Per Tandem unterwegs in Sudamerika, Neuseeland und Europa!
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Tuesday, 21 June 2005
Am Ufer der Creuse - Verneuil sur Igneraie: Noch mehr Schlosser auf dem Weg ins Burgund
Wir schlugen nun wieder Fahrtrichtung Osten ein, sudlich vorbei an Chateauroux wollten wir der Creuse entlang Richtung Burgund pedalen. Wiederum kamen wir an unzahligen Schlossern und prunkvollen Herrenhausern vorbei. Ein Rennvelofahrer, der sich auf der allsonntaglichen Morgenausfahrt befand, fuhr eine Weile plaudernd neben uns her. Nachdem er sich verabschiedet hatte und davon zog, meinten wir, seine Frau warte jetzt bestimmt mit dem Mittagessen, er hatte uns doch einladen konnen. Im nachsten Dorf stand er wartend an der Kreuzung. Ob wir denn Hunger hatten? Heute sei Muttertag und ob zu Hause funf oder sieben am Tisch sitzen spiele keine Rolle! Ein wenig verdattert uber die unerwartete Erhorung unseres Wunsches nahmen wir die Einladung gerne an. Wir folgten ihm die paar Kilometer nach Chasseneuil, wo wir das Tandem in den Garten des gepflegten Einfamilienhauses stellten. Der Lehrer und ehemalige Velorennfahrer entschuldigte sich, dass es nur ein kurzes Mittagessen gabe, sie gingen am Nachmittag noch die Grossmutter besuchen. Er stellte uns seiner Frau und den drei Kindern im Teenageralter vor und hatte sichtlich Freude daran, uns als Gaste zu haben. Das Essen unter dem Sonnenschirm dauerte mit allen Gangen schliesslich doch fast drei Stunden. Wir genossen die gemutliche Pause und unterhielten uns angeregt mit der sehr interessierten Familie. Alle horten gespannt unseren Reiseberichten zu und stellten viele Fragen, die wir gerne beantworteten. Gut gestarkt und rundum zufrieden machten wir uns wieder auf den Weg in den schwulen Nachmittag. Auf Nebenstrasschen rollten wir durch idyllische Taler. Wir uberholten vier Wanderer, welche uns nachriefen, woher wir denn kamen. Wir hielten an und wurden von den beiden alteren, sympathischen Ehepaaren mit Fragen gelochert. Sie stellten uns sehr gute Fragen, verbluffende oder tiefgrundige, welche uns noch nie jemand gestellt hatte und auf die wir nicht immer gleiche eine Antwort hatten. Nachdem wir uns eine Weile prachtig mit ihnen unterhalten hatten, luden sie uns zu einem Glas Orangensaft und selbstgebackener Kirschenwahe ein. Nach dem Mittagessen wurden wir nun auch noch mit einem Zvieri verwohnt! Wir waren glucklich uber die heutigen schonen Begegnungen und fanden am Abend auch noch einen netten Bauern, neben dessen Huhnerstall wir das Zelt aufstellen durften.

Nach einer regnerischen und windigen Nacht war die druckende Sommerluft der letzten Tage weggeblasen. Wir fuhlten uns wieder wohl in der kuhlen Morgenluft, die Hitze vertragen wir einfach schlecht. In der landlichen Gegend nordlich von La Chatre gefielen uns zwei Schlosser ganz besonders. Das Schloss Lys-St.-Georges bestand aus den Ueberresten einer grossen mittelalterlichen Wehranlage und einem darin eingefugten neueren Schloss. Von der alten Anlage steht noch die massive Ruine des ovalen Donjons mit meterdicken Mauern, einige kleine Rundturme und der Riegelbau des Torhauses. Das neuere Schloss, von einem hellgrun leuchtenden Wassergraben umgeben, war nicht verfallen, wirkt aber sehr alt und hatte damit eine besondere Ausstrahlung. Zusammen mit der romanischen Kirche und den herausgeputzten Hausern war dieses Dorfchen ein Augenschmaus. In Sarzay schauten schon von weitem die Kegelspitzen der Ziegeldacher aus den Kornfeldern. Die Wehranlage aus dem 14. Jahrhundert stand majestatisch in der Landschaft. Der hohe Bergfried ist von funf wuchtigen Rundturmen flankiert, welche das eigentliche Gebaude kaum sichtbar lassen, ein gewaltiger Anblick.

Ueber Nohand erreichten wir Verneuil sur Igneraie. Ausgangs des Dorfes wies eine Tafel auf das Chateau Coudray hin. Wir folgten den kurzen Weg zum grossen schmiedeeisernen Tor, "Visite libre" stand daran. Im Park des kleinen Schlosschens gab es eine Ausstellung uber George Sand, eine beruhmte Schriftstellerin und Feministin. Wir folgten der Ausstellung durch den Park, der gepflegt war, aber fruher sicher bessere Zeiten gesehen hatte. Als wir schon wieder fast gehen wollten, kam die Hauseigentumerin auf uns zu und begann, uber das Leben der George Sand zu erzahlen. Dieses Schlosschen war einst die Ferienresidenz dieser grossen Frau. Vor 25 Jahren war die Anlage nur noch eine Ruine, das Dach lochrig, alles ausgeraubt und der Park vollig verwildert. Da die Feministin und Sozialistin einst keinen guten Ruf hatte, sperrte der letzte Schlossbesitzer das Anwesen rigoros ab, er hatte die vielen Anfragen satt. Die heutigen Eigentumer sind nun seit 25 Jahren daran, dem Ort neues Leben zu geben. Sie wussten beim Kauf nicht, welche Geschichte sich hier verbarg. Als sie fur die Renovation der Fassade Nachforschungen anstellten, merkten sie, welch geschichtstrachtigen Ort sie da erworben hatten. Sie befassten sich intensiv mit dem Lebenswerk von George Sand und prasentieren dieses nun im Park auf Plakaten. Die Renovationsarbeiten am Haus und die Wiederherstellung des Parks schreiten stetig voran. Sie unternehmen alles in Eigenregie und so bleibt noch viel zu tun. In fruheren Jahren waren sie viel gereist, mit dem Zelt oder dem Wohnwagen. Plotzlich fragte sie uns, ob wir denn schon wissen ,wo wir heute schlafen. Wir durften sonst das Zelt im Park aufschlagen! Es war zwar erst Mitte Nachmittag, aber wir fuhlten uns so wohl hier, dass wir das Angebot strahlend annahmen. Sie mussten zwar noch weg, lassen uns aber das Haus offen, damit wir Dusche und WC benutzen konnen. Da hatten wir ja wieder einmal voll gewonnen! Im Schlosspark mit den alten Baumen stellten wir das Zelt auf, genossen den friedlichen Abend und schliefen herrlich an diesem besonderen Ort. Fur die Weiterfahrt druckten uns die lieben Gastgeber noch eine Buchse Cassoulet (eine Bohnen-Wurst-Spezialitat aus Castelnaudry, wo wir einige Wochen zuvor vorbeikamen) und ein Glas Apfelmus in die Hand!

Posted by tandem-adventure at 9:16 AM BST
Updated: Tuesday, 21 June 2005 9:21 AM BST
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Am Ufer der Creuse: Ruinen werden zu neuem Leben erweckt
Wir verbrachten vier spannende Tage im Schloss von Madame D. Nach unserer Ankunft genossen wir eine Dusche, danach zeigte uns die Gastgeberin stolz ihren Park. Rund um das Schloss hatte sie verschiedene Gaerten erstellt. Wir schlenderten durch den Garten voller weisser Blumen, den Gemuesegarten, die Glyzinenlauben, den Mini-Rebberg, den Obstgarten und den Buchsgarten. Anschliessend lud sie uns ein in den Salon, wo sie alle unsere Erlebnisse seit dem Cezallier hoeren wollte. Dabei vergass sie die Pizza im Ofen, wir hatten ein recht knuspriges Nachtessen.
