Per Tandem unterwegs in Sudamerika, Neuseeland und Europa!
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Thursday, 7 July 2005
Prato (I) - Santa Maria in Muestair (CH): Stilfserjoch - unser Traum wird wahr!
Wo waere der wuerdige Ort, um nach unserer Reise die schweizer Grenze zu passieren? Diese Frage stellten wir uns schon in Los Angeles, als wir uns entschieden hatten, in Europa weiterzufahren. Erst ein verwegener Gedanke, dann ein verruecktes Ziel: Das Stilfserjoch oder Passo dello Stelvio. Mit 2757 m.ue.M. ist die "Koenigin der Alpenpaesse" eine der hoechsten Alpenstrassen. Das schmale Asphaltband fuehrt von Prato her mit 48 Kehren ueber 1800 Hoehenmeter gnadenlos bergauf. Von der Passhoehe koennten wir zum Umbrailpass rollen, wo wir auf 2505 m.ue.M. die Grenze zur Schweiz ueberqueren wuerden. Eine Schnapsidee?
Die Idee sass in unseren Koepfen und liess uns keine Ruhe mehr. Wir schwiegen allerdings ueber dieses Vorhaben, zu oft hatten wir unsere Plaene abgeaendert. Weil wir in Frankreich ja auf der falschen Seite der Schweiz waren, mussten wir fuer das Stilfserjoch erst mal unser Land umrunden. So ergab sich unsere Route durch Sueddeutschland und Oesterreich nach Prato, wo wir am 2. Juni 2005, exakt 13 Monate nach unserer Abreise eintrafen. Samstag war eigentlich nicht der ideale Tag, da viel zu viele Motorradfahrer unterwegs waren. Aber das Wetter war perfekt und es juckte uns so unter den Naegeln, dass wir einfach losfahren mussten. Die Herzen klopften schon wild, bevor es bergauf ging. Ob wir es schaffen? Wieviel muessen wir schieben?
Wir fassten den Entschluss, den Aufstieg auf zwei Tage zu verteilen und noch am Samstagnachmittag zu starten. Nach Prato begann die Strasse gleich knackig zu steigen. Rechterhand toste der wilde Bergbach, weit hinten im Tal blinzelte ein kleiner Flecken Gletscher. Bald mussten wir in den kleinsten Gang schalten. Wir suchten einen regelmaessigen Rhythmus. Langsam aber stetig gewannen wir an Hoehe. Volle Kraft auf die Pedale. Wir waren eins mit dem Tandem und dem Berg. Unsere Beine fuehlten sich gut an, unheimlich gut sogar. In regelmaessigen Abstaenden legten wir kurze Verpflegunghalte ein. Riegel um Riegel verschwanden in unseren Muendern. Radfahrer zogen an uns vorbei und nickten uns aufmunternd zu. Dann die erste Haarnadelkurve mit dem Schild "48. Kehre/Tornante". Die Kehren sind rueckwaerts numeriert und zeigen erbarmungslos, wieviel noch fehlt bis auf den Pass. Das Tal oeffnete sich ein wenig und wir wussten wieder, warum uns dieser Pass so fasziniert: Riesige schroffe Felswaende ragten in den blauen Himmel, weisse Gletscherzungen blitzten im Sonnenlicht, einfach gewaltig! Wir passierten Trafoi, die letzte Ortschaft mit alten Hotelkaesten. Die Rampen durch den Nadelwald wurden steiler. Die Linkskehren waren kein Problem, die Rechtskehren der schmalen Strasse eine Herausforderung fuer den Steuermann. Der Asphaltbelag ist auf der Kurveninnenseite krass steil. Kratzspuren zeugen vom Bodenkontakt der Autos. Wir hofften jedesmal, dass die Fahrbahn nach unten und nach oben frei ist, damit wir weit ausholen und unser 3.5 m langes Gefaehrt um die Kurve lenken konnten. Das Gluecksgefuehl, das uns von Kopf bis Fuss durchstroemte, wurde mit jeder Kehre groesser. An der Waldgrenze der beruehmt-beruechtigte Anblick der "Wand": Ploetzlich war der verbleibende Rest des Aufstiegs auf einen Blick sichtbar. Wie ein Adlerhorst weit oben die Gebauede auf der Passhoehe, darunter die steile Bergflanke mit dem Zickzack der letzten 26 Kehren der Strasse. Dieser gewaltige Anblick ist es, der den Mythos des Stilfserjochs ausmacht. Wer als Radfahrer hier noch genug Kraft in den Beinen hat, der jubelt. Wer schon am Kaempfen ist, dem stockt das Blut in den Adern.
Nach vier Stunden Aufstieg erreichten wir das Berggasthaus "Franzenshoehe". Zwei Drittel des Passes waren gemeistert. Mit einem Riesenlachen im Gesicht trugen wir die Taschen in unser Zimmer hinauf. Wir waren wie auf Droge, aber eine natuerliche, ein unbeschreiblicher Glueckszustand! Unter den rot-weiss karierten Daunendecken schliefen wir wie Steine, bis uns der Wecker um 4 Uhr aus den Traeumen riss. Mit der Daemmerung sassen wir um 5 Uhr bereits wieder auf dem Tandem. Wir wollten die Passhoehe erreicht haben, bevor der grosse Sonntagsrummel losbrach. Die Morgenstimmung war sagenhaft. Kuehle, glasklare Morgenluft, ein wolkenloser Himmel, die Bergriesen und Gletscher lagen majestaetisch im Daemmerlicht, kein Laut war zu hoeren. Kehre um Kehre arbeiteten wir ums empor, 22 fehlten noch. Die Sonne tauchte eine erste Bergspitze in zartes Rosa, dann eine zweite und dann die Passhoehe. Eine Inszenierung wie im Theater, wir als einzige Zuschauer, ganz alleine. Die letzten 10 Kehren zaehlten wir lauthals mit. Und dann, das braune Schild, die Passhoehe! Ein Jauchzer, ein fantastisches Triumphgefuehl. Wir fielen uns in die Arme, ein sehr bewegender Moment. Davon hatten wir fuenf Monate getraeumt. Jetzt haben wir es geschafft und jeden Meter genossen.
Wir waren um 7 Uhr noch fast allein auf der Passhoehe. Nur ein Moench in schwarzer Kutte begab sich zur kleinen Kapelle. Wir taten es ihm gleich und zuendeten ein Kerzchen an. Bald ging der Rummel los. Am Morgen fuehrte der "Dreilaender-Giro" mit 3000 Radfahrern ueber das Stilfserjoch, wofuer die Strasse fuer drei Stunden gesperrt wurde. Gleichzeitig fand ein Motorradfest auf dem Pass statt. Das organisatorische Chaos war vorprogrammiert. Es sah schoen aus, wie die nicht endend wollende Kette von Radfahrern jeden Alters langsam die Kehren raufzog. Wir feuerten die Sportler lautstark an. Das Stilfserjoch war fuer sie erst der Beginn, sie hatten noch den Ofen- und den Reschenpass vor sich. Dann war es vorbei mit der Ruhe. Tausende von laermenden und stinkenden Motorradfahrern draengleten den Pass hoch, ein Inferno! Welch ein Gegensatz zur friedlichen und ruhigen Radsportveranstaltung, was fuer eine Faust aufs Auge in dieser grandiosen Bergwelt! Wir fluechteten so schnell wie moeglich die kurze Abfahrt hinunter zum Umbrailpass, wo wir abseits des Gedraenges die schweizer Grenze passierten und uns im Restaurant das erste Rivella genehmigten. Die steile und lange Abfahrt den Umbrailpass runter brachte uns nach Santa Maria in Muestair, wo wir auf dem Zeltplatz unseren Beinen einen Ruhetag goennten.

