Ein schoener und ungewohnt warmer Morgen stand vor dem Zelt. Wir verliessen Segovia auf der Umfahrungsstrasse und stachen Richtung Norden in die weite kastilische Hochebene. Felder und Aecker soweit das Auge in der leicht huegligen Landschaft reichte, sattgruen leuchtendes junges Getreide, kaum ein Baum oder Strauch. Wir kamen flott voran, etwas Rueckenwind und perfekte Temperaturen liessen unsere Beine wirbeln. Regelmaessig tauchte wie aus dem Nichts ein Bauerndorf auf. Am Dorfrand standen meist ein paar trostlose Gewerbebauten oder moderne Wohnbloecke, dann ueberraschte uns ein Kern mit viel alter Bausubstanz, knorrige Holzbalken ueber Tuerrahmen, zerfallene Ziegeldaecher, schlichte romanische Kirchen mit massiven Kirchtuermen. In Turegano stand majestaetisch das riesige Castillo ueber dem Dorf. Wenn sich nicht ein Lkw nach dem andern durch die engen Gassen gezwaengt haette, haette man meinen koennen, die Zeit waere hier stehengeblieben. Ansonsten gab es wenig Abwechslung, deshalb setzten wir uns zum Ziel, die ganze Hochebene bis nach Aranda de Duero an einem Tag zu durchqueren. Die 113 km meisterten wir unerwartet locker und verbrachten die Nacht auf dem "zentral" gelegenen Campingplatz zwischen Hauptstrasse und Autobahnanschluss.
Unser naechstes Ziel war Santo Domingo de Silos, bekannt geworden durch die gregorianischen Choralgesaenge, welche die ansaessigen Moenche in den 90er-Jahren in die Hitparade brachte. Den Weg dorthin mussten wir uns aber hart erkaempfen. Sehnlichst wuenschten wir uns die Winterkleider zurueck, welche wir in Suedspanien voreilig nach Hause geschickt hatten. Ein eiskalter Nordwind pfiff uns entgegen. Die Temperaturen lagen nur wenig ueber dem Gefrierpunkt. Dick eingepackt wie "Michelinmaennchen" arbeiteten wir uns im Schneckentempo gegen den Wind voran. Die Landschaft war heute wieder abwechslungsreich, mit der Sierra de la Demanda naeherten wir uns dem naechsten spanischen Gebirge. Auf einem Foto wuerde es nach einem traumhaften Tag aussehen, strahlend blauer Himmel, klare Luft, huebsche Doerfer mit romanischen Kirchen. Fuer uns war der Kampf gegen den eisigen Sturm aber ein fuenfstuendiges Mentaltraining - "Gring abe u trampe". In jedem Dorf fluechteten wir hinter eine Klostermauer oder in eine geschuetzte Gasse, um fuer eine Viertel Stunde dem Laerm in den Ohren zu entgehen. Als wir auf einer Dorfbank picknickten, setzte sich ein aelter Herr zu uns. Er wollte uns ein Glas Wein bringen, weil zu jedem Essen Wein gehoere. Lachend lehnten wir dies dankend ab, es war schon nuechtern nicht einfach, das Tandem bei den Windboeen zu lenken.
Kurz vor Santo Domingo de Silos hatte der Fluss eine tiefe Schlucht in die senkrecht stehenden Kalkwaende gefressen. Auf einem spektakulaeren Steg spazierten wir zwischen den Felswaenden durch. Ueber uns kreisten Geier, die weit oben in den Felswaenden ihre Horste angelegt hatten. Im huebschen Dorf war es ein Hochgefuehl, ein warmes Zimmer zu betreten und uns unter einer heissen Dusche wieder aufwaermen zu koennen. Zufrieden setzten wir uns in die Kirche und lauschten den Choralgesaengen der Vesperandacht. Die Busladung Japaner musste schon nach 10 Minuten die Kirche verlassen, zum Glueck sind wir nicht so unter Zeitdruck.
Als wir am naechsten Morgen um halb acht zur Laudes in die Kirche pilgerten, um nochmals dem Choralgesang zu lauschen, lag der Duft frischen Brotes in der Gasse und es schneite! Der Wind blies noch kaelter als gestern, definitiv kein Tag zum Radfahren. So machten wir uns einen gemuetlichen Tag, holten frisches Brot beim Baecker nebenan, schlossen uns einer Klosterfuehrung an und besichtigten das Museum mit einer Sammlung alter Musikinstrumente. Da wir gestern im Restaurant gegessen hatten und uns dies nicht nochmals leisten konnten, aber Lust auf eine warme Mahlzeit hatten, packten wir unseren Kocher und spazierten auf den Huegel am Rande des Dorfes. Die Sonne und kurze Schneeschauer begleiteten uns. Dick eingepackt mit Kappe und Handschuhen hatten wir warm. Die mystische Winterstimmung passte fuer uns sehr gut zu diesem besinnlichen Ort. Im Wissen um das warme Zimmer, das auf uns wartete, genossen wir den Ausflug in die Natur. Wir fanden in einer Felswand eine windgeschuetzte Nische, fast eine kleine Hoehle. Darin war es angenehm warm. Wir kochten unser Znacht und kamen uns wie Hoehlenbewohner vor. In der Luft konnten wir bis zu 14 Geier beobachten, fasziniert schauten wir zu, wie sie elegant im Winde Kreise zogen.
Posted by tandem-adventure
at 4:22 PM BST
Updated: Wednesday, 20 April 2005 7:24 PM BST