Unsere Zweizimmerwohnung in der ehemaligen Backstube war ein kleines Bijou. Vom Haarfoehn uber das Buegeleisen bis hin zur Saftpresse war alles vorhanden, es fehlte an nichts. Vom Schlafzimmer im Dachstock hatten wir Sicht auf das Schloss mit den vier Rundtuermen. Dieses stammt aus dem 14. Jahrhundert und ist ein schmucker, formschoener Bau. Zum Schlossgut gehoert ein ehemaliger Bauernhof mit grossen Scheunen, der Park und mehrere Hektaren Wald und Weiden. Es war alles in einem erbaermlichen Zustand, als Madame D. das Anwesen vor 14 Jahren kaufte. Die Leute im Doerfchen schuettelten nur den Kopf ueber die Frau, die eine solch ruinoese Anlage erwirbt. Die ehemalige Antiquitaetenhaendlerin hat eine besondere Leidenschaft. Sie kauft dem Zerfall ueberlassene Bauwerke, restauriert sie stilvoll und mit viel Fachwissen und haucht ihnen neues Leben ein. Mit einem immensen Arbeitseinsatz legt sie selber Hand an. Sie ist Historikerin, Bauarbeiterin, Architektin, Gaertnerin und Managerin in einem. Man sieht dem quirligen, weisshaarigen Energiebuendel die 70 Jahre gar nicht an. So besitzt sie inzwischen an verschiedenen Orten Frankreichs solche restaurierten Haeuser als Ferienwohnungen, die sie aber nicht fuer sich behaelt, sondern vermietet. Sie haucht den Gebaeuden nicht nur materiell wieder Leben ein, sondern haelt die Tueren offen fuer Freunde, Bekannte und Anwohner. Dadurch fuellen sich die Mauern wieder mit Leben und gewinnen ihre fruehere Bedeutung zuruck. Hier im Schloss hat sie in den Nebengebaeuden drei Ferienwohnungen eingerichtet. Das Swimmingpool im Park steht zu gewissen Zeiten den Einwohnern der Gemeinde zur Verfuegung. Durch ihre Offenheit und Kontaktfreudigkeit hat sie sich ein grosses Beziehungsnetz aufgebaut. Freunde gehen im Schloss ein und aus, man trifft sich hier und dort zum Diner. Dies aber ganz formlos und locker. Sie stammt zwar aus gutem Hause und hat immer in "grossen" Haeusern mit vielen Dienstboten gelebt, hasst aber alles vornehme und noble Getue. Auch ihre Garderobe, ihr Auto und ihre Manieren sind einfach "normal" keine Spur von versnobt. Sie erzaehlte uns manche lustige Geschichte, wie sie mit ihrer direkten Art vornehme Herrschaften vor den Kopf gestossen hatte. Sie schaetzt es gar nicht, wenn man zu ihr wie zu einer "Schlossherrin" heraufschaut. Sie wohnt hier nicht aus Prestigegruenden, sondern einfach weil sie Freude an diesem Gebaeude hat. Andere geben ihr Erspartes fuer Reisen, Schmuck oder Autos aus, sie eben fuer ihr Haus.
Der erste Tag war ausgefuellt mit Kleider waschen, Tandem putzen und Einkaufen. Am Abend fuhren wir mit Madame D. in die "Fabrik". Tags zuvor waren wir in St. Pierre daran vorbeigefahren und hatten uns gefragt, was da wohl mal produziert wurde. Es war eine Destillerie, in der wahrend des 2. Weltkrieges aus Zuckerrueben Alkohol hergestellt wurde. Jahrelang schlummerte die Fabrikruine vor sich hin. Das Dach war loechrig, was nicht niet- und nagelfest war wurde gestohlen, Vandalen versprayten die Mauern, der grosse Umschwung war voellig verbuscht und glich einer Abfallhalde. Madame D. macht ihre Freundin Helen, welche einen Ort fur Ateliers suchte, darauf aufmerksam. Fur die Plaene von Helen war dieser Ort wie geschaffen. Ein kleines und ein grosses Wohnhaus, die sich mit vertretbarem Aufwand wieder herrichten liessen, ein hohes Fabrikgebaeude mit interessanter Architektur, in dem sich kunftig Ateliers fuer Kunstschaffende und Probelokale fuer Theater einrichten lassen. Weiter gehoert eine Lagerhalle und ein grosser Umschwung mit mehreren Teichen dirkt am Fluss dazu. Die Fabrik liegt also nicht in einem Industriegebiet oder an einer Autobahn, sondern mitten im Gruenen an ruhiger Lage. Niemand nahm Helen und ihre Kollegen ernst, als sie mit den Renovationsarbeiten anfingen. Madame D. unterstuetzte sie aber mit Rat und Tat. Was der kleine Bautrupp innerhalb eines Jahres auf die Beine gestellt hat, verschlug uns glatt den Atem. Wir sahen auf Fotos den frueheren ruinoesen Zustand und auf einem Rundgang durch das Areal die geleistete Arbeit. Die Daecher wurden alle neu gedeckt, der broeckelnde Betonkamin mit professioneller Hilfe saniert, die Fassaden neu verputzt, die beiden Wohnhaeuser bewohnbar gemacht, das Buschwerk gerodet und ein Gemueangelegt. Es bleibt noch viel zu tun, aber was hier in Eigenregie geleistet wurde, war sehr beeindruckend. Der Kamin war in so desolatem Zustand, dass er wegen Einsturzgefahr haette abgebrochen werden sollen. Madame D. machte sich aber fuer eine Sanierung stark, weil dieser einfach zum Bild der Fabrik gehoert. Er hat einen ganz speziellen Querschnitt, wie eine sechsblaettrige Blume und ist heute das Schmuckstueck des Areals.
Wir verbrachten bei den "Fabriklern" einen aeusserst spannenden, lauen Sommerabend. Die Fleisch- und Wurstlieferungen vom Grill wollten kein Ende nehmen. Wir lauschten gespannt den Geschichten ueber die Fabrik und die andern wollten alles ueber unsere Reise erfahren. Nach dem Dessert schaltete der Lichtregisseur Bruno zu spaeter Stunde seine Beleucthung ein. Es war wie auf einer Theaterbuehne mit der professionell in Szene gesetzten Fabrikhalle und dem in den Nachthimmel leuchtenden Kamin. Auch hier hatten wir wieder ganz tolle Menschen kennengelernt und einen unvergesslichen Abend verbracht.
Mit dem unbeladenen Tandem unternahmen wir einen Tagesausflug zu den Etangs im Parc National de la Brenne. Hunderte von Teichen wurden frueher unter anderem fuer die Fischzucht angelegt und bilden eine ganz spezielle Landschaft. In einer Autogarage durften wir die Werkstatt benutzen, um eine neue Trommelbremse zu montieren. Das zweite Exemplar, erst im Maerz in Los Angeles gekauft, vibrierte und quietschte immer schlimmer. Wir erhielten aus der Schweiz eine neue Bremse, fuer deren Montage ein grosser, schwerer Schluessel notwendig ist, den wir aus Gewichtsgruenden nicht mitschleppen koennen.
Bei einem Nachtessen im Schloss lernten wir Thoma kennen, der ganz in der Naehe ebenfalls etwas Bemerkenswertes auf die Beine gestellt hat. Am naechsten Tag durften wir bei ihm vorbeischauen, wir ueberraschten den Kostuemschneider mit einem frischen Zopf. Er hat mit einem Kollegen zusammen vor 13 Jahren ein verlottertes, zweiteiliges Bauernhaus gekauft. Mit lauter Materialien aus alten Abbruchhaeusern haben sie ein Schmuckstueck erschaffen. Tonplatten fuer die Fussboeden, Holzbalken fuer die Decken, hoelzerne Treppen, Fenster, Tueren und Cheminees wurden zusammengetragen. Man sieht dies dem Sammelsurium aber gar nicht an, das Haus sieht aus, wie wenn es schon immer so gewesen waere. Wiederum ein verblueffendes Beispiel, wie alten Mauern neuse Leben gegeben wird. Ohne die fachliche und moralische Unterstuetzung von Madame D. haetten die beiden den immensen Aufwand aber nicht gewagt - heute leben sie in einem Bijou. Auch bei ihnen stehen die Tueren fuer bekannte oder unbekannte Gaeste weit offen.