Posted by tandem-adventure at 2:17 PM BST
Updated: Thursday, 7 July 2005 2:44 PM BST
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Mittenwald (D) - Prato (I): Servus Oesterreich!
Von der Landesgrenze zu Oesterreich stiegen wir hoch in das Bergdorf Leutasch und weiter auf einen Passuebergang zum Inntal. Die Aussicht auf das Tal tief zu unseren Fuessen und die Stadt Telfs war wie aus der Vogelperspektive. Steil stuerzte die Strasse in die Tiefe. Von Westen her naeherte sich eine schwarze Wolkenwand, Blitze zuckten am Himmel. Wir schafften es in Telfs gerade noch in die gedeckte Anlieferungsrampe eines Supermarktes, bevor Sturm und Regen losbrachen. Nach einer Stunde war der Spuk vorueber, wir legten die letzten Kilometer nach Stams bei Sonnenschein zurueck, wo uns der Preis des Campingplatzes erschreckte. Das Inntal ist sehr stark besiedelt und von vielen Verkehrsstraengen durchzogen. Da war freies Zelten leider nirgends meoglich. Dem Inn folgten wir flussaufwaerts bis Landeck, wo wir bei Verwandten von Richard zu Gast waren. Wir wurden fuerstlich bekocht und verbrachten einen unvergesslichen Abend. Das Inntal ist im Westen Oesterreichs die einzige West-Ost-Verbindung. Alle anderen Bergtaeler sind Sackgassen. Daher quaelt sich der ganze Verkehr mit viel Laerm und Gestank hier durch. Als wir mal von einem "Aixam", einem nur 45 km/h schnell fahrenden Miniauto ueberholt wurden, schlich auch der sich dahinter stauende Verkehr in diesem sympathischen Tempo an uns vorbei. Wir philosophierten, wieviel ruhiger und stressfreier waere wohl die Welt, wenn alle Motorfahrzeuge nur so langsam fahren koennten?!
Regen und wolkenverhangene Berge begleiteten uns von Landeck nach Pfunds. Hier sahen wir bereits Schweizer Berge. Wir aber waehlten die Strasse nach Nauders und zum Reschenpass hoch. Die Felswand neben der Strasse stuerzte senkrecht ab zum hellblau dahintosenden Inn tief unter uns, spektakulaer der Blick hinunter auf Burg und Holzbruecke Finstermuenz. Vor dem Reschenpass passierten wir die Grenze zu Italien. Fuer den Bau und Aufstau des Reschensees 1950 sprengte die faschistische Regierung mehrere Doerfer. Der aus dem See ragende Kirchturm Santa Ana ist das letzte Ueberbleibsel. Ein kleiner Damm innerhalb des Stausees sorgt dafuer, dass das beliebte Fotosujet auch bei tiefem Wasserstand nicht auf dem Trockenen steht. Die Abfahrt fuerhte uns im Zickzack ueber die schiefe Ebene nach Mals im Vinschgau und nach Prato am Stilfserjoch - an den Fuss der "Koenigin der Alpenpaesse"!

Posted by tandem-adventure at 2:08 PM BST
Updated: Thursday, 7 July 2005 2:11 PM BST
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Bad Toelz - Mittenwald: Fuchs du hast den Schuh gestohlen...
Nach Bad Toelz waren wir begeistert vom Jachenautal, einer Oase eingebettet in die Berge der Voralpen. Die stattlichen Bauern- und Wirtshaeuser waren mit barocken Wandmalereien verziert. Kapellen und Wegkreuze mit alten Linden vervollstaendigten das Bild einer heilen Bergwelt. Der Walchensee lag mit seiner leuchtend hellblauen Farbe wie ein Edelstein da. Bei Wallgau tauchten nun "richtige" Berge auf. Wir jubelten beim Anblick der Felswaende, nach 13 Monaten wieder zurueck in den Alpen!
In Kruen durften wir das Zelt hinter der Scheune eines Bauernhofes aufstellen. Um 1 Uhr nachts raschelte es im Vorzelt. Ein Tier zog den Plastiksack mit dem Abfall aus dem Vorzelt. Im Schein der Stirnlampe leuchteten nur zwei Augen aus der Dunkelheit. Hatte die Katze des Bauernhofes die Fleischverpackung gerochen? Wir haengten den Sack in die Hoehe und schliefen weiter. Erneut raschelte es im Gras. Als Richard mit der Lampe ins Vorzelt zuendete, traute er seinen Augen kaum. Ein Fuchskopf schaute unter dem Zelt durch, schnappte sich einen von Richards Wanderschuhen und zog ihn unter dem Zelt weg und rannte davon. Wie der Blitz schoss Richard aus dem Schlafsack und war erleichtert, den Schuh nicht weit entfernt wieder zu finden.
Der naechste Morgen fuehrte uns nach Mittenwald, wo wir Deutschland bereits wieder verliessen und nach Oesterreich einreisten. Sueddeutschland hat uns gut gefallen. Es wartete auf mit einer ueberraschenden Vielfalt an tollen Landschaften und herzlichen Menschen. Weniger erfreut waren wir ueber die oft miserablen Radwege und die ruecksichtslose Fahrweise der Autofahrer. Den Stellenwert des Autos unterstreicht die Tatsache, dass kaum Kleinwagen auf den Strassen zu sehen sind, dafuer viele grosse und protzige Autos.

