Per Tandem unterwegs in Sudamerika, Neuseeland und Europa!
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Saturday, 16 July 2005
Gletsch - Grindelwald: Ueber die Grosse Scheidegg an den Fuss der Eigernordwand
Die Nacht auf der Alp zwischen Furkapass und Gletsch war sehr kalt. Wir krochen erst aus dem Zelt, als die Morgensonne ueber die Bergkette reichte. Der Aelpler holte die Thermoskanne ab und wir erfuhren im Gespraech noch einiges ueber diesen harten Job. In Gletsch kamen wir am Bahnhof mit „Fronis“ ins Gespraech. Die alte Bergstrecke ueber den Furkapass wurde durch den Basistunnel abgeloest. Die Bestrebungen von Eisenbahnfreunden, die Strecke mit Dampflokomotiven als Museumsbahn wieder in Betrieb zu nehmen, sind inzwischen von Erfolg gekroent. Jahrelange Bemuehungen, ein breit abgestuetzter Verein und unzaehlige Mitglieder, welche in der Freizeit oder den Ferien Frondienst leisten (eben sogenannte Fronis) ermoeglichten dieses Riesenprojekt in Fahrt zu bringen. Eine Deutsche, welche diese Woche den Billetschalter in Gletsch betreut, erwaehnte beilaeufig, dass die Bahn kuerzlich das „Blaue Haus“, die ehemalige Dependance des Hotels Gletsch, kaufen konnte. Schon vor der Einfahrt in Gletsch stach uns der alte Kasten ins Auge. Das Hotel selbst ist renoviert, die Dependance aber schon lange verwaist. Gerne haetten wir bereits bei der Vorbeifahrt einen Blick reingeworfen. Ob noch alte Moebel, Vorhaenge, Lavabos oder Vorhaenge vorhanden sind? Ob sich im Innern noch ein Hauch 1920er-Jahre spueren laesst? Nun laeuteten bei uns natuerlich die Ohren und wir machten der netten Frau klar, dass wir sehr interessiert waeren, einen Blick in das Geisterhaus zu werfen. Das Glueck war perfekt, sie hatte den Schluessel zum Haus! So kamen wir in den Genuss einer ganz tollen Entdeckungsreise. Knarrende Holztreppen, rote Kokosteppiche, eiserne Treppengelaender, wunderschoene Holzboeden, Blumentapeten, rosa Vorhaenge, hoelzerne Betten mit rotweiss karierter Bettwaesche, Juwelen von alten Kommoden, Schraenken, Spiegeln, Tischen und Stuehlen, stilvolle Lampen, offen gefuehrte Stromleitungen an der Decke und vor jedem Zimmer der passende Schluessel an einem Hacken. Der Bau wurde zum Glueck nie ausgeraeumt, alles wurde fuer unbestimmte Zeit eingemottet und ist heute ein wertvolles Stueck Geschichte. Die Fronis sind bereits daran, mit dem vorhandenen Material einen Teil bewohnbar zu machen, vorerst als Unterkunft fuer die vielen Helfer.
Nach diesem unverhofften Eintauchen in die Geschichte pedalten wir flott hoch Richtung Grimselpass. Bei der fantastischen Aussicht auf Berge, Rhonegletscher und Furkastrasse waren die sieben Kehren bald bezwungen, Picknick und Mittagsrast waren am Passsee unter strahlend blauem Himmel einfach herrlich. Durch die beeindruckende Granitlandschaft am Grimselpass mit den rundgeschliffenen Felsen und zahlreichen Stauseen rollten wir die nicht enden wollende Abfahrt nach Innertkirchen runter.
Wir hatten uns nochmals einen Floh in den Kopf gesetzt. Da die bisherigen Alpenpaesse so ein Genuss und wir in Hoechstform waren, wagten wir uns an die steilste schweizer Passstrasse als ein (vorlaeufig) letztes verruecktes Ziel: Die Grosse Scheidegg nach Grindelwald. Steiler als das Stilfserjoch fuehrt die schmale und fuer Motorfahrzeuge gesperrte Strasse auf den 1962 m hohen Passuebergang. Sie ist landschaftlich so gewaltig, dass sich jeder Schweisstropfen lohnt, eine der schoensten wenn nicht der schoenste Pass der Schweiz.
18 Uhr in Innterkirchen, wir wollten noch ein Stueck des Aufstiegs hinter uns bringen und in der Hoehe das Zelt aufschlagen. Stotzig stieg die Alpstrasse in die Hoehe. Wir mobilisierten alle in diesen 13 Monaten antrainierten Kraefte. Der Puls pochte in den Schlaefen, wir kaempften uns vorwaerts, Meter um Meter. Gegen 20 Uhr erreichten wir eine einsame Alp an praechtiger Aussichtslage hoch ueber dem Tal von Meiringen. Die Baeuerin und der Bauer waren am Heuen. Mit Sensen schnitten sie das Gras am Steilhang. Unsere Bitte um ein Plaetzchen fuer das Zelt wurde erhoert, die Baeuerin maehte fuer uns einige Quadratmeter hinter dem Stall, wo wir uns an traumhafter Lage einrichteten. Die Beine muede, der Magen knurrend, die Kehle durstig. Die Sonne verschwand hinter der Silhouette des Bergkranzes. Wir verwoehnten uns mit einem feinen Znacht und fuehlten uns wie Koenige. Die Baeuerin berichtete ueber den Alltag der Bergbauern. Der Hof nur eine karge Existenz, aber harte Arbeit Tag und Nacht. Es war beeindruckend, mit welcher Energie die „gschaffige“ Frau ihrer schweren Arbeit nachging und wie sie mit leuchtenden Augen ihre Liebe zu diesem Arbeitsort zeigte. Vom Rosenlauigletscher und den ueber uns aufragenden Engelhoernern blies in der Nacht ein kalter Wind ins Tal. Wir schliefen wunderbar, nur die Geraeusche der drei Kaelber im Stall durchdrangen die Nacht.
Als wir uns um 6 Uhr aus den Schlafsaecken schaelten, erwartete uns die Baeuerin vor dem Zelt mit einer Schale Himbeeren und einem runden Alpkaese als Proviant. Geruehrt ueber diese Gastfreundschaft machten wir uns an den zweiten Teil des Aufstieges. Noch warteten 900 Hoehenmeter auf uns und es schien, als wolle die Strasse diese auf moeglichst kurzer Distanz bewaeltigen. Die landschaftliche Kulisse dieses Passes ist einmalig, an Dramatik und Spektakel kaum zu ueberbieten. Als „Vorspeise“ hoch ueber uns die Felsnadeln der Engelhoerner, von der Morgensonne beleuchtet. Die Strasse fuehrte steil durch den Wald, ueber die Felswand der gegenueberliegenden Flussseite stuerzte ein Bach in die Tiefe und gabelte sich in drei Wasserfaelle auf. Eine kleine Alp und ploetzlich der Blick auf Wellhorn und Wetterhorn. Krass! Ehrfuerchtig blickten wir zu den Felsriesen hinten im Tal hoch. Der Rosenlauigletscher klebte hoch oben auf den abgeschliffenen Felsen, hellblau schimmernd das Eis. Vorbei am alten Hotel Rosenlaui erreichten wir die Schwarzwaldalp. Ab hier gehoert die Strasse nach Grindelwald den Radfahrern und Postautos, herrlich diese Ruhe! Auf einem hoelzernen Bauernhaus stand folgende Inschrift:

Es jedes wa da dirchi geit
ischt uf em Waeg i d Ewigkeit
Bhiet di Gott bliib gsund u zwaeg
Chum wider eis uf daem Waeg

Die beruechtigte Rampe nach der Schwarzwaldalp mussten wir teilweise zu Fuss bewaeltigen. Wunderschoen kurvte die Bergstrasse anschliessend durch die bluehenden Wiesen, vorbei an schindelgedeckten, sonnenverbrannten Alphuetten. Linkerhand ragte die gigantische, fast senkrechte Nordwand des Wetterhorns in den Himmel. An der Kante oben ragte der Gutzgletscher in Freie. Ab und zu hoerten wir krachenden Donner, wenn Eismassen abbrachen und die Wand runterpolterten. Immer wieder rueckten wir staunend die Koepfe in die Hoehe. Wir kamen uns winzig klein vor in diesen unfassbaren Felsmassen. Die Steigung war auch im oberen Teil zaeh und verlangte von uns alles ab. Die Ankunft auf der Passhoehe ein Triumph fuer uns, wir hatten das fuer uns sonst Unmoegliche moeglich gemacht! Das Panorama auf Eigernordwand, Grindelwald und die vielen Eisriesen war umwerfend. Gerne standen wir vielen andern Radfahrern Rede und Antwort. Manche schauten ein wenig frustriert unser Gepaeck an. Wir erklaerten ihnen, dass das nur moeglich sei, weil das nun ueber ein Jahr lang unser „Job“ war. Die steile Abfahrt war langwierig, mussten wir alle paar hundert Meter zehn Minuten pausieren und die ueberhitzten Felgen und Bremsen kuehlen. Dafuer hatten wir viel Zeit, das Panorama zu geniessen. In Grindelwald erwartete uns Marina, welche wir in Cuenca in Ecuador kennengelernt hatten, ein freudiges Wiedersehen!

Posted by tandem-adventure at 11:32 AM BST
Updated: Saturday, 16 July 2005 11:41 AM BST
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