Bei intensiven Gespraechen verbrachten wir einen letzten Abend in der Schlosskueche. Die weise Dame beeindruckt uns tief mit ihrem Wissen und ihrer Lebenserfahrung. Speziell ein Satz, den sie schon im Cezallier ausgesprochen hatte, blieb uns haften: "Il n a pas trop de gens pour aimer"!

Posted by tandem-adventure at 8:48 AM BST
Updated: Tuesday, 21 June 2005 9:52 AM BST
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Friday, 10 June 2005
Crozant ? Am Ufer der Creuse: Schlosstage
Mit frischem "Baguette Vienne", eine Art Gipfeli in Baguetteform und knusprigem Vollkornbrot verliessen wir Crozant. Nach Eguzon schlugen wir wieder die Himmelsrichtung Westen ein. In welligem Auf und Ab, vorbei an zahlreichen Seelein, erreichten wir St. Benoit du Sault, welches uns mit einer charmanten Altstadt uberraschte. Gegen Abend gelangten wir nach A., wo Freunde der Madame D. wohnen und wir ubernachten konnen. Sie habe uns bereits angemeldet, wir sollen einfach beim Haus mit den Turmen anklopfen. Schon als wir auf das Dorf zufuhren, sahen wir das "Haus" durch die Baume schimmern - ein wahrschaftes Schloss mit riesigem Park! Mit Herzklopfen schoben wir das Tandem uber das Schotterstrasschen zum Chateau, das plotzlich in der ganzen Grosse vor uns stand. Zu unserer Ueberraschung erwartete uns aber kein Prunk und Luxus. Ein kleines Holztafelchen an der Strasse trug den Namen des Schlosses, kein Zaun oder Tor versperrte den Weg. Abgesehen vom pittoresken Gebaude mit Turmen und Kaminen wahnten wir uns eher auf einem alten Bauernhof. Die Schlossherrin begrusste uns scheu in ihren alten Arbeitskleidern. Per Velo begleitete sie uns zur ehemaligen Muhle am Fluss, am anderen Ende des Anwesens, wo wir die Nacht verbringen durften. Der Versuch, aus der hubschen Muhle ein Ferienhauschen zu machen, blieb offenbar fruher mal auf halbem Weg stehen. Inzwischen war das Innere durch einen Wasserleitungsbruch und eingedrungenes Hochwasser in sehr marodem Zustand. Der modrig-schimmlige Geruch war zu intensiv, wir stellten schlussendlich das Zelt zwischen Muhlekanal und Fluss auf. Ein ideales Zeltplatzchen, aber wir hatten erst etwas Hemmungen, nicht im angebotenen Haus zu ubernachten. Das Schloss war aber soweit weg und Baume versperrten die Sicht, sodass dies wohl niemand merkte. Im Schlafsack drehten sich unsere Gedanken noch lange um das Schloss. Wie ist das wohl, wenn man so eine Anlage sein Eigentum nennt? Wir konnen uns so etwas nicht mal in den kuhnsten Traumen vorstellen. Die Beiden besitzen ein richtiges Schloss und leben einfach so darin, wie wenn sie in einem alten Hauschen auf dem Lande wohnen wurden, keine Spur von Reichtum.
Am rauschenden Bach schliefen wir herrlich, bis uns die Morgensonne weckte. Die Muhle und ihre Umgebung waren ein fantastischer Ort. Es stimmte uns etwas traurig, dass daraus nicht mehr gemacht wurde, aber offenbar fehlt es hier schlicht und einfach an Geld. Das Ehepaar hatte uns zum Morgenessen auf das Schloss eingeladen. Wir waren sehr gespannt, was uns da im Innern erwarten wurde. Einmal ein "lebendiges" und nicht museales Schloss von innen sehen zu konnen? Oder besser nicht zu viel erwarten, nach dem was wir schon gesehen hatten? In der Morgensonne lag das Gebaude majestatisch in der Parkanlage, die schon bessere Zeiten gesehen hatte. Der Wald war verbuscht, die hufthohen Wiesen unpassierbar, die Oekonomiegebaude hinter den Baumen verfallen. Dennoch naherten wir uns ehrfurchtsvoll dem geschichtstrachtigen Ort. Verlegen begrussten uns die Eigentumer. Der Flur hinter der kleinen Ture, die sicher einst nicht der Haupteingang war, hatte gerade so gut zu einem einfachen Bauernhaus gepasst. Alte Arbeitskleider, Stiefel und Gerumpel standen rum, alles andere als ein pomposer Empfang. Wir wurden durch die alte Kuche in den oberen Stock in den Esssaal gefuhrt. Verstohlen blickten wir im Vorbeigehen herum, ohne zu neugierig zu wirken, obwohl wir vor Neugierde fast platzten. Was wir da aber in unseren Augenwinkeln erspahten, war unglaublich. Eine Mischung aus Abglanz des fruheren Luxus, Gerumpelkammer und Brockenhaus, in diesem Sammelsurium hatten wir stundenlang rumschauen konnen. Gleichzeitig erschreckte uns der Zustand des Gebaudes. Tapetenfetzen hingen von den Wanden, in den Ecken schimmelte es, in der chaotischen Kuche stapelte sich das Geschirr. Alles wirkte schmuddelig, bis hin zu den lochrigen Pullovern der Gastgeber. Dabei waren es so liebenswurdige Menschen, die fur uns alles gemacht hatten. Die hagere, abgearbeitet wirkende Frau und der wohlbeleibte, krankelnde Herr wirkten keineswegs wie Konige, irgendwie war die ganze Szene recht surreal. Der Esssaal war ein grosser Raum mit hoher, holzerner Decke. Wandteppiche, silberne Kerzenstander, antike Mobel und ein fast antiker Fernsehapparat, dazu uberall Krimskrams. Auf dem grossen Tisch in der Mitte lagen Briefstapel und Medikamentenschachteln. Diese wurden etwas zur Seite geschoben, damit dazwischen die Porzellanteller und das Silberbesteck Platz fanden. Zum Morgenessen erschien ein weiteres Ehepaar, er von enormer Leibesfulle und sicher doppelt so alt wie die hubsche junge Frau mit Diamantring. Sie residieren in einem Schloss in der Nahe und unterhielten sich uber Auktionen und Antiquitaten. Ob sie wohlhabend und adlig waren oder nur so taten, wurde uns nicht klar. Es war eine illustre Gesellschaft, die da an der grossen Tafel sass. Wir gehorten zwar zum Fussvolk, riefen aber offenbar mit unserer Tour durch die Anden Hochachtung hervor. Bevor wir uns verabschiedeten, zeigte die Schlossherrin uns noch kurz die beiden anderen grossen Raume auf diesem Stockwerk. Sie schienen weniger benutzt und hatten eher musealen Charakter. In der Bibliothek standen stumm reihenweise alte Bucher mit Lederumschlagen wie ein reichhaltiger Schatz. Der Gesellschaftssalon mit den alten Sesseln, Sofas, Leuchten und Bildern wirkte beeindruckend. Wir versuchten noch etwas uber die Geschichte des Schlosses zu erfahren, nach zwei kurzen Antworten war uns aber klar, dass dies kein erwunschtes Gesprachsthema ist. Wahrscheinlich schamen sie sich fur den heutigen Zustand des Schlosses und ihre sehr offensichtliche "Armut". Madame D. erklarte uns spater, dass es viele Schlossbesitzer gabe, die seit Generationen das Schloss als Familienbesitz haben, kaum flussige Finanzen besitzen und das ganze Leben dafur krampfen, den grossen Besitz halbwegs zu unterhalten und damit der Familie zu erhalten. Sie habe uns sehr bewusst zu ihren Freunden im Schloss A. fahren lassen, um uns zu zeigen, dass es nicht nur versnobte Schlossbesitzer gabe. Viele Schlossbesitzer seien ganz "normale" Menschen, denen das Schloss eine grosse Last sein kann. Reiche Amerikaner, Englander oder Pariser wurden sofort Interesse an einem solchen Anwesen zeigen, die Familienehre lasst einen Verkauf aber nicht zu. So sahen wir auch auf unserem weiteren Weg durch das Zentrum Frankreichs viele heruntergekommene Schlosser in traurigem Zustand. Verwilderte Parkanlagen, uberwucherte Fassaden, lochrige Dacher, riesige Oekonomiegeaude oder Bauernhofe (die oft zum weitlaufigen Besitz gehoren) in Trummern. Schade fur diese geschichtstrachtigen Orte!