Posted by tandem-adventure at 2:00 PM BST
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Thursday, 30 June 2005
Rottachsee - Bad Toelz: Breze und Pfueeti
Vom Rottachsee starteten wir frueh um 6 Uhr, um vor der Mittagshitze nach Fuessen zu gelangen. Eine fantastische Morgenstimmung erwartete uns. Die Voralpenhuegel lagen in allen Grauschattierungen wie verschiedene Lagen Vorhaenge vor uns, die Sonne schickte goldene Strahlen rein und dahinter erhoben sich die Gipfel der Alpen. Durch saftiggruene Wiesen, vorbei an spiegelnden Seelein und Kirchtuermen mit Zwiebelhauben pedalten wir durch wunderschoenes Bayern. Einzig das starke Verkehrsaufkommen und die gestresste Fahrweise vieler Autofahrer truebten etwas das Bild. Die Menschenmassen bei den beiden Koenigsschloessern Neuschwanstein und Hohenschwangau liessen uns gleich wieder das Weite suchen. 4 Millionen Touristen kommen hier pro Jahr vorbei, Japaner knipsen um die Wette, fuellige Amerikanerinnen erkundigen sich nach dem kuerzesten Weg hoch zum Schloss. Wir fanden ein Stueck weg vom geschaeftigen Treiben ein einsames Baenklein draussen in den Feldern und hatten zum Picknick eine wunderbare Aussicht auf Schloss und Berge. Der Campingplatz am Bannwaldsee war so gross, so ungefreut und so teuer, dass wir trotz der Hitze langsam weiterfuhren. In Kuechele am Lechsee erlaubte uns ein Bauer zu zelten, wies und aber nicht auf den nahegelegenen Campingplatz hin. Am naechsten Morgen unternahmen wir die kuerzeste Etappe unserer Tour. Nach 1.2 km sahen wir in Prem das Schild "Campingplatz", ein kleiner und sympathischer Platz, der auf keiner Karte eingezeichnet und entsprechend nicht ueberlaufen war. Da wir schon 8 Tage am Stueck durch Deutschland geradelt waren und ein Ruhetag ueberfaellig war, nutzten wir gleich die Gelegenheit, stellten um halb acht Uhr morgens das Zelt wieder auf und verbrachten zwei geruhsame Tage.
Die folgende Etappe fuehrte uns durch den "Pfaffenwinkel", eine liebliche Huegellandschaft mit schmucken Bauernhoefen und ruhigen Straesschen. In Rottenbuch besichtigten wir die Reste der einst ausgedehnten Klosteranlage. Nach der Saekularisierung kaufte ein Schweizer 1803 das Kloster, pluenderte die Bauten und riss einen grossen Teil ab. Wenigstens ueberstand die prunkvolle Barockkirche die Zerstoerungswut, sie beeindruckt auch heute noch den Besucher.
Immer wieder aendern auf unserer Reise die Grussworte oder lernen wir neue typische Ausdruecke. In Bayern rufen sie uns auf der Strasse "Gruess Gott" oder "Servus" zu, zum Abschied haeufig "Pfueeti", was soviel heisst wie "Behuet Dich Gott". Die vorzueglichen Brezeli, die hier in Deutschland bei keinem Znueni fehlten, heissen in Bayern einfach "Breze".
Ueber Schoeffau und Murnau erreichten wir Bad Toelz mit der gepflegten Altstadt. Dies war nun unser oestlichster Punkt. Seit Spanien sind wir, abgesehen von Umwegen, staendig nach Osten und Norden gefahren, ab nun fuehrt unsere Route in die Himmelsrichtungen Sueden und Westen, Richtung Schweiz!

