runde, steinerne Stuetzmauer einer Kehre ragte wie ein roemisches Amphitheater in den Himmel, dahinter eine Bergspitze wie eine perfekte Pyramide. Sekunden spaeter war sie wieder hinter einer Wolke verschwunden. Unzaehlige mit Gepaeck beladene Tourenfahrer bevoelkerten die Passstrasse. Beim geringen Verkehr unter der Woche und der angenehmen Steigung war das Bergauffahren einmal mehr ein Genuss und wir waehnten uns gluecklich, hier unterwegs zu sein. Nach der Passhoehe oeffnete sich der Blick ins gruene Urserental und dem Zickzack der Furkastrasse im Hintergrund. Wir rollten die „Kuegelibahn“ runter nach Andermatt. Auf dem Parkplatz der Gemsstockseilbahn brutzelten wir die seit Ilanz mitgefuehrten Bratwuerste in der Bratpfanne. Gestern Abend gab es ja ueberraschend ein anderes Nachtessen. Die urspruengliche Idee, im Wald von Andermatt oder Hospenthal ein Feuer zu machen, liessen wir wieder fallen, dienen doch diese einzigen Waelder im Tal als Lawinenschutz.
Nachdem wir uns ausgiebig die Baeuche vollgeschlagen und den Japanern als Fotosujet gedient hatten, machten wir uns auf Richtung Furka. Hospenthal ist immer wieder einen Spaziergang durchs Dorf wert. Gemuetlich schlenderten wir die Pflastersteinstrasse hoch, vorbei an einer Belle-Epoque-Hotelruine, schmucken Gasthaeusern aus der Pferdekutschenzeit, sonnenverbrannten Holzhaeusern, der alten Saumpfadbruecke, der trutzigen Burgruine und dem neulich restaurierten Hospiz. Das Dorf zeigt viele Zeugen aus der frueheren Geschichte der Passstrassen Gotthard und Furka, welche schon seit Jahrhunderten wichtige Verkehrs- und Handelsverbindungen sind.
Wir hatten zwar bereits den Oberalppass in den Beinen, aber um schon das Zelt aufzustellen waren wir noch zu muede und die schattenlosen Zeltplaetze in Andermatt und Hospenthal wenig einladend. So entschieden wir uns um 16 Uhr in Realp, wenigstens einen Teil des Furkapasses in Angriff zu nehmen, um dort irgendwo das Zelt aufzustellen. Ausgangs Realp stieg die Strasse steil an. Die Beine rebellierten zuerst, „was, schon wieder bergauf?“. Nach und nach wurden die Muskeln aber warm und wir fanden wieder den gewohnten Rhythmus, tuc-tuc-tuc-tuc. Wie in einem Lift schraubten wir uns in die Hoehe. Die Haeuser von Realp und die Eisenbahn wirkten bald so kleine wie auf einer Modellbahn. Die Sonne stand schon tief und verzauberte die Landschaft. Fast alleine waren wir um diese Zeit noch unterwegs. Die Ruhe und die Ausblicke in die Runde der Berge waren fantastisch. Idealste Bedingungen zum Paessefahren! Wir spruehten vor Energie und waren so unendlich zufrieden, dies alles geniessen zu duerfen, bzw. uns selbst aus eigener Kraft zu erarbeiten. Die abschnittweise sehr schmale Strasse wand sich im Zickzack den Berghang hoch, immer wieder tolle Blicke nach unten freigebend. Nach dem Hotel Galenstock oeffnete sich der Blick nach Westen zur Passhoehe, wo weit hinten und weit oben die leerstehenden Hotelkaesten im Gegenlicht standen. Die Strasse wand sich nun nicht mehr in Kehren empor, sondern schmiegte sich wie eine Schlange an den Hang direkt Richtung Scheitelpunkt. Tief unten im Tal stampfte der Dampfzug der Furka Bergstrecke die Zahnradrampe hoch. Hoch ueber uns thronten majestaetische Berge mit gezackten Silhouetten, Wolkenfetzen umgarnten die Spitzen. Weisse Baeche rauschten talwaerts, die ueber die Strasse wehende Gischt eine Wohltat auf den schweissnassen Armen und Beinen. Die Steinreihe der Strassenbegrenzung fuehrte wie eine Perlenkette gegen den Horizont. Wir fuehlten uns in dieser gewaltigen Kulisse und der abendlichen Ruhe frei wie Voegel. Glueck und Zufriedenheit durchstroemten uns wohlig von Kopf bis Fuss. Mit der Zeit waren unsere Koerper muede und ausgelaugt, aber es war zu schoen um aufzuhoeren. Mit der untergehenden Sonne die Passhoehe zu erreichen, dieses Erlebnis wollten wir uns heute nicht mehr entgehen lassen. Um 19 Uhr das Schild „Furkapass 2429 m“, jubel und jodel!