Nach diesem Morgenessen waren wir ganz erschlagen von den vielen Eindrucken, wir mussten das Erlebte beim Weiterfahren erst mal verdauen. Der heutige Tag wurde zu einem richtigen "Schlosstag". Wir hatten auf der Karte gesehen, dass es hier nur so wimmelt von Schlossern, Burgen und Herrenhausern. Fur den Weg nach B. zu Madame D. legten wir uns eine Route zurecht, die bei moglichst vielen Schlossern vorbeifuhrt. Anstatt der 26 km ergaben sich bis am Abend 68 km, wobei wir an 24 Schlossern vorbeikamen! Einige konnten wir aber nur von Weitem durch die Baume des Schlossparks erspahen, was es aber nicht minder spannend macht. Die Kronung des Tages war das "Maison" von Madame D., ein Schloss aus dem 14. Jahrhundert! In den ehemaligen Stallgebauden hatte sie einige Ferienwohnungen eingerichtet. Da zur Zeit keine Gaste da waren, durften wir in ein kleines, luxurioses Hauschen einzeihen und einige Tage "Ferien" machen.

Posted by tandem-adventure at 3:51 PM BST
Updated: Friday, 10 June 2005 4:04 PM BST
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Jassy ? Crozant: Auvergne und Limousin
Seit langem hatten wir wieder einmal in einem Haus geschlafen und den Luxus eines Bettes genossen. Beim Aufwachen war es ungewohnt still, der Morgengesang der Vogel fehlte. Der Schritt aus dem gut geheizten Haus in das kalte und trube Wetter war hart. Madame D. hatte uns zwei frische Baguettes mit auf den Weg gegeben. Als wir das Gepack mitsamt dem Brot vor das Haus stellten und nochmals nachschauen gingen, ob wir nichts vergessen hatten, war das Baguette nach unserer Ruckkehr weg. Wir sahen gerade noch den Hund des Bauernhofes gegenuber mit einem grinsenden Blick und dem Brot in der Schnauze im Stall verschwinden. Gut eingepackt fuhren wir gegen den bissigen Nordwind an, vorbei an zottigen, braunen Hochlandrindern. Das Wetter passte gut zur wilden Gegend. Wieder fuhren wir an unendlichen Feldern von Osterglocken vorbei. Manche Weiden waren mehr gelb als grun, so dicht standen die Blumen. Dieses Spektakel ist einmalig in dieser Gegend und von kurzer Dauer. In einigen Tagen werden die Osterglocken offenbar von Unmengen weisser Narzissen abgelost. Bei Espinchal ging diese karge Hochlandschaft abrupt wieder uber in die gewohnt liebliche Landschaft der Auvergne mit Hecken, Magerwiesen, Bachlein und kleinstrukturierter Landwirtschaft. In Egliseneuve war gerade Markttag. Traktorpneus oder Socken im Multipack kauften wir uns zwar nicht, aber ein leckeres Pain d'epice und in der Backerei ein neues Baguette.
Wir verbrachten einige wunderschone Fruhlingstage durch die Auvergne und das Limousin. Diese Regionen sind sehr landlich, dunn besiedelt und bieten ein ausgedehntes Netz an ruhigen Nebenstrassen. Die Landschaft ist sehr naturnah, eine reiche Tier- und Pflanzenwelt erfreut Auge, Ohr und Nase. Hubsche Weiler und Bauernhofe lagen an der abwechslungsreichen Route, in den Dorfern fanden wir genugend Energienachschub in Backereien, Metzgereien und Lebensmittelladelis. Wir passierten das Plateau de l'Artense mit Lowenzahnteppichen soweit das Auge reichte, im Hintergrund das Vulkanmassiv des Mont d'Or. Oder das "Plateau de Millevaches" mit vielen Mooren, Sumpfgras, Birken und Weihern, was auf uns recht skandinavisch wirkte. Umgesturzte Baume in den Mooren zeigten ihre flachen Wurzelteller, an derer Stelle ein Tumpelchen lag. Haufig sahen wir Eichelhaher davonflattern und der Kuckuck rief aus dem Wald. Mit tausend Kurven und stetem sanftem Auf und Ab rollten wir ruhig und besinnlich durch diese fantastischen Regionen, Radelgenuss vom Feinsten! Wir ubernachteten auf einem Bauernhof, dessen Bauer uns frische Kuhmilch brachte, auf geschlossenen und geoffneten Campingplatzen und sogar mal auf Kohle.
In Bosmoreau-les-Mines fragten wir einen Bauern, der gerade das ehemalige Minengelande mahte, um Zelterlaubnis. Bis 1922 wurde die Kohle hier aus der Tiefe heraufbefordert. Heute sind die Ueberreste der Gebaude eine Art Freilichtmuseum mit Informationstafeln. Auf den Halden der nicht verwertbaren Kohle wachst inzwischen wieder Gras, die Zeltheringe brachten wir aber nur mit Muhe herein. Ein ganz spezieller Zeltplatz neben dem alten Schornstein, dem Wasserturm und dem Direktorenhaus! Die Nacht auf dem Campingplatz am Lac de Vassivieres war weniger erholsam. Heftige Gewitter zogen voruber. Als die Blitze ganz in der Nahe einschlugen und das Donnergrollen beangstigend laut war, fluchteten wir fur eine Weile in das Sanitargebaude. So nahe am Wasser war es uns nicht mehr geheuer, unser Zelt hat keinen Blitzableiter.
So gelangten wir von Jassy im Cezallier uber La Tour d'Auvergne, Tauves, La Courtine, Sornac, Lac de Vassivieres, Peyrat-le-Chateau, St. Martin-Chateau, Bourganeuf, Bosmoreau-les-Mines, St. Dizier, Benevent, St. Vaury und Dun-le-Palestel nach Crozant. Der Routenvorschlag von Madame D. war erstklassig. Die 400km zwischen ihrem Wohnort und dem Cezallier fahrt sie nicht gerne auf der Autobahn, sie bevorzugt die ganz kleinen, abwechslungsreichen Nebenstrassen, auch wenn sie damit zwei Tage braucht.

Posted by tandem-adventure at 3:46 PM BST
Updated: Friday, 10 June 2005 3:51 PM BST
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Brioude ? Jassy: Osterglockenteppiche in der weiten Hochebene des Cezallier und Knick in der Route
Wir verliessen das Stadtchen Brioude und tauchten wieder ein in die strahlende Farbenpracht von bluhenden Baumen, Magerwiesen, Weizenfeldern mit Mohnblumen, gelben Rapsfeldern und uber allem der tiefblaue Himmel mit weissen Quellwolken. In der weiten Ebene passierten wir charmante Dorfer, Burgruinen, Schlosser und kleine Bahnwarterhauschen.