Posted by tandem-adventure at 11:21 AM BST
Updated: Thursday, 30 June 2005 11:30 AM BST
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Friday, 24 June 2005
Schwenningen - Rottachsee (bei Kempten): Schwaebische Alb, Allgaeu und Bayern
Das Gebiet zwischen Schwarzwald und Schwaebischer Alb war staerker besiedelt, entsprechend hatte es viel Verkehr und (leider) viele Radwege. Leider deshalb, weil diese in Deutschland oft miserabel sind. Nicht recht gewalzte oder x-fach geflickte Asphaltwege, gepflasterte und damit holprige Radwege innerhalb der Ortschaften, alle paar Meter eine Bordsteinkante rauf oder runter - fuer den Schulweg der Kinder oder die Fahrt zur Baeckerei moegen die Verbindungen vielleicht taugen, nicht aber fuer ein sinnvolles Vorwaertskommen. Da standen wir oft vor dem Dilemma, mit 10 km/h auf dem Radweg uebers Land zu holpern oder auf der Strasse nebenan dreimal so schnell vorwaertszukommen, dafuer von den Autofahrern ausgehupt zu werden. Freie Fahrt fuer den Autofahrer scheint hier ein wichtiges Menschenrecht zu sein, die Fahrweise ist manchmal recht ruecksichtslos und gestresst. Von nun an versuchten wir alle groessen Ortschaften und verkehrsreichen Strassen (mit oder ohne parallelem Radweg) konsequent zu meiden und entdeckten die Schoenheiten Sueddeutschlands auf kleinen Nebenstrassen.
Von Schwenningen gelangten wir ueber Trossingen, Aldingen und Gosheim beim Kloster Beuron an die Donau. Wir durchquerten fantastische Hochebenen der Schwaebischen Alb und rollten durch einsame Taeler mit riesigen Waeldern. Die Fahrt durch das Donautal nach Sigmaringen war ein Leckerbissen. Felswaende und -tuerme ragten beidseits der Schlucht hoch in den Himmel, Burgen thronten ueber dem Tal, der blaue Himmel spiegelte sich in der jungen Donau - der "Naturpark Obere Donau" ist eine tolle Region!
Bei bruetender Sommerhitze gelangten wir in drei Tagen an den Rottachsee in Bayern. Ueber Krauchwies, Wilhelmsdorf, Wolfegg, Kisslegg und Waltenhofen bei Kempten genossen wir beschauliche laendliche Gegenden auf ruhigen Straesschen. Kleine Badeseen lagen in den gruenen Wiesen, Huehner rannten vor den Bauernhoefen ueber die Strasse, die Menschen waren aufgestellt und herzhaft.
In Urlau (ohne "b"!) suchten wir gegen Abend in einem Buswartehaeuschen Schutz vor einem kurzen Gewitter. Ein Mann im Garten nebenan fing an mit uns zu plaudern - schlussendlich durften wir nicht nur das Zelt in den Garten stellen, das aeltere Paar stellte uns gleich noch die Kueche und das Bad zur Verfuegung und hatte sichtlich Spass, mit uns einen gemuetlichen Abend in der Gartenlaube zu verbringen. Beim Aufstellen des Zeltes kamen wir auch mit dem Nachbarn ins Gespraech, der soeben von einer dreiwoechigen Wanderung auf dem Jakobsweg von Rorschach nach Lausanne zurueckgekommen war. Er entdeckte dabei mit seiner Frau wunderschoene und wenig bekannte Ecken der Schweiz und war hochbegeistert von unserem Land. Um sich den Gepaecktransport zu erleichtern, konstruierte der pensionierte Herr ein Waegelchen, auf dem sie die beiden Rucksaecke hinter sich herzogen. Eine verblueffend simple und raffinierte Loesung um den Ruecken zu schonen und eine solche Tour auch im Alter zu ermoeglichen! Er lud uns fuer den naechsten Morgen zum Fruehstueck ein - ein Berg frischer Broetchen, selbstgemachte Marmelade und zum Abschied noch Schinken- und Kaesesandwiches mit auf den Weg. Wir waren uebergluecklich ueber die Gastfreundschaft in Urlau!

Posted by tandem-adventure at 11:03 AM BST
Updated: Friday, 24 June 2005 11:30 AM BST
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Basel - Schwenningen: Emsiges Heuen im Schwarzwald
In aller Fruehe verliessen wir Basel Richtung Loerrach. Bis zur Landesgrenze war die Veloroute gut ausgeschildert, ab da mussten wir die spaerlichen Schilder suchen. Da diese sich auf das Radsymbol beschraenkten und keinerlei Ortsangaben enthielten und auch die Radkarte wenig aussagekraeftig war, mussten wir uns an die Strassenschilder halten. Prompt landeten wir auf der Autostrasse. Umkehren war nicht mehr moeglich, so hetzten wir bis zur naechsten Ausfahrt. Lastwagen hupten und Autofahrer zeigten uns den Vogel. Der Nase nach durch Quartierstrassen erreichten wir dennoch Schopfheim. Ab Wehr wurde es wunderbar ruhig. Durch das tief eingeschnittene Wehratal stiegen wir stetig in die Hoehe. Vorbei an Saegereien kamen wir in den "heilklimatischen Luftkurort" Todtmoos. Im sterilen Kurpark picknickten wir und waren die Tagesattraktion fuer die zahlreichen Kurgaeste im Seniorenalter. Nach dem Aufstieg auf die Passhoehe auf 1055 m oeffnete sich die Landschaft, die dunklen Tannenwaelder gingen ueber in eine schoene Weite mit Blumenwiesen. Es roch nach frisch geschnittenem Gras, wir freuten uns ueber das schon lange nicht mehr gehoerte Gebimmel der Kuhglocken. Fuer die Nachtlagersuche gingen wir ein Stueck einen Wanderweg hoch und fanden in der Naehe eines Naturschutzgebietes ein traumhaftes Plaetzchen fuer das Zelt. Im Schwarzwald ist wildes Zelten einfach, die Region ist duenn besiedelt und unter der Woche recht einsam.
Als wir am naechsten Morgen in St. Blasien einkaufen gingen, wollten wir die kurze Strecke vom Supermarkt zur Hauptstrasse wieder durch die Einbahnstrasse zurueck. Um den deutschen Ordnungssinn nicht zu provozieren, entschieden wir uns zu Fuss zu gehen und das Tandem zu schieben. Prompt hielt eine Autofahrerin an, oeffnete die Tuer und wies uns zurecht, dass das eine Einbahnstrasse sei...!
Vorbei am Schluchsee gelangten wir zum Titisee, wo wir an diesem strahlenden Samstag nicht die einzigen waren, die am Ufer picknicken wollten. Durch ein wunderschoenes Tal mit typischen Schwarzwaldhaeusern mit immensen Daechern stiegen wir gegen Waldau an. Wie fleissige Bienen waren die Bauern ueberall am Heuen. Die Wiesen wurden gemaeht, das Heu gewendet oder maschinell zu Heuballen geformt - fuer die Bauern harte Arbeit und lange Tage, fuer uns schoene Anblicke. In einer "Baeckerei mit Stehcafe" schlemmten wir feinsten Kuchen, Energie fuer den letzen Aufstieg auf einen Bergruecken. Schon von weitem malten wir uns aus, dass wir dort oben das Zelt aufstellen moechten. Der Waldrand mit Fernsicht bis zum Feldberg und zum Schauinsland war "klasse"!
Der dritte Tag im Schwarzwald war wie aus dem Bilderbuch. Die tolle Kammstrasse nach Furtwangen mit Weitblicken in die Berge, das einsame Breg-Tal mit wuchtigen Bauernhoefen und urigen Gaststuben und die Panoramastrasse von Schoenwald Richtung Villingen - wir waren begeistert vom Schwarzwald, wo die unendlichen Tannenwaelder dem Gebiet zu recht den Namen geben. Nach einer langen Abfahrt erreichten wir Villingen mit der herausgeputzten Altstadt und Schwenningen, das am Uebergang vom Schwarzwald zur Schwaebischen Alb liegt.