Als wir nach dem Passieren des Passschildes um die Ecke bogen und der Blick auf die andere Seite frei wurde, verschlug es uns gleich den Atem. Wie in den Himmel entrueckt schwebten die weissen Bergriesen und Gletscher der Berner Alpen vor uns, eine Wucht! Die Nordostbise jagte Wolken ueber den Grimselpass, die auf der Unterseite wie abgeschnitten waren. Die Abendsonne dahinter tauchte alles in mystisches Licht, ein Anblick zum Ausflippen! Der 300 m tiefer liegenden Grimselpass mit dem Stausee zeigte uns das Ziel fuer morgen. Da die Bise sehr kalt war, beschlossen wir noch ein Stueck weit runterzufahren, um dort zu campieren. Kurz auf die linke Strassenseite gewechselt, um einen Blick in die Tiefe zu erhaschen. Da lag das Asphaltband mit dem Haarnadelkurven runter nach Gletsch. Die letzten Sonnenstrahlen liessen die Strasse wie eine goldene Schlangenlinie vor dem dunklen Gelaende erscheinen. Konzentriertes Bergabfahren, den Steinschlagloechern im Asphalt ausweichend. Die nur wenige Monate im Jahr geoeffnete Strasse ist gepraegt von harten Einfluessen, Steinschlag, Schnee, Lawinen. Dann wieder ein Hoehepunkt, der Rhonegletscher und das wunderschoene Hotel Belvedere aus der Postkutschenzeit. Die halbe Abfahrt nach Gletsch hatten wir hinter uns, als ein Schild „Alpkaese“ uns zu einem Alpgebaeude nicht weit von der Strasse fuehrte. Der Kaeser war gerade dabei, mit einer Schubkarre acht Eimer voll soeben gekaester Kaeselaibe in den Keller zu bringen. Dort legte er sie in einen wassergefuellten Steintrog, streute einige Haende voll Salz darueber ehe sie dort drin zwei Tage ruhen. Im Holzgestell lagerten fein saeuberlich aufgestapelt Dutzende von runden Laibern. Kleine und grosse, reifere und frische. Seine Augen glitten durch die Regale, er zog ein Brett heraus und nahm einen Kaese mit in die Alphuette, wo er uns ein grosses Stueck abstach. Wir fragten ihn gleich noch, ob wir nicht das Zelt aufstellen duerften, es war doch schon 20 Uhr. Auf der andern Strassenseite stand ein Campervan und in dessen Windschatten konnten wir das Zelt aufschlagen. Rechterhand hoch ueber uns die Kehren mit Wendeplatten der Strasse, die wir soeben runtergebremst waren, linkerhand das Trasse der Dampfbahn und wir zwei wie Ameisen in dieser Bergwelt. Wir kochten uns eine feine Kaeseroesti und freuten uns ueber den Anblick des Dampfzuges, der spaet abends in der Daemmerung noch unterwegs nach Realp war. Zur Kroenung des Tages brachte uns der Aelpler um 22 Uhr noch frische Milch, erhitzt und in einer Thermoskanne. Wir waren kurz zuvor in die Schlafsaecke gekrochen und freuten uns ueber den heissen Schlummertrunk!