Wir picknickten in einer Wiese mit Blick auf Ruine Lanau und beobachteten die schnell in die Hohe wachsenden Quellwolken. Zwei grosse Feldhasen kamen angehoppelt, machten wenige Schritte vor uns erschrocken Halt und flitzten davon. Vorbei am Marchenschloss Torsiac kurvten wir runter zum Fluss Allagnon. Ab und zu tropfte es etwas aus den Blumenkohlwolken, dazwischen stach die heisse Sonne nieder. Wir stiegen kontinuierlich an Richtung "Cezallier". Ardes war ein faszinierendes Stadtchen, der stattliche Kern mit grossen Hausern und verblassten Schriftzugen aus alter Zeit wirkte wie eine Filmkulisse. Die Zeit schien hier seit langem stehengeblieben zu sein. Wir erfuhren spater, dass diese Stadt wie andere auch wahrend des 2. Weltkrieges durch die gefallenen Soldaten stark entvolkert wurde und sich davon nie mehr erholte. Durch das Vallee de Rentieres stiegen wir weiter in die Hohe. Das Tal war eigentlich mehr eine Schlucht, oft hatte nur die schmale Strasse und der Fluss im Talgrund Platz. Wir fuhren durch dichte Walder und dem klaren, rauschenden Fluss entlang. Standig hielten wir nun Ausschau nach einem geeigneten Platzchen fur das Zelt, aber auf den wenigen Weiden war das Gras zu hoch, am Fluss war es zu sumpfig, im Wald nirgends flach. Immer wieder hielten wir an und kundschafteten zu Fuss mogliche Platze aus, aber ohne Erfolg. Es war zwar schon Abend, aber die Beine liefen rund und so stiegen wir immer weiter empor in der waldigen Schlucht. Weiter oben gewahrten uns Kurven einige schone Ausblicke - Walder soweit das Auge reichte, kein Dorf, kein Bauernhof, nur Baume. Wir waren wieder mal in der vollkommenen Abgeschiedenheit unterwegs und genossen es. Kurz vor St. Alyre-es-Montagne stand eine alte Frau vor einem Bauernhaus. Wir hielten an und plauderten ein wenig mit ihr. Ihre Mutter stammte aus Langnau i.E., die 79-jahrige rustige Frau wohnt ganz alleine mit ihrem Hund und ein paar Schafen hier. Sie fuhr nie Auto, der Backer bringt taglich frisches Brot und ihre Kinder versorgen sie einmal wochentlich mit Lebensmitteln. Unsere Hoffnung, das Zelt hier aufschlagen zu konnen, zerschlug sich wieder, waren doch auf der einzigen flachen Weide die Schafe am grasen. Obwohl es schon 19 Uhr war, strampelten wir zuversichtlich weiter bergan. Das waldige Tal, durch das wir nun zwei Stunden gekurbelt waren, ging plotzlich uber in eine offene, sehr "irisch" oder "schottisch" wirkende, karge Weidelandschaft, ein verbluffender Wechsel des Landschaftbildes. Der Bauer beim Dorfeingang verwies uns zu demjenigen am Dorfausgang, weil er uberall Tiere in den Weiden habe. Beim andern Bauernhof war nur der Grossvater zuhause. Er meinte, wahrscheinlich habe der Sohn schon nichts dagegen, wenn wir das Zelt kurz nach dem Dorf neben dem Stall aufstellen wurden. Dort erblickten wir oberhalb des Stalles eine romanische Kirche und ein altes Pfarrhaus. Just in dem Moment kamen von der Kirche her zwei rote Autos runter, wir hielten sie an und fragten, ob wir dort oben zelten durften. Es war schon 20 Uhr und wir sahen inzwischen mude und hungrig aus. Die weisshaarige Frau meinte, aber selbstverstandlich konnen wir das Zelt hinter dem Haus aufstellen und falls es regnet in der im Bau befindlichen Garage Schutz suchen. Sie fuhren davon und wir stiessen zufrieden das Tandem die steile Zufahrt hoch. Die alte Kirche stand majestatisch auf einem Hugel und bildete zusammen mit Pfarrhaus und Friedhof eine eigenstandige, vom Dorf ein Stuck entfernte Baugruppe. Einen schoneren und ruhigeren Zeltplatz hatten wir uns nicht ertraumen konnen. Bei einem Sonnenuntergang in allen Rosafarbtonen kochten wir das Nachtessen, unsere Blicke schweiften weit in die so eigenartige und uberwaltigende Umgebung. Als es eindunkelte, schwirrten Fledermause um den Kirchturm. Wir verbrachten eine Nacht, in der wir kein einziges Gerausch vernahmen.
Am Morgen lag eine dicke Nebelsuppe uber den Bergen. Der sowieso schon spezielle Ort wirkte dadurch noch mystischer. Als wir schon fast fertig zusammengepackt hatten, kam die Hauseigentumerin mit zwei jungen Mannern an. Sie lud uns gleich zu einem Kaffee in die Kuche ein, machte Feuer im Kamin und entschuldigte sich, dass sie gestern abend nicht daran gedacht hatte, uns den Schlussel zum Haus zu geben. Auch wenn sich dieses in Renovation befindet, hatten wir doch irgenwo im oberen Stock auf einem Fussboden schlafen konnen. Fur uns war das aber kein Problem, hatten wir doch einen perfekten Zeltplatz. Ob wir denn schon ein Programm hatten fur heute oder einen Ruhetag einlegen und nachste Nacht in einem Bett schlafen, duschen, Kleider waschen und mit ihnen essen mochten? Ueber soviel Gastfreundschaft waren wir ganz verblufft und nahmen das Angebot gerne an. Madame D. zeigte uns das Haus und erzahlte dessen Geschichte. Sie hatte das ehemalige Pfarrhaus vor sechs Jahren gekauft, es war vom vorherigen Eigentumer laienhaft renoviert und spater dem Zerfall uberlassen worden. Fur einen Spottpreis konnte sie das ruinose Gebaude erstehen und ist nun daran, dieses fachgerecht zu restaurieren und als Ferienhaus herzurichten. Dass die Frau ein erfahrener "Profi" ist, sah man gleich an den bisher erfolgten Arbeiten. Beispielsweise wurde das Eternitdach entfernt und durch ein althergebrachtes Schieferdach wie auf der Kirche nebenan ersetzt. Alle Renovationsarbeiten erfolgen mit viel Sinn fur Stil und Berucksichtigung denkmalpflegerischer Aspekte. Wie alle Jahre ist sie zur Zeit fur einige Wochen hier um mit Hilfe ihres Gartners und dessen Bruder weiterzuarbeiten. Da das Haus noch nicht bewohnbar ist, haben sie im Nachbardorf Jassy ein Ferienhaus gemietet, und da war eben noch ein Zimmer frei fur uns! Aber vorerst wollten wir noch nicht nach Jassy fahren, sondern diesen tollen Ort noch etwas geniessen. In der Kuche warmten wir uns am Kaminfeuer, assen mit dem "Bautrupp" Zmittag und machten einen Spaziergang uber die Hugel und Schafweiden hinter der Kirche. Die Landschaft war einfach phanomenal, diese karge Weite, die so ganz anders ist als das restliche Frankreich. Kirche und Pfarrhaus hatten auf uns eine ganz besondere Ausstrahlung, wie wenn dieser Platz ein mystischer "Kraftort" ware. Dass die Kirche soweit entfernt vom Ort und an einer untypischen, wetterausgesetzten Lage erstellt wurde, deutet darauf hin, dass dieser Ort vielleicht schon seit Urzeiten eine Kultstatte war. Am Nachmittag genossen wir in Jassy den Luxus eines geheizten Hauses und einer Dusche und wuschen alle unsere Kleider. Eine Erkundungstour fuhrte uns, vorbei an ganzen Weiden voller gelber Osterglocken, zu einem kleinen Bergsee. Anschliessend zog es uns nochmals zuruck nach St. Alyre-es-Montagnes. Wir wollten der Kirche und dem Pfarrhaus nochmals einen Besuch abstatten. In Jassy verbrachten wir alle zusammen einen sehr lustigen und unterhaltsamen Abend. Madame D. meinte, falls ihr Wohort in der Nahe von Chateaurox an unserer Route liegen wurde, waren wir herzlich willkommen und konnten dort ein paar Tage "Ferien" machen. Wir nahmen mal unsere Frankreichkarte hervor und sahen, dass das ganz in der anderen Richtung lag und wir dafur weit nach Westen Richtung Atlantik fahren mussten. Die aufgestellte und quirlige alte Dame hatte es uns aber angetan. Die Routentips, die sie uns fur den Weg zu ihr gegeben hatte, versprachen einen Abstecher durch einen wunderschonen Teil Frankreichs zu werden. So stand fur uns bald fest, dass unsere Route wieder mal einen Knick erhalt - wir fahren nach Westen! Zum Gluck haben wir hier in Europa keine fixe Route oder Flugtermine mehr, vielmehr konnen wir es unserer Reise uberlassen, wohin sie uns tragt! Dass wir gestern abend genau in diesen Sekunden dort standen, als die beiden Autos von der Kirche runterkamen kann ja wohl kein "Zufall" sein. Der Ausloser fur einen sehr intensiven Abschnitt unserer Reise, wir wurden in den folgenden Wochen nur so uberhauft mit Erlebnissen, Begegnungen und schonsten Seiten Frankreichs. Als Madame D. uns zum Abschied ihre Adresse "Chateau xy" notierte, war uns klar, weshalb sie einen Gartner angestellt hatte...wir waren gespannt, was uns etwa in einer Woche im Tal der Creuse erwarten wurde.