Posted by tandem-adventure at 10:43 AM BST
Updated: Friday, 24 June 2005 10:59 AM BST
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Bonhomme (Vogesen) - Basel: Kurzer Abstecher in die Schweiz fuer ein neues Hinterrad
Die Hinterradfelge wies ueber 20 kleine Risse bei den Speichenloechern auf. Vielleicht haette sie noch ueber 1000 km gehalten, vielleicht nur noch ein paar wenige, beide Faelle hatten wir in Neuseeland erlebt. Eine Spezialfelge fuer 48 Speichen im Elsass aufzutreiben waere ein aussichtsloses Unterfangen gewesen, geschweige denn einen Fachmann zu finden, der ein Rad bauen kann. Also musste die Nabe irgendwie nach Hochdorf im Kanton Luzern gelangen, damit unser Tandemspezialist eine neue Felge aufziehen kann.
Wir waren ja in den Vogesen nicht mehr weit von der Schweiz entfernt. Die verfruehte Rueckkehr wegen dieses Defekts waere fuer uns undenkbar gewesen. Wir wollten noch durch Sueddeutschland weiterfahren und dann von Osten her die Schweizer Grenze ueberqueren. An dieser Route wollten wir festhalten, wir waeren mental auch noch gar nicht bereit gewesen, ploetzlich in die Schweiz zu kommen. Nicht dass wir uns nicht auf die Schweiz freuen wuerden, im Gegenteil! Wir freuen uns riesig darauf, zum Abschluss der Reise eine "Tour de Suisse" zu fahren, unser schoenes Heimatland zu geniessen und unsere Familien und Freunde wiederzusehen. Aber nach ueber einem Jahr "auf Achse" darf dieser Schritt nicht ueberstuerzt erfolgen.
So telefonierten wir hin und her und nach einer schlaflosen Nacht entschieden wir uns fuer die naheliegendste, wenn auch fuer uns nicht einfachste Loesung, einen Abstecher in die Schweiz zu machen. Wir hofften, das Rad halte noch bis Basel und pedalten auf direktestem Weg dorthin. Bei einer Kollegin fanden wir fuer zwei Naechte Unterschlupf. Richard fuhr per Bahn mit dem Hinterrad nach Hochdorf, wo Marc in verdienstvoller Weise die neue Felge einspeichte. Wir erzaehlten niemandem etwas von dieser "Nacht- und Nebelaktion" udn fuhren am naechsten Morgen gleich wieder weiter in den Schwarzwald, um unsere Route um die Schweiz fortzusetzen.
Lustig war die Frage im "Veloplus", wo wir einige defekte Ausruestungsgegenstaende ersetzten, ob wir denn "auch auf einem Faehrtli seien?" Der Verkaeufer war ein wenig sprachlos, als wir sagten, dass unser Faehrtli schon ein Jahr daure!

Es war ein bewegender Moment, als wir in Basel nach 12 Monaten und 13 Tagen am 15. Juni die Grenze zur Schweiz ueberquerten. Mental reisten wir aber noch nicht ein, das wird erst etwa in einem Monat folgen. Wir fuehlten uns wir Besucher, surreal wir in einem Film. Dass wir fuer die Rueckkehr noch nicht ganz bereit sind, zeigte sich, als Richard in der Migros Proviant fuer die Bahnfahrt nach Hochdorf kaufte und spaeter feststellen musste, dass er das Eingekaufte an der Kasse liegengelassen hatte...
Die kurzfristige Rueckkehr in das normale Leben war ein kleiner Schock. Wir haben nun ein Jahr lang in der "Natur-Tierli-Bluemli-Welt" gelebt. Auch wenn wir immer ausgefuellte Tage hatten, kannten wir etwas nicht, naemlich Stress. Hier sahen wir nun ueberall gestresste Menschen, die gehetzt zur Arbeit eilten, Radfahrer die ohne Gruss vorueberflitzten. Das Leben hatte ein Tempo, das wir gar nicht mehr gewohnt sind.
Geldverdienen ist der Tagesinhalt. Das muss so sein, das Geld rinnt ja nur so durch die Finger. Was da wieder alles auf uns zukommt! Wir haben auf unserer Reise gelernt, mit einem sehr kleinen Budget zurechtzukommen. Wir haben im Supermarkt jeden Rappen umgedreht und dennoch gut gelebt. Und wenn wir nach Hause kommen kostet das Leben gleich wieder das x-Fache - erschreckend! In unserer Konsumgesellschaft "muss" man dies und das haben, aber ist auch alles lebensnotwendig? Sind wir dadurch wirklich gluecklicher?
Eine Flut von Information und Werbung prasselte ploetzlich wieder auf uns ein. Wir haben in diesem Jahr gerademal mitbekommen, dass es eine Tsunami-Katastrophe gab, Bush wiedergewaehlt wurde und der Papst gestorben ist. Das war's, mehr haben wir nicht erfahren! Und hier halten wir wieder einmal eine Zeitung in der Hand. Eine negative Schlagzeile jagt die naechste. Besteht die Welt nur aus schlechten Nachrichten?
Ueberall Werbung, an jeder Ecke. Die Flut von Propaganda erschlaegt uns fast. Haben wir frueher an all dem einfach vorbeigeschaut? Bald wird uns dies auch nicht mehr auffallen, werden wir uns wieder unbemerkt berieseln lassen von der allgegenwaertigen Werbung. Und vom Laerm. Auch dies faellt uns extrem auf. Dieser permamente Laermpegel ermuedet uns sehr schnell.
Es macht uns ein wenig Angst, dass wir in sieben Wochen zu Hause sind und uns wieder in diese Welt einleben muessen. Dennoch sind wir zuversichtlich und voller Tatendrang!