Posted by tandem-adventure at 9:06 AM BST
Updated: Saturday, 16 July 2005 9:16 AM BST
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Wednesday, 13 July 2005
Sta. Maria - Valendas: Buendner Alpenpaesse und Enzian
Nachdem die Bezwingung des Stilfserjochs so unerwartet gut verlief, freuten wir uns auf die naechsten Alpenpaesse. Von Sta. Maria stiegen wir hoch zum Ofenpass, welcher seinem Namen gluecklicherweise keine Ehre machte. Eine Kaltfront hatte die lange, heisse Periode beendet, die kuehle Luft war sehr angenehm fuer die Bergfahrt. Der Wind, der die Wolkenreste der Stoerung den Bergen entlang trieb und die zaghaft durchblickende Abendsonne passten ausgezeichnet zur rauhen Landschaft. Ausgedehnte Nadelwaelder, wilde Flussbette und die Einsamkeit des Nationalparks faszinierten uns. Am naechsten Tag konnten wir es kaum erwarten, den Flueelapass in Angriff zu nehmen:

Zernes Zeltplatz 7:00, blauer Himmel... Herzen jubeln! Gedanken sind gesammelt, mental fuer den Anstieg bereit... Ovosport und andere Energieriegel aufgestockt. Knackig steigt es an, die Beine aber frisch und kraeftig. Stetig aufwaerts, perfekte Bedingungen, kaum Verkehr... schoen im Rhythmus, im Gleichtritt... die Luft frisch... Kuhgebimmel. Biker ziehen an uns vorbei, beim Ueberholen bleibt ihnen der Mund offen... grins! Das Panorama perfekt, kurz vor der Passhoehe nochmals Kehren, wir schrauben uns himmelwaerts, wollen die Haende ausstrecken und ein Stueck stahlblauen Himmel pfluecken. Enzian blueht, Margeriten sind klein hier oben... der Sommer kurz. Frischer Wind weht ueber die Kuppe, Huehnerhaut auf den nackten Armen und ein unbeschreibliches Gluecksgefuehl waermt uns... Passhoehe erreicht, im Gipfelsee spiegelt sich die Geroellhalde der gegenueberliegenden Bergflanke... die Sonne waermt im Windschatten, Picknick am "Schaerme"... Kappe, Handschuhe, dick eingepackt, bereit fuer die Talfahrt! Bremsen laufen heiss, x Halte um zu Kuehlen und die Umgebung zu geniessen... Baeche sprudeln, suchen sich Wege quer durch die Wiesen... Haeuser, Menschen... Davos liegt vor uns.

In Wiesen bei Davos durften wir alle Annehmlichkeiten einer heimeligen Ferienwohnung von Bekannten geniessen. Das Wetter war truebe und regnerisch, die Ruhetage also gerade das Richtige. Im Thermalbad Alvaneu waren Sprudelbad und Massageduesen eine Wohltat nach den Passfahrten! Die Fahrt von Wiesen nach Tiefencastel und durch das Domleschg war eine Augenweide: Hoelzerne Heugaden, Alpwiesen, rote Zueglein der Rhaetischen Bahn, elegante Viadukte, malerische Bergdoerfer, imposante Berge, tiefe Schluchten, Burgruinen als Blickfaenge. Von Rhaezuens pedalten wir durch die eindrueckliche Rheinschlucht. Die weissen Truemmer des Flimser Bergsturzes, der vor 15'000 Jahren zu Tale donnerte, leuchteten aus den dunklen Tannenwaeldern. Das Wasser des Vorderrheins war klar und blau, farbige Kanus und Schlauchboote suchten sich darauf ihren Weg. Die schmale Strasse klebte aussichtsreich an der Felswand hoch ueber der Schlucht. Durch das Versamer Tobel mit der filigranen Eisenbruecke gelangten wir nach Valendas. Dort fuehrte uns ein Wegweiser "Zimmer/Zeltplatz" zu einem ehemaligen Bauernhaus, wo wir auf dem "Minizeltplatz" unter alten Obstbaeumen das Zelt aufschlugen, einem wunderschoenen und ruhigen Flecken Erde!
Valendas hat ein aussergewoehnliches und spannendes Ortsbild. Massive, palastaehnliche Steinbauten aus dem 16./17. Jahrhundert stehen neben Holzscheunen und Bauernhaeusern mit vielfaeltigen Schnitzereien und Verzierungen. Einige der markanten Gebauede sind heruntergekommen und stehen leer, andere wurden schoen restauriert. Neue Bauten fuegen sich harmonisch in das Gefuege ein. Der groesste Holzbrunnen Europas ziert den Dorfplatz. Das Dorf bietet auf kleinstem Raum eine unglaubliche Fuelle gut sicht- und erlebbarer Geschichte. Wegen des schlechten Wetters legten wir hier erneut einen Ruhetag ein, studierten ein soeben erschienenes Buch ueber Ortsbild und Geschichte von Valendas und unternahmen Entdeckungsrundgaenge durch die Gassen. Nachmittags wanderten wir bei trockener Witterung durch die imposante Rheinschlucht, machten unser erstes Feuer im Rheinbett und brateten den ersten Cervelat!