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Updated: Friday, 10 June 2005 3:46 PM BST
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Langogne ? Brioude: Dem Allier entlang durch die Auvergne
Der Stausee bei Langogne war keine Augenweide, durch die monatelange Trockenperiode war er fast leer. Trotz kuhlen 13 Grad fronten Surfer und Segler ihrem Hobby und nutzten den starken Sudostwind. Nach dem oden See gelangten wir zu einem sympathischen kleinen "Camping a la Ferme" wo wir gleich das Zelt aufschlugen. Die angekundigte Storung zog in der Nacht mit Sturm und viel Regen voruber, am Morgen war uns das Wetter wieder hold. Wir waren nun wieder auf Strasschen unterwegs, wo wir uns in den hintersten Ecken Frankreichs wahnten. Diese ruhigen, einsamen und noch sehr naturnahen Gebiete lieben wir, unsere bisherige Route durch Frankreich verlief fast ausschliesslich durch solche unbekannten Regionen. Im hubschen Weiler Fabreges war das Schloss mit dem alten Schieferdach und der weitlaufigen Mauer um das Anwesen ein faszinierender Anblick. Durch liebliche Flusstaler rollten wir runter nach Le Nouveau Monde, wo wir den Allier uberquerten und anschliessend steil nach St. Haon auf die Hochebene emporstiegen. Der Blick zuruck auf Le Nouveau Monde war wie auf eine Modellbahn - mit Bahnhof, Dorf, drei Bahnviadukten, Tunnel, Burgruine und Felszacken. Wir hatten nicht gedacht, dass St. Haon auf 1000m liegt und mussten die 300 Hohenmeter in 20 Minuten meistern, da wir befurchteten, die Backerei schliesse um 12 Uhr, wir hatten heute noch kein Brot gefunden. Genau mit dem Glockenschlag erreichten wir ausser Atem die Boulangerie und kauften gleich einen Brotvorrat, um die bervorstehenden Pfingsten zu uberleben. Wir genossen die wunderschone Strecke nach Alleyras, Landschaftsgenuss pur! Fur die Auvergne ist Vulkangestein typisch. So waren die Hauser nun plotzlich ganz anders, aus dunklen, vulkanischen Quadern erbaut, was uns sehr gut gefiel. Auf dem Campingplatz in Le Pont d'Alleyras bekamen wir von einem Fischer eine ganze Bratpfanne voll Fisch geschenkt, die er ubrig hatte!
Die Etappe von Le Port d'Alleyras nach Lavoute-Chilhac war ein traumhafter Auvergne-Tag. Nachdem sich der Morgennebel verzogen hatte, lachte die Sonne vom blauen Himmel. Wir verliessen den ruhigen Ort mit den verblichenen "Hotel"-Schriftzugen auf schonen Gebauden und folgten in stetem Auf und Ab der Allier-Schlucht. In St. Privat d'Allier gefielen uns die vielen speziellen Hauser, die Kirche hatte eine sehenswerte romanische Apsis. In Frankreich sind solche kulturellen Sehenswurdigkeiten sehr gut ausgeschildert und, im Gegensatz zu Spanien, nicht von Vandalen zerstort. Trotz Pfingsten waren Backerei und Metzgerei geoffnet, wir deckten uns mit Leckereien ein. Das folgende Panoramastrasschen nach Vergues war ebenfalls Radelgenuss pur durch geniale Landschaft. Schone Bauernhofe aus dunklem Gestein, Blumenwiesen, tief unten der Allier und die Viadukte der Eisenbahn und kaum ein Auto weit und breit. Die Abfahrt nach Prades brachte uns an den Fuss von spektakularen Felswanden aus Basaltsaulen. Die Lavamassen erstarrten einst zu "Orgelpfeifen", schon geordnet oder wild durcheinander. Auf dem Camping Municipal in Lavoute-Chilhac, das mit der grossen Klosteranlage auf einer Halbinsel und stattlichen Hausern ein ganz spezielles Ortsbild hatte, ubernachteten auch zahlreiche Pfingsturlauber, die den Allier per Kanu runterpaddelten. Wir folgten dem Fluss anderntags noch bis nach Brioude, wo wir Grosseinkauf im Supermarkt machten, bevor wir uns in die Einsamkeit des "Cezalliers" begaben.

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Updated: Friday, 10 June 2005 3:35 PM BST
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Florac ? Langogne: Auf einsamen Strassen durch die wilden Cevennen
Die bestellten Ersatzreifen waren noch nicht auf der Post eingetroffen. Da wir sowieso zwei Ruhetage benotigten, hofften wir, dass sie noch ankommen werden. Auf dem Campingplatz lernten wir ein Ehepaar aus La-Chaux-de-Fonds kennen, die mit einem ehemaligen Post-VW-Bus unterwegs waren. Sie haben das gelbe Fahrzeug liebevoll zu einem einfachen, sehr personlichen Campervan umgebaut. Eine Familie mit funf kleinen Kindern und zwei vollbepackten Eseln bot ein schones Bild, als sie auf dem Campingplatz ankamen. Sie durchqueren Frankreich von den Pyrenaen zum Jura zu Fuss in sechs Monaten!
Als die Reifen auch nach zwei Tagen noch nicht angekommen waren, beschlossen wir dennoch weiterzufahren und sie uns nachschicken zu lassen. Wie sich dann viel spater herausstellte, waren sie irrtumlicherweise an unsere letzte Lieferadresse in Neuseeland geschickt worden. Gut erholt und ganz nach dem Mottto eines einheimischen Radfahrers "le mieux est devant" starteten wir Richtung Col de la Croix de Berthel. Auch der oberste Abschnitt des Tarn war sehr schon, nicht mehr so schroff und uberlaufen wie die eigentliche Tarnschlucht, dafur einsam und grun. Der Ginster bluhte, das Schloss Mirot thronte auf einem Felsen und unsere Beine kurbelten wie von selbst. Nach der Passhohe hatten wir auf der Panoramastrasse prachtige Ausblicke in die weiten, bewaldeten Hugelzuge der Cevennen. Die Hauser im ehemaligen L'Espinas waren nur noch Ruinen. Eine Infotafel berichtete uber das fruhere Leben und das Projekt des Nationalparks der Cevennen, dem Weiler wieder neues Leben einzuhauchen. Wir entschieden uns nun, die Kammstrasse zu verlassen und das kleine Bergstrasschen runter nach Vialas zu nehmen, ein Volltreffer, wie sich gleich herausstellte. Schon die Strasse als solche war herrlich, wie sie sich in das abgelegene Bergtal runterschlangelte, immer wieder Blicke auf entlegene Weiler und Vialas auf der anderen Talseite freigebend.