Posted by tandem-adventure at 10:17 AM BST
Updated: Friday, 24 June 2005 10:38 AM BST
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Tuesday, 21 June 2005
Lure - Bonhomme: Kretenstrassen, Seen und Tannenwaelder
In Melisey noerdlich von Lure bogen wir auf die D73 Richtung Faucogney-et-la-Mer ab, der "Route des milles etangs". Wir tauchten nun ein in eine ganz spezielle Landschaft am Rande der Vogesen. Unzaehlige Etangs lagen neben der Strasse oder etwas versteckt hinter Baeumen. Viele hatten ein Inselchen mit einem kleinen Ferienhaeuschen oder Wohnwagen. Da das Terrain nicht flach sondern recht huegelig war, hatten wir immer wieder schoene Ausblicke auf die Seelein, die mal im dichten Tannenwald, mal inmitten leuchtender Blumenwiesen lagen. Die letzten Tage dem Ognon entlang waren landschaftlich nicht sonderlich spektakulaer, hier gefiel es uns wieder ausgezeichnet. Urige Bauerndoerfer, schoene hoelzerne Scheunentore, gepflegte Gemuesegaerten, Kirchen mit Zwiebeltuermen aus farbigen, glasierten Ziegeln. Faucogney-et-la-Mer hatte schon bessere Zeiten gesehen, verblichene Aufschriften auf Hausfassaden zeugten von der einstigen Bedeutung. Kurz nach dieser Ortschaft stieg die Strasse unvermittelt brutal steil in die Hoehe. Ein Rennvelofahrer ueberholte uns und fragte etwas unglaeubig "vous connaissez?" Wir erwiderten "pas encore", er meinte "ca monte bien!". So war es dann auch, der Anstieg auf das Hochplateau gab uns arg zu beissen. Die Welt, die uns dort oben aber erwartete, liess alle Anstrengung gleich wieder vergessen. Magerwiesen mit Blumen in allen Farben, der Duft frisch gemaehter Wiesen, Heuballen wie Skulpturen in der Landschaft, Hecken, steinerne Wegkreuze, Bauernhoefe mit Huehnern auf der Strasse, Dutzende idyllischer Teiche und im Hintergrund die "Ballons", die hoechsten Erhebungen der Vogesen - ein Traum! Wir gelangten auf die Kammstrasse D57 und durch dichte Tannenwaelder, auch hier immer wieder versteckte Etangs, zum Col des Croix. Schon erblickten wir im Talkessel unten Le Thillot, nicht das erwartete kleine Staedtchen, sondern ein den ganzen Talgrund fuellendes Haeusermeer. Auf der "Voie vert", der ehemaligen Bahnlinie, rollten wir noch bis nach St. Maurice-sur-Moselle, wo wir auf dem tollen Campingplatz einen Ruhetag einlegten.
Auf der alten Strasse stiegen wir an zur Passhoehe des Col de Bussang (731 m), vorbei an der Quelle der Moselle oder spaeteren Mosel. Nach der Passhoehe rief die unerwartet spektakulaere Landschaft unser helles Erstaunen hervor. Die tannenbestandenen Berge woelbten sich hoch gegen den Himmel, hier sahen sie nun wirklich wie "Ballone" aus. Riesige Nadelwaelder soweit wir sehen konnten, das Tal stuerzte unerwartet in die Tiefe, die breite Strasse kurvte mit vielen Serpentinen talwaerts, eine rassige Schussfahrt in herrlicher Landschaft! Vor dem Aufstieg auf die "Route des cretes" wollten wir in Kruth Lebensmittel fuer die naechsten zwei Tage bunkern, aber ausser einem verstaubten Laedeli mit einem mageren Angebot gab es nichts mehr im Dorf, die Folge grosser Einkaufszentren... Aber man kann ja auch mal von Suppe, Brot und Kaese leben. Am Lac de Kruth, der ruhig zwischen den Bergflanken mit dunklen Waeldern lag, bogen wir ab Richtung "Markstein", der Passhoehe an der "Route des Cretes". Mit meist angenehmer Steigung schraubten wir uns hoeher und hoeher bis auf 1250m ue.M., wo wir auf die Kretenstrasse trafen, die die Vogesen in nord-suedlicher Richtung ueberquert. Trotz Bewoelkung und Durst sahen wir im Sueden tief unten die Ebene von Mulhouse und links und rechts in die steilen Taeler der Vogesen. Dutzende von Gleitschirmen hingen in der Luft, Skilifte standen stumm in der Landschaft, viel Verkehr zeigte, dass Samstag war.
Wir setzten uns in eine Blumenwiese und genossen das Mittagessen mit toller Aussicht, es war aber empfindlich kuehl hier oben. Dass wildes Zelten in den Vogesen streng verboten ist und Patrouillen Kontrollgaenge machen, das erfuhren wir erst am naechsten Tag. Das Plaetzchen dirket am Wanderweg, nicht weit von der Strasse weg, aber durch Baeume schoen vor Blicken und dem Wind geschuetzt, war schlicht perfekt zum Zelten. Wir wunderten uns, warum da noch kein Zelt stehe und stellten unsere Villa in die Blumenwiese. Die einzige flache Stelle weit und breit und nicht von Heildelbeeren ueberwuchert wurde wahrscheinlich mal fuer diesen Zweck angelegt. Uebergluecklich ueber den Volltreffer genossen wir den restlichen Nachmittag vor dem Zelt und gruessten alle vorbeikommenden Wanderer und Biker freundlich. Haetten wir vom Campingverbot gewusst, haetten wir sicher nicht so wunderbar geschlafen.
Wir stellten den Wecker frueh, um vor dem Sonntagsverkehr unterwegs zu sein. Als wir aus dem Zelt krochen, blickten wir in dicken Nebel. So fuhren wir erst mal ein kurzes Stueck zurueck zu einem Restaurant, wo wir bei einem heissen Tee etwas abwarteten. Die Kretenstrasse ohne Aussicht zu fahren haette wenig Sinn gemacht. Die Wolken lockerten immer mehr auf und machten zoegernd der Sonne Platz. Wir pedalten durch diese faszinierende Morgenstimmung, alles war wie in Watte getaucht. Beidseits des Kammes sahen wir tief unten schemenhaft Doerfer und Seen liegen. Wie abgehoben von der Erde rollten wir ueber die Krete, ein tolles Gefuehl. Wir fanden ein Voegelchen auf der Strasse liegen, das am ganzen Koerper zitterte, wahrscheinlich war es mit einem Auto zusammengestossen. Franziska hob es auf und waermte es lange mit ihren Haenden. Es hatte einen flauschigen roten Kopf und leuchtend gelbe Federn an der Seite. Nach einer Weile blickte es wieder aufgeweckter umher und zitterte nicht mehr. Zum Fliegen konnten wir es aber nicht bewegen, so setzten wir es an einer windgeschuetzten Stelle in eine Blumenwiese und hofften, dass es sich bald erholen wuerde.
In Breitzhausen entdeckte Franziska ein Schild "Fromage". Im Alprestaurant kauften wir nicht nur einen wuerzigen Muensterkaese, sondern erlagen der Werbung des sympathischen Bergbauern und Wirt und leisteten uns ein "Fondue", mit Kaese ueberbackene Kartoffeln und ein Stueck Kaesewaehe zum Zmittag - eine Gaumenfreude!
Er drueckte uns auch noch eine Adresse eines kleinen Campingplatzes in Bonhomme in die Hand und meldete uns bei dieser Familie gleich telefonisch an. So hatte sich unsere Route wieder mal ihren Weg gefunden, anstatt vom Col du Bonhomme links runter und dann in den folgenden Tagen durch die noerdlichen Vogesen fuhren wir nun eben rechts runter nach Bonhomme. Das Schild "les Myrtilles" fuehrte uns zu einem violetten und lilafarbenen Haus am steilen Hang hoch ueber dem kleinen Dorf.
Eine junge Familie hat dort in den letzten Jahren eine wunderschoene Unterkunft kreiert. Im untersten Stock ihres Hauses vermieten sie zwei Zimmer mit Kueche und Aufenthaltsraum, im Garten steht an idyllischer Lage ein kleines Holzhaeuschen als "Mini-Ferienwohnung" und auf den Terrassen zwischen den steilen Magerwiesen kann man das Zelt aufschlagen. Vom Betonieren des Hausfundamentes bis hin zu den stilvollen Moebeln haben sie alles selbst hergestellt. Mit viel Geschmackssinn und Liebe fuers Detail haben sie ein kleines Paradies geschaffen. Auch die Lage im Herzen der Vogesen, zwischen der Weinstrasse und den Bergen, bei Wanderwegen und Wintersportmoeglichkeiten ist hervorragend. Auch wenn unsere Koerper nicht schon wieder einen Ruhetag benoetigt haetten, entschieden wir uns, an diesem schoenen Ort zwei Naechte zu bleiben. Per Bus fuhren wir am 13. Juni in die Geburtsstadt von Albert Schweitzer, nach Kaysersberg und genossen den Tag in den Gassen der farbigen Riegelbauten.