Posted by tandem-adventure at 7:00 AM BST
Updated: Wednesday, 13 July 2005 7:27 AM BST
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Thursday, 7 July 2005
Prato (I) - Santa Maria in Muestair (CH): Stilfserjoch - unser Traum wird wahr!
Wo waere der wuerdige Ort, um nach unserer Reise die schweizer Grenze zu passieren? Diese Frage stellten wir uns schon in Los Angeles, als wir uns entschieden hatten, in Europa weiterzufahren. Erst ein verwegener Gedanke, dann ein verruecktes Ziel: Das Stilfserjoch oder Passo dello Stelvio. Mit 2757 m.ue.M. ist die "Koenigin der Alpenpaesse" eine der hoechsten Alpenstrassen. Das schmale Asphaltband fuehrt von Prato her mit 48 Kehren ueber 1800 Hoehenmeter gnadenlos bergauf. Von der Passhoehe koennten wir zum Umbrailpass rollen, wo wir auf 2505 m.ue.M. die Grenze zur Schweiz ueberqueren wuerden. Eine Schnapsidee?
Die Idee sass in unseren Koepfen und liess uns keine Ruhe mehr. Wir schwiegen allerdings ueber dieses Vorhaben, zu oft hatten wir unsere Plaene abgeaendert. Weil wir in Frankreich ja auf der falschen Seite der Schweiz waren, mussten wir fuer das Stilfserjoch erst mal unser Land umrunden. So ergab sich unsere Route durch Sueddeutschland und Oesterreich nach Prato, wo wir am 2. Juni 2005, exakt 13 Monate nach unserer Abreise eintrafen. Samstag war eigentlich nicht der ideale Tag, da viel zu viele Motorradfahrer unterwegs waren. Aber das Wetter war perfekt und es juckte uns so unter den Naegeln, dass wir einfach losfahren mussten. Die Herzen klopften schon wild, bevor es bergauf ging. Ob wir es schaffen? Wieviel muessen wir schieben?
Wir fassten den Entschluss, den Aufstieg auf zwei Tage zu verteilen und noch am Samstagnachmittag zu starten. Nach Prato begann die Strasse gleich knackig zu steigen. Rechterhand toste der wilde Bergbach, weit hinten im Tal blinzelte ein kleiner Flecken Gletscher. Bald mussten wir in den kleinsten Gang schalten. Wir suchten einen regelmaessigen Rhythmus. Langsam aber stetig gewannen wir an Hoehe. Volle Kraft auf die Pedale. Wir waren eins mit dem Tandem und dem Berg. Unsere Beine fuehlten sich gut an, unheimlich gut sogar. In regelmaessigen Abstaenden legten wir kurze Verpflegunghalte ein. Riegel um Riegel verschwanden in unseren Muendern. Radfahrer zogen an uns vorbei und nickten uns aufmunternd zu. Dann die erste Haarnadelkurve mit dem Schild "48. Kehre/Tornante". Die Kehren sind rueckwaerts numeriert und zeigen erbarmungslos, wieviel noch fehlt bis auf den Pass. Das Tal oeffnete sich ein wenig und wir wussten wieder, warum uns dieser Pass so fasziniert: Riesige schroffe Felswaende ragten in den blauen Himmel, weisse Gletscherzungen blitzten im Sonnenlicht, einfach gewaltig! Wir passierten Trafoi, die letzte Ortschaft mit alten Hotelkaesten. Die Rampen durch den Nadelwald wurden steiler. Die Linkskehren waren kein Problem, die Rechtskehren der schmalen Strasse eine Herausforderung fuer den Steuermann. Der Asphaltbelag ist auf der Kurveninnenseite krass steil. Kratzspuren zeugen vom Bodenkontakt der Autos. Wir hofften jedesmal, dass die Fahrbahn nach unten und nach oben frei ist, damit wir weit ausholen und unser 3.5 m langes Gefaehrt um die Kurve lenken konnten. Das Gluecksgefuehl, das uns von Kopf bis Fuss durchstroemte, wurde mit jeder Kehre groesser. An der Waldgrenze der beruehmt-beruechtigte Anblick der "Wand": Ploetzlich war der verbleibende Rest des Aufstiegs auf einen Blick sichtbar. Wie ein Adlerhorst weit oben die Gebauede auf der Passhoehe, darunter die steile Bergflanke mit dem Zickzack der letzten 26 Kehren der Strasse. Dieser gewaltige Anblick ist es, der den Mythos des Stilfserjochs ausmacht. Wer als Radfahrer hier noch genug Kraft in den Beinen hat, der jubelt. Wer schon am Kaempfen ist, dem stockt das Blut in den Adern.