Als wir zwei Manner mit Schaufel und Pickel an der Arbeit sahen, gingen wir neugierig fragen, was sie da machen. Sie waren daran, eine eingesturzte Quellwasserfassung einer Muhle wieder instand zu stellen und forderten Schubkarren voll Schlamm weg. Die alte Muhlenanlage wird im Auftrag des Nationalparks der Cevennen restauriert. Die Manner erzahlten uns viel uber die Geschichte und forderten uns auf zu einem Rundgang durch die Anlage - ein wahres Bijou! Drei Muhlen nutzten das kostbare Wasser. Die oberste Muhle besitzt eine sehr komplizierte Mechanik, vollig untypisch fur die einfachen Muhlen auf dem Lande. Offenbar wurde diese Technik bei der nahen Mine abgeschaut. Die zweite Muhle weiter unterhalb und die dritte im Tal unten harren noch der Restaurierung. Die Muhlen waren eigentlich an einem seltsamen Ort angelegt worden, kein Bach weit und breit. Muhlen am Bach unten wurden haufig durch Hochwasser zerstort, hier bestand diese Gefahr nicht. Als Wasserzufuhr dienten drei unterirdische Quellfassungen mit gemauertem Gewolbe und kleinem Wasserreservoir und, als hauptsachlicher Wasserlieferant, ein kleiner Stausee. In diesem wurde das Regenwasser der intensiven Herbstniederschlage gesammelt. Das ausgeklugelte System reichte offenbar, die Anlage ganzjahrig betreiben zu konnen. Auch die Umgebung der Muhlen mit Trockensteinmauern, alte Terrassen und knorrigen Kastanienbaumen faszinierte uns, ein schoner Flecken!
Das Stichwort "Mine" liess Richard's Ohren wachsen. Die Manner erzahlten, dass Vialas wegen des Bergwerks einst der zweitgrosste Ort im Bezirk Lozere war. Nachdem der Betrieb stillgelegt wurde, kaufte ein Belgier die Anlage und beutete die Gebaude als Steinbruch aus. Leider, denn die Anlage war die Schonste weit und breit und ware heute eine Sehenswurdigkeit. Auf unserer weiteren Abfahrt Richtung Vialas hielten wir Ausschau nach Mauerresten im Wald. Plotzlich wimmelte es nur so von Mauern, alten Wegen, Schutthalden und ganzen Hausfassaden zwischen den Baumen. Wir stellten das Tandem ab, begaben uns auf eine kleine Entdeckungstour und kamen aus dem Staunen nicht mehr heraus. Eine gigantische Anlage verbarg sich da zwischen den Baumen wie eine riesige Burgruine. Mehrere Stockwerke hohe Wande mit Fensteroffnungen, Pfeilern, Schachten, Mauerbogen, Turmen - ein Gewirr an Gebauderuinen soweit das Auge reichte. Der Bach floss unterirdisch durch die Anlage hindurch, das Gewolbe war aber stellenweise eingebrochen. Wir hatten noch lange rumstreunen konnen, aber es war schon Abend und wir mussten noch einen Platz zum Schlafen finden. In Vialas war der "Camping Municipal" zwar noch geschlossen, das Zelt konnten wir dennoch (gratis) aufstellen. Das Wasser zum Kochen, Abwaschen und Trinken nahmen wir einfach mit dem Wassersack vom Dorfbrunnen mit. Nach dem Nachtessen erhielten wir Besuch von zwei Wildschweinen. Die schwarzen Borstentiere trampelten friedlich vobei. Als sie uns entdeckten, streckten sie die Schwanze in die Hohe und rannten im Zickzack davon. Nicht weit entfernt duckten sie sich hinter Busche und kamen wieder angetippelt, als wir im Zelt verschwunden waren.
Mit einem leckeren Mandelgipfel aus der Dorfbackerei verliessen wir Vialas und rollten bei einsetzendem Regen uber Genolhac nach Villefort. Im Stadtchen picknickten wir schlotternd unter einer Laube, zwei frierende deutsche Tofffahrer gesellten sich zu uns. Nach Villefort anderte die Szenerie schlagartig. Nicht mehr Walder und Wiesen sondern eine karge, felsige Landschaft mit tiefen Schluchten hinunter Richtung Rhonetal. Wir uberquerten eine Staumauer, stiegen am Rande einer Schlucht wieder kraftig in die Hohe und erreichten ein fruchtbares Hochplateau. Weisse Narzissen bluhten in den Wiesen soweit das Auge reichte. Im mittelalterlichen Mini-Stadtchen La Garde-Guerin erklommen wir die abenteuerliche Treppe auf den Turm der Burg von wo aus wir eine tolle Aussicht auf die romanische Kapelle, die Stadtmauer und die alten Hauser hatten. Mude ereichten wir nach einem langen Tag La Bastide, wo wir auf dem vorzuglich gefuhrten Campingplatz das Zelt aufstellten. Bei einer heissen Schokolade plauderten wir mit dem initiativen und sympathischen Campingplatzeigentumer im kleinen Restaurant. Er war Bauer in der Nahe von Paris und gab den Betrieb kurzlich auf. Mit diesem Campingplatz will er einige Jahre lang Geld verdienen und danach mit seiner Frau in einem Wohnmobil auf Weltreise gehen. Er hat die sauberste Sanitaranlage, die wir je auf einem Campingplatz gesehen hatten und konnte auch unsere seit langerem rumgetragene Frage beantworten, warum in Frankreich uberall auf den WC's die Klobrillen entfernt wurden. Per Gesetz seien diese nun verboten, da sich darunter Krankheitskeime ansammeln konnen...so mussen wir wie Skifahrer in der Hocke unser Geschaft erledigen. Dass wir bei Bauern meist mit offenen Armen empfangen werden, wenn wir um einen Platz fur das Zelt bitten, fuhrt er darauf zuruck, dass wir Schweizer seien. Als Franzosen hatten wir keine Chance und als Englander oder Hollander waren wir wenig beliebt. So erfuhren wir viel uber Eigenheiten und Sonderbarkeiten des Landes und kamen erst spat zum Schlafen.
In La Bastide mussten wir uns entscheiden, ob wir weiter durch die Ardeche fahren oder eher Richtung Nordwesten weiter in die Auvergne halten sollten. Aufgrund der Routenvorschlage des Campingbetreibers und einer deutschen Radfahrerin entschieden wir uns fur die Richtungsanderung in die Auvergne. Dem Fluss Allier entlang, vorbei an zahlreichen Bahnviadukten und Meeren von Lowenzahn erreichten wir Langogne.

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Updated: Friday, 10 June 2005 3:28 PM BST
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Friday, 3 June 2005
La Salvetat-sur-Agout - Florac: Schlosser der Aveyron, Schluchten in den Cevennen
Der Zeltplatz bei den netten Bauern war schlicht perfekt gewesen, auch wenn der Kater am Zelt markierte, was entsprechend stank. Wir rollten hinab ins Stadtchen La Salvetat-sur-Agout und besorgten wie jeden Morgen frische, knusprige Baguettes. Frisches Brot scheint in Frankreich ein Menschenrecht zu sein, kein Feiertag im Jahr ohne dass mindestens eine Backerei im Dorf frisches Baguette und Pain au Chocolat anbietet. Am Stausee Lac Laouzas wirkten die Ferienhauskolonien ebenso als Fremdkorper wie der See selbst. Bald rollten wir wieder durch die liebliche und freundliche Hugellandschaft der Aveyron. Gleissendes Sonnenlicht und Wolken wechselten sich mit starkem Westwind in schneller Folge ab, Lowenzahn leuchtete uberall und die halbgrunen Buchenwalder waren eine Augenweide. Vom Col de Coustel bremsten wir lange talwarts, bis wir im reizvollen Stadtchen Brusque als erste Gaste der Saison auf dem “Camping Municipal” das Zelt aufschlugen. In Spanien waren die meisten Zeltplatze ab Ostern geoffnet, hier in Frankreich viele erst ab Juni. Wir konnen dies nicht ganz nachvollziehen, wimmelt es doch von Campervans auf den Strassen.
Das pittoreske Schloss Fayet bewog uns zu einem Abstecher. Eine junge Frau fuhrte uns durch die immer noch bewohnte Schlossanlage. Aus einer mittlealterlichen Kapelle entstand eine Burganlage und in der Renaissance ein Lustschloss. Der grosse baumbestandene Park schirmte das Anwesen vor neugierigen Blicken ab, wenn Feste und Parties der Adligen stiegen. Lange Zeit stand das Schloss leer, Obdachlose wohnten darin, bis die heutigen Eigentumer vor 10 Jahren dem Schloss zu einer neuen Bluten verhalfen. Weil es so kalt war und wir die einzigen Besucher waren, lud uns die Fuhrerin in ihre Wohnung im Nebenhaus des Schlosses zu einem Tee ein. Sie hilft mit bei der laufenden Renovierung des Schlosses, dem Aufbau des Museumsteils, fuhrt Besucher durch die Anlage, stellt Konzepte fur Schulklassen und Pfadilager auf die Beine und hat damit einen tollen Job gefunden. Wir plauderten lange in der warmen Kuche und verliessen nach vier Stunden die charmante Schlossanlage mit der lebendigen Geschichte.
Wir fuhren zwei weitere Tage durch fantastische landliche Gegenden, vorbei an Schlossern und dem mittelalterlichen Schmuckkastchen La Couvertoirade. Bei Nant gelangten wir in die Schlucht des Dourbie, die Cevennen standen vor der Tur. Grosse Kalk-Hochflachen sind hier von tief eingeschnittenen Flusstalern und Schluchten durchzogen. Wir starkten uns mit frischem Brot, schmackhaftem Ziegenkase und Saucisson und wuschen am Dorfplatz das Geschirr der letzten Zeltnacht im Grunen. In St. Jean entschieden wir uns fur das weniger direkte, schmale Bergstrasschen nach Dourbies, das durch die Dourbie-Schlucht fuhrte. Schnell stiegen wir in die Hohe, danach fuhrte das Strasschen hoch uber der Schlucht in jedes Seitental und wieder zuruck. Wir passierten abgelegenste Dorfer und Weiler, in denen nur noch wenige Menschen wohnen. Auch am nachsten Tag folgten wir dem Dourbie weiter bergauf. Das felsige, hellgraue Flussbett schimmerte zwischen den hellgrunen Buchen. Durch karge Weiden, vorbei an Tannenwaldern und Alpgebauden erreichten wir den Col de Faubel (1285m). Durch die grandiose Landschaft des Nationalparks der Cevennen fuhren wir runter nach Meyrueis. Richard besichtigte unterwegs die Abime de Bramabiau, eine unterirdische Schlucht, die sich der Fluss Bonheur ins Kalkgestein gefressen hatte.
Die Kronung des Tages bildete die Fahrt durch die 21 km lange Gorge de la Jonte nach Le Rozier. Wir fuhren staunend durch die imposante Kulisse von Kalkturmen, Felsnadeln und schroffen Wanden. Wir hatten die Strasse an diesem langen Abend fast fur uns allein. Vom standig Kopfe in die Hohe recken hatten wir schon steife Nacken, immer wieder hielten wir an um die Anblicke zu geniessen. Auf dem Campingplatz in Le Rozier stellten uns unsere Nachbarn, ein Ehepaar aus Killwangen, einen Campingtisch und zwei Stuhle hin, als wir wie ublich im Gras sitzend unser Nachtessen zubereiteten. Dankend nahmen wir das Angebot an, kamen uns an dem grossen Tisch fast etwas verloren vor. Sie luden uns zu einem Tee ein, wir plauderten noch bis spat in den Abend hinein.
Am anderen Morgen riefen sie uns an die Warme, wir durften unser Muesli im geheizten Wohnbus einnehmen.
Fur die Fahrt durch die 65 km lange Tarnschlucht hatten wir einen Bilderbuchtag. Wir kamen nur langsam voran, standig hielten wir an zum Fotografieren und zum Staunen. Ueberhangende Felswande, bizarre Kalkturme und huebsche Dorfer, die hoch oben in den Felsen klebten oder nur per Seilbahnchen erreichbar unten am Fluss lagen. Wir beobachteten fasziniert die Kletterer, die uberall wie farbige Spinnen in den Felsen hingen. Kanus glitten den Tarn runter, der Verkehr hielt sich trotz Sonntag nach Auffahrt in Grenzen. Viele Gruppen von deutschen und schweizer Motorradfahrern waren unterwegs und winkten uns zu, Wohnmobile zirkelten durch die Tunnels und engen Stellen der schmalen Strasse. Ein junges deutsch-schweizer Paar schenkte uns ihr letztes Reiheli Lindt-Schokolade. Die Schlucht wollte kein Ende nehmen, immer noch mehr grandiose Ausblicke. Mude und zufrieden erreichten wir nach diesem ausgefullten Tag am 8. Mai 2005 Florac. Da wir in den Pyrenaen beide Reifen ersetzen mussten und nun ohne Reservereifen unterwegs waren, liessen wir uns zwei neue von der deutschen Firma Schwalbe zusenden, die wir hoffentlich am nachsten Morgen auf der Post abholen konnen.

Posted by tandem-adventure at 10:23 AM BST
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Carcassonne - La Salvetat sur Agout: Nachtlicher Wildbesuch und Pain d?Epice
Eigentlich wollten wir einen zweiten Tag in Carcassonne bleiben, um endlich wieder mal ausgiebig mailen und die Berichte auf unsere Seite stellen zu konnen. Trotz der Grosse der Stadt fanden wir nur ein einziges Internetcafe, das erste in Frankreich uberhaupt. Dieses war aber so uberrissen teuer, dass wir uns zur Weiterfahrt entschieden. In Ecuador fanden wir in jeder Ortschaft ein Internetcafe, aber hier in Frankreich ist dieses Medium kaum offentlich vorhanden, da waren ja die sparlichen Moglichkeiten in Spanien gerade noch ausgezeichnet!
Heute war der Gegenwind nicht mehr so zermurbend, weil die Fahrt durch die Rebberge mit stattlichen Schlossern sehr abwechlungsreich war und wir uns den Montagne Noire naherten, wo wir uns in den Nord-Sud-Talern Schutz vor dem Wind erhofften. Das Weinbauerndorf Caunes-Minervois mit der romanischen Benediktinerabtei und den massiven Hausern gefiel uns mit seinem Charme. Im Garten eines Hauses durften wir Bergwasser aus einer eigenen Quelle tanken und machten uns auf in die Gorge de l‘Argent-Double. Trotz zeitweiligem Regen genossen wir die Fahrt bergauf. Wir hatten die schone, kurvige Strasse fur uns, passierten vertraumte Bergdorfer und freuten uns am Anblick der bluhenden Obstgarten, welche immer wieder im schmalen Tal neben dem Fluss Platz fanden. Grazile romanische Steinbogenbrucken schwangen sich uber den Fluss, in der Mitte nur gerade von der Dicke des tragenden Bogens. Hier wirkte es nicht mehr so „alpin“ wie in den Pyrenaen, mehr mediterran. Eigentlich hatten wir schon langst das Zelt aufstellen mussen, aber nach dem Ruhetag liefen die Beine so locker und rund, dass wir erst kurz vor dem Eindunkeln auf der Passhohe des Col de Salette (913m) mitten in der Natur das Zelt hinter einer Hecke aufstellten. In der Nacht schlich ein in hohen Tonen bellendes Tier ums Zelt, wir horten seinen Atem ganz nah, getrauten uns aber nicht rauszuschauen. Ob es ein Wildschwein oder ein Reh war? Am Morgen erwachten wir fruh, weil ein Auto wenige Meter von uns weg parkierte. Es war aber nur der Forstdienst, der sich weiter nicht um uns kummerte.
Der sturmische Wind der letzten drei Tage, der noch die ganze Nacht am Zelt geruttelt hatte, war plotzlich weg. Die Walder ringsum waren in dicke Nebelschwaden gehullt. Bei leichtem Nieseln kochten wir Porridge und waren entzuckt uber die zauberhafte Stimmung hier oben. Wir rollten durch eine juraahnliche Landschaft talwarts. Bei einem Aussichtspunkt hatte man bis zum Mittelmeer sehen konnen, die Mischung aus Wolkenfetzen und Morgensonne war aber auch beeindruckend. Ueber den Col de Serieres gelangten wir auf den Nebenstrasschen in ein abgelegenes Tal mit hubschen Weilern. In Courniou stiessen wir auf die stark von Lastwagen befahrene Hauptstrasse, welch ein Graus nach diesen ruhigen Bergstrasschen.
Von St. Pons de