In Los Angeles hatten wir uns superstabile Raeder mit 48 Speichen gekauft, in der Hoffnung, die Hinterradfelge wuerde nun fuer den Rest der Reise halten. Noch vor zwei Tagen war bei der regelmaessigen Tandemreinigung die hintere Felge in Ordnung, auf dem Zeltplatz in Bonhomme mussten wir aber mit Schrecken feststellen, dass sie wiederum Risse aufwies, und dann nicht wenige. Mit 4600 km, hat diese Felge zwar so lange gehalten wie keine zuvor, aber wir standen nun wieder mal vor der Loesung eines grossen Problems. Wir verbrachten eine schlaflose Nacht, telefonierten uns die Finger wund und fanden schliesslich eine Loesung, die wieder einen Knick in unsere Reiseroute brachte.

Aktuelle Daten:
12940 Kilometer (davon 4500 km in Europa)
128250 Hoehenmeter (davon 53000 in Europa)

Posted by tandem-adventure at 9:59 AM BST
Updated: Tuesday, 21 June 2005 10:29 AM BST
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Corancy - Lure: Durch das Burgund Richtung Vogesen
Mit kuehler und feuchter Witterung starteten wir dem Stausee Lac de Panneciere entlang und stiegen wieder hinauf auf die Anhoehen des Morvan. Das Gebiet ist mit den vielen Huegeln und den einfachen Haeusern sehr schoen, allerdings nicht ganz so wild und einsam wie in der Auvergne oder im Limousin. Die Naehe zum staerker besiedelten Burgund war spuerbar, viele Haeuser wurden zu Ferienhaeusern umfunktioniert. Ueber Planchez, Anost und La Cell-en-Morvan gelangten wir ins Tal des Dree, wo wir die Stadt Autun auf ruhigen Stassen umfahren konnten. Am Abend erlaubte uns ein Bauer, das Zelt in der Naehe des Hofes neben dem ehemaligen Bauernhaus aufzustellen. Das schmucke Gebaeude war nur noch eine Ruine, das Dach halbwegs eingestuerzt. Aber der Stall mit steinernem Tonnengewoelbe, das Cheminee in der Stube, die alten Holztore und die ganz ueberwucherte Veranda wuerden nach einem neuen Eigentuemer rufen, der den inmitten von Blumenwiesen und in der Naehe eines Teiches liegenden Ort zu neuem Leben erwecken wuerde! Wir stellten das Zelt in den Hof neben den alten Ziehbrunnen inmitten eines Meeres von Kamillenblueten und schliefen im feinen Duft herrlich.
Zwischen Couches und Buxy ueberquerten wir den Huegelzug von Villeneuve-en-Montagne, der mit tollen Straesschen und fantastischer Landschaft aufwartete. In Neuseeland hatten wir in einem Hostel ein Schweizer Ehepaar kennengelernt, das in Bantanges im Burgund eine "Gite" betreibt. Per Mail hatten sie uns zu sich eingeladen, falls unser Weg bei ihnen vorbeifuehre. Gerne nahmen wir die Einladung an und genossen den Komfort eines luxurioesen Zimmers und des feinen Nachtessens. Sie hatten ihre Jobs vor einigen Jahren an den Nagel gehaengt und betreiben die "Gite" im Sommerhalbjahr mit grossem Elan und einem bewundernswerten Einsatz.
Durch das Gebiet der "Bresse" beruemt fuer die Huehnerzucht, hatten wir duesteres Wetter mit Regen. Die vielen alten Bauerndoerfer haben sich zu Agglomerationsdoerfern entwicktelt, neue Einfamileinhaeuser standen neben restaurierten Bauernhaeusern. Entsprechend fanden wir keinen Bauern, der uns das Zelt aufzuschlagen erlaubte. Wir mussten immer weiter und weiter fahren, bis wir in Montbarrey einen Campingplatz fanden. Ein nettes schweizer Ehepaar, mit dem Wohnmobil unterwegs, entschuldigte sich, dass sie uns keine Schokolade schenken koennen und drueckten uns einen Batzen in die Hand!
Ueber Arc-et-Senans und St. Vit gelangten wir nach Emagny an den Fluss Ognon, dem wir nun bis nach Lure folgten. Rechterhand lag die letzte Bergkette und linkerhand die flacheren Huegel des auslaufenden Juras, im Nordosten gruessten in der Ferne bereits die Vogesen.

Posted by tandem-adventure at 9:31 AM BST
Updated: Tuesday, 21 June 2005 9:56 AM BST
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Verneuil sur Igneraie - Corancy: Eine Schussel Erdbeeren nach 1 Jahr auf Achse
Mit den geschenkten Leckereien im Gepack verliessen wir das Chateau Coudray und starteten in den strahlenden Tag. Bei schonem Fruhsommerwetter gelangten wir in drei Tagen uber Le Chatelet, Decize und St. Honore in den Naturpark "Morvan". Unterwegs durchquerten wir den "Foret de Troncais", einen 30 Kilometer langen Eichenwald. Louis XVI liess diesen riesigen Eichenholz-Vorrat anlegen. Der Wald ist von einem geometrischen Wegnetz durchzogen, an verschiedenen Orten stehen "Fontaines" im Wald, runde Brunnen oder Quellfassungen. Eichen soweit das Auge reichte, am meisten beeindruckte uns ein 350-jahriges Exemplar mit immens dickem Stamm. Nach Decize folgten wir ein Stuck weit dem Canal du Nivernais, kamen an Schleusen vorbei und winkten Urlaubern in Hausbooten zu. Ein Schild "Fromage du chevre" liess uns einen Abstecher zu einem Bauernhof machen, wo wir einen frischen Ziegenkase kauften, der ein Gedicht war. Ein pensionierter Bauer, bei dem wir das Zelt in den Garten stellen durften, wollte uns gleich den Hof verkaufen. Er will mit seiner Frau in eine Alterswohnung ziehen und sucht einen Kaufer. Hollandische oder britische Interessenten gibt es genug, aber die Lage direkt an der Haupstrasse verhinderte bisher einen Verkauf. Sie schenkten uns frische Eier ihrer Huhner. Am Morgen riefen sie uns vor der Weiterfahrt ins Haus, wo sie uns eine grosse Schussel Erdbeeren vom eigenen Feld vorsetzten - welch ein Festessen, waren wir doch an diesem Tag, dem 2. Juni, exakt seit einem Jahr unterwegs!

Der Badekurort St.Honore-les-Bains war eine eigenartige Ortschaft, riesige leere Hotelkasten, Villen und Pseudo-Schlosschen zeugten von einer Zeit, als Kuren ein wichtiger Bestandteil des Gesundheitssystems waren. Aus Lautsprechern rieselte von jeder Strassenlaterne Musik uber die Strasse, viele spazierende Kurgaste erblickten wir allerdings nicht auf den Trottoirs.

Nach vielen Tagen durch recht flache Gebiete waren wir glucklich, mit dem "Morvan" wieder einmal ein bergiges Gebiet vor uns zu haben. Langere Aufstiege, Panoramablicke, urige Dorfchen und eine extrem grune Landschaft mit vielen Hecken und Magerwiesen - da jubelten unsere Herzen! Gegen Abend erreichten wir Chateau-Chinon, wo wir eigentlich auf den "Camping Municipal" wollten. Schon im Stadtchen kam uns ein weisser Lieferwagen mit riesigem Wohnwagen nach dem andern entgegen. Wir sahen etwa 20 solche Konvois Richtung Campingplatz abbiegen, wieviele schon da waren oder noch folgten, wollten wir gar nicht wissen. Wir entschieden uns weiterzufahren. Es waren die typischen modernen Fahzeuge der Fahrenden. Sie ziehen offenbar manchmal in grossen Gruppen umher. Wenn dann so ein Clan mit vielleicht 100 Leuten oder mehr einen kleinen "Camping Municipal" belegt, findet man andernorts vielleicht eine bessere Nachtruhe. Wir mochten keine Vorurteile gegenuber andern Menschen oder Volksgruppen haben, so etwas liegt uns als Reisenden fern. Aber in diesem Fall zogen wir eine ruhige Nacht auf einem andern Campingplatz einfach vor. Die Vorurteile, die wir uber die "Gens de voyage" immer wieder zu horen bekamen, entsprachen dem Klischee. Sie klauen, bezahlen die Campingplaztgeburen nicht oder verjagen mit ihrer blossen Anwesenheit Touristen. So werden sie auf manch privatem Zeltplatz gar nicht mehr geduldet. Dafur erscheinen dann in den Zeitungen Meldungen wie "300 Fahrende besetzten fur einige Tage ein Feld im Dorf xy und liessen sich erst nach langen Verhandlungen zum Weiterziehen uberreden". Wir sahen auf unserer Tour durch Frankreich allerdings nicht viele Fahrende, begegneten aber doch ab und zu Szenen mit "sesshaften" Fahrenden. Irgendwo an einem Waldrand oder auf einem Feld standen 10 oder 20 alte Wohnwagen, umgeben von Unmengen Unrat und Autowracks. Bei solchen Anblicken wurden wir an Bilder in Peru oder Bolivien erinnert... Ein Lehrer erzahlte uns, dass es heute viele Fahrende gibt, die richtig sesshaft geworden sind und gut in der Gesellschaft integriert seien. Bei den Kindern, die er unterrichtet, fallt ihm auf, dass sie manchmal schon nach einer Stunde stillsitzen fragen, ob sie nach draussen durften.

Am Lac de Panneciere mitten im "Parc Regional Naturel du Morvan" fanden wir einen ruhigen Zeltplatz, der auch fur einen Ruhetag geeignet war. Wir baten die Campingplatzbetreiber, das Internet auf ihrem Computer benutzen zu durfen. Zum Mails schreiben reichte die lahme Verbindung nicht, aber wenigstens konnten wir die erhaltenen Mails kurz lesen. Mangels Internetzugang in Frankreich konnten wir keine Reiseberichte mehr veroffentlichen, aber dank der Hilfe von Richard's Schwester erscheinen die handgeschriebene Texte nun doch mit etwas Verzogerung!

Posted by tandem-adventure at 9:22 AM BST
Updated: Tuesday, 21 June 2005 9:30 AM BST
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