Nach vier Stunden Aufstieg erreichten wir das Berggasthaus "Franzenshoehe". Zwei Drittel des Passes waren gemeistert. Mit einem Riesenlachen im Gesicht trugen wir die Taschen in unser Zimmer hinauf. Wir waren wie auf Droge, aber eine natuerliche, ein unbeschreiblicher Glueckszustand! Unter den rot-weiss karierten Daunendecken schliefen wir wie Steine, bis uns der Wecker um 4 Uhr aus den Traeumen riss. Mit der Daemmerung sassen wir um 5 Uhr bereits wieder auf dem Tandem. Wir wollten die Passhoehe erreicht haben, bevor der grosse Sonntagsrummel losbrach. Die Morgenstimmung war sagenhaft. Kuehle, glasklare Morgenluft, ein wolkenloser Himmel, die Bergriesen und Gletscher lagen majestaetisch im Daemmerlicht, kein Laut war zu hoeren. Kehre um Kehre arbeiteten wir ums empor, 22 fehlten noch. Die Sonne tauchte eine erste Bergspitze in zartes Rosa, dann eine zweite und dann die Passhoehe. Eine Inszenierung wie im Theater, wir als einzige Zuschauer, ganz alleine. Die letzten 10 Kehren zaehlten wir lauthals mit. Und dann, das braune Schild, die Passhoehe! Ein Jauchzer, ein fantastisches Triumphgefuehl. Wir fielen uns in die Arme, ein sehr bewegender Moment. Davon hatten wir fuenf Monate getraeumt. Jetzt haben wir es geschafft und jeden Meter genossen.
Wir waren um 7 Uhr noch fast allein auf der Passhoehe. Nur ein Moench in schwarzer Kutte begab sich zur kleinen Kapelle. Wir taten es ihm gleich und zuendeten ein Kerzchen an. Bald ging der Rummel los. Am Morgen fuehrte der "Dreilaender-Giro" mit 3000 Radfahrern ueber das Stilfserjoch, wofuer die Strasse fuer drei Stunden gesperrt wurde. Gleichzeitig fand ein Motorradfest auf dem Pass statt. Das organisatorische Chaos war vorprogrammiert. Es sah schoen aus, wie die nicht endend wollende Kette von Radfahrern jeden Alters langsam die Kehren raufzog. Wir feuerten die Sportler lautstark an. Das Stilfserjoch war fuer sie erst der Beginn, sie hatten noch den Ofen- und den Reschenpass vor sich. Dann war es vorbei mit der Ruhe. Tausende von laermenden und stinkenden Motorradfahrern draengleten den Pass hoch, ein Inferno! Welch ein Gegensatz zur friedlichen und ruhigen Radsportveranstaltung, was fuer eine Faust aufs Auge in dieser grandiosen Bergwelt! Wir fluechteten so schnell wie moeglich die kurze Abfahrt hinunter zum Umbrailpass, wo wir abseits des Gedraenges die schweizer Grenze passierten und uns im Restaurant das erste Rivella genehmigten. Die steile und lange Abfahrt den Umbrailpass runter brachte uns nach Santa Maria in Muestair, wo wir auf dem Zeltplatz unseren Beinen einen Ruhetag goennten.

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Updated: Thursday, 7 July 2005 2:44 PM BST
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Mittenwald (D) - Prato (I): Servus Oesterreich!
Von der Landesgrenze zu Oesterreich stiegen wir hoch in das Bergdorf Leutasch und weiter auf einen Passuebergang zum Inntal. Die Aussicht auf das Tal tief zu unseren Fuessen und die Stadt Telfs war wie aus der Vogelperspektive. Steil stuerzte die Strasse in die Tiefe. Von Westen her naeherte sich eine schwarze Wolkenwand, Blitze zuckten am Himmel. Wir schafften es in Telfs gerade noch in die gedeckte Anlieferungsrampe eines Supermarktes, bevor Sturm und Regen losbrachen. Nach einer Stunde war der Spuk vorueber, wir legten die letzten Kilometer nach Stams bei Sonnenschein zurueck, wo uns der Preis des Campingplatzes erschreckte. Das Inntal ist sehr stark besiedelt und von vielen Verkehrsstraengen durchzogen. Da war freies Zelten leider nirgends meoglich. Dem Inn folgten wir flussaufwaerts bis Landeck, wo wir bei Verwandten von Richard zu Gast waren. Wir wurden fuerstlich bekocht und verbrachten einen unvergesslichen Abend. Das Inntal ist im Westen Oesterreichs die einzige West-Ost-Verbindung. Alle anderen Bergtaeler sind Sackgassen. Daher quaelt sich der ganze Verkehr mit viel Laerm und Gestank hier durch. Als wir mal von einem "Aixam", einem nur 45 km/h schnell fahrenden Miniauto ueberholt wurden, schlich auch der sich dahinter stauende Verkehr in diesem sympathischen Tempo an uns vorbei. Wir philosophierten, wieviel ruhiger und stressfreier waere wohl die Welt, wenn alle Motorfahrzeuge nur so langsam fahren koennten?!
Regen und wolkenverhangene Berge begleiteten uns von Landeck nach Pfunds. Hier sahen wir bereits Schweizer Berge. Wir aber waehlten die Strasse nach Nauders und zum Reschenpass hoch. Die Felswand neben der Strasse stuerzte senkrecht ab zum hellblau dahintosenden Inn tief unter uns, spektakulaer der Blick hinunter auf Burg und Holzbruecke Finstermuenz. Vor dem Reschenpass passierten wir die Grenze zu Italien. Fuer den Bau und Aufstau des Reschensees 1950 sprengte die faschistische Regierung mehrere Doerfer. Der aus dem See ragende Kirchturm Santa Ana ist das letzte Ueberbleibsel. Ein kleiner Damm innerhalb des Stausees sorgt dafuer, dass das beliebte Fotosujet auch bei tiefem Wasserstand nicht auf dem Trockenen steht. Die Abfahrt fuerhte uns im Zickzack ueber die schiefe Ebene nach Mals im Vinschgau und nach Prato am Stilfserjoch - an den Fuss der "Koenigin der Alpenpaesse"!

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Updated: Thursday, 7 July 2005 2:11 PM BST
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Bad Toelz - Mittenwald: Fuchs du hast den Schuh gestohlen...
Nach Bad Toelz waren wir begeistert vom Jachenautal, einer Oase eingebettet in die Berge der Voralpen. Die stattlichen Bauern- und Wirtshaeuser waren mit barocken Wandmalereien verziert. Kapellen und Wegkreuze mit alten Linden vervollstaendigten das Bild einer heilen Bergwelt. Der Walchensee lag mit seiner leuchtend hellblauen Farbe wie ein Edelstein da. Bei Wallgau tauchten nun "richtige" Berge auf. Wir jubelten beim Anblick der Felswaende, nach 13 Monaten wieder zurueck in den Alpen!
In Kruen durften wir das Zelt hinter der Scheune eines Bauernhofes aufstellen. Um 1 Uhr nachts raschelte es im Vorzelt. Ein Tier zog den Plastiksack mit dem Abfall aus dem Vorzelt. Im Schein der Stirnlampe leuchteten nur zwei Augen aus der Dunkelheit. Hatte die Katze des Bauernhofes die Fleischverpackung gerochen? Wir haengten den Sack in die Hoehe und schliefen weiter. Erneut raschelte es im Gras. Als Richard mit der Lampe ins Vorzelt zuendete, traute er seinen Augen kaum. Ein Fuchskopf schaute unter dem Zelt durch, schnappte sich einen von Richards Wanderschuhen und zog ihn unter dem Zelt weg und rannte davon. Wie der Blitz schoss Richard aus dem Schlafsack und war erleichtert, den Schuh nicht weit entfernt wieder zu finden.
Der naechste Morgen fuehrte uns nach Mittenwald, wo wir Deutschland bereits wieder verliessen und nach Oesterreich einreisten. Sueddeutschland hat uns gut gefallen. Es wartete auf mit einer ueberraschenden Vielfalt an tollen Landschaften und herzlichen Menschen. Weniger erfreut waren wir ueber die oft miserablen Radwege und die ruecksichtslose Fahrweise der Autofahrer. Den Stellenwert des Autos unterstreicht die Tatsache, dass kaum Kleinwagen auf den Strassen zu sehen sind, dafuer viele grosse und protzige Autos.

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Thursday, 30 June 2005
Rottachsee - Bad Toelz: Breze und Pfueeti
Vom Rottachsee starteten wir frueh um 6 Uhr, um vor der Mittagshitze nach Fuessen zu gelangen. Eine fantastische Morgenstimmung erwartete uns. Die Voralpenhuegel lagen in allen Grauschattierungen wie verschiedene Lagen Vorhaenge vor uns, die Sonne schickte goldene Strahlen rein und dahinter erhoben sich die Gipfel der Alpen. Durch saftiggruene Wiesen, vorbei an spiegelnden Seelein und Kirchtuermen mit Zwiebelhauben pedalten wir durch wunderschoenes Bayern. Einzig das starke Verkehrsaufkommen und die gestresste Fahrweise vieler Autofahrer truebten etwas das Bild. Die Menschenmassen bei den beiden Koenigsschloessern Neuschwanstein und Hohenschwangau liessen uns gleich wieder das Weite suchen. 4 Millionen Touristen kommen hier pro Jahr vorbei, Japaner knipsen um die Wette, fuellige Amerikanerinnen erkundigen sich nach dem kuerzesten Weg hoch zum Schloss. Wir fanden ein Stueck weg vom geschaeftigen Treiben ein einsames Baenklein draussen in den Feldern und hatten zum Picknick eine wunderbare Aussicht auf Schloss und Berge. Der Campingplatz am Bannwaldsee war so gross, so ungefreut und so teuer, dass wir trotz der Hitze langsam weiterfuhren. In Kuechele am Lechsee erlaubte uns ein Bauer zu zelten, wies und aber nicht auf den nahegelegenen Campingplatz hin. Am naechsten Morgen unternahmen wir die kuerzeste Etappe unserer Tour. Nach 1.2 km sahen wir in Prem das Schild "Campingplatz", ein kleiner und sympathischer Platz, der auf keiner Karte eingezeichnet und entsprechend nicht ueberlaufen war. Da wir schon 8 Tage am Stueck durch Deutschland geradelt waren und ein Ruhetag ueberfaellig war, nutzten wir gleich die Gelegenheit, stellten um halb acht Uhr morgens das Zelt wieder auf und verbrachten zwei geruhsame Tage.
Die folgende Etappe fuehrte uns durch den "Pfaffenwinkel", eine liebliche Huegellandschaft mit schmucken Bauernhoefen und ruhigen Straesschen. In Rottenbuch besichtigten wir die Reste der einst ausgedehnten Klosteranlage. Nach der Saekularisierung kaufte ein Schweizer 1803 das Kloster, pluenderte die Bauten und riss einen grossen Teil ab. Wenigstens ueberstand die prunkvolle Barockkirche die Zerstoerungswut, sie beeindruckt auch heute noch den Besucher.
Immer wieder aendern auf unserer Reise die Grussworte oder lernen wir neue typische Ausdruecke. In Bayern rufen sie uns auf der Strasse "Gruess Gott" oder "Servus" zu, zum Abschied haeufig "Pfueeti", was soviel heisst wie "Behuet Dich Gott". Die vorzueglichen Brezeli, die hier in Deutschland bei keinem Znueni fehlten, heissen in Bayern einfach "Breze".
Ueber Schoeffau und Murnau erreichten wir Bad Toelz mit der gepflegten Altstadt. Dies war nun unser oestlichster Punkt. Seit Spanien sind wir, abgesehen von Umwegen, staendig nach Osten und Norden gefahren, ab nun fuehrt unsere Route in die Himmelsrichtungen Sueden und Westen, Richtung Schweiz!

Posted by tandem-adventure at 11:21 AM BST
Updated: Thursday, 30 June 2005 11:30 AM BST
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Friday, 24 June 2005
Schwenningen - Rottachsee (bei Kempten): Schwaebische Alb, Allgaeu und Bayern
Das Gebiet zwischen Schwarzwald und Schwaebischer Alb war staerker besiedelt, entsprechend hatte es viel Verkehr und (leider) viele Radwege. Leider deshalb, weil diese in Deutschland oft miserabel sind. Nicht recht gewalzte oder x-fach geflickte Asphaltwege, gepflasterte und damit holprige Radwege innerhalb der Ortschaften, alle paar Meter eine Bordsteinkante rauf oder runter - fuer den Schulweg der Kinder oder die Fahrt zur Baeckerei moegen die Verbindungen vielleicht taugen, nicht aber fuer ein sinnvolles Vorwaertskommen. Da standen wir oft vor dem Dilemma, mit 10 km/h auf dem Radweg uebers Land zu holpern oder auf der Strasse nebenan dreimal so schnell vorwaertszukommen, dafuer von den Autofahrern ausgehupt zu werden. Freie Fahrt fuer den Autofahrer scheint hier ein wichtiges Menschenrecht zu sein, die Fahrweise ist manchmal recht ruecksichtslos und gestresst. Von nun an versuchten wir alle groessen Ortschaften und verkehrsreichen Strassen (mit oder ohne parallelem Radweg) konsequent zu meiden und entdeckten die Schoenheiten Sueddeutschlands auf kleinen Nebenstrassen.
Von Schwenningen gelangten wir ueber Trossingen, Aldingen und Gosheim beim Kloster Beuron an die Donau. Wir durchquerten fantastische Hochebenen der Schwaebischen Alb und rollten durch einsame Taeler mit riesigen Waeldern. Die Fahrt durch das Donautal nach Sigmaringen war ein Leckerbissen. Felswaende und -tuerme ragten beidseits der Schlucht hoch in den Himmel, Burgen thronten ueber dem Tal, der blaue Himmel spiegelte sich in der jungen Donau - der "Naturpark Obere Donau" ist eine tolle Region!
Bei bruetender Sommerhitze gelangten wir in drei Tagen an den Rottachsee in Bayern. Ueber Krauchwies, Wilhelmsdorf, Wolfegg, Kisslegg und Waltenhofen bei Kempten genossen wir beschauliche laendliche Gegenden auf ruhigen Straesschen. Kleine Badeseen lagen in den gruenen Wiesen, Huehner rannten vor den Bauernhoefen ueber die Strasse, die Menschen waren aufgestellt und herzhaft.
In Urlau (ohne "b"!) suchten wir gegen Abend in einem Buswartehaeuschen Schutz vor einem kurzen Gewitter. Ein Mann im Garten nebenan fing an mit uns zu plaudern - schlussendlich durften wir nicht nur das Zelt in den Garten stellen, das aeltere Paar stellte uns gleich noch die Kueche und das Bad zur Verfuegung und hatte sichtlich Spass, mit uns einen gemuetlichen Abend in der Gartenlaube zu verbringen. Beim Aufstellen des Zeltes kamen wir auch mit dem Nachbarn ins Gespraech, der soeben von einer dreiwoechigen Wanderung auf dem Jakobsweg von Rorschach nach Lausanne zurueckgekommen war. Er entdeckte dabei mit seiner Frau wunderschoene und wenig bekannte Ecken der Schweiz und war hochbegeistert von unserem Land. Um sich den Gepaecktransport zu erleichtern, konstruierte der pensionierte Herr ein Waegelchen, auf dem sie die beiden Rucksaecke hinter sich herzogen. Eine verblueffend simple und raffinierte Loesung um den Ruecken zu schonen und eine solche Tour auch im Alter zu ermoeglichen! Er lud uns fuer den naechsten Morgen zum Fruehstueck ein - ein Berg frischer Broetchen, selbstgemachte Marmelade und zum Abschied noch Schinken- und Kaesesandwiches mit auf den Weg. Wir waren uebergluecklich ueber die Gastfreundschaft in Urlau!

Posted by tandem-adventure at 11:03 AM BST
Updated: Friday, 24 June 2005 11:30 AM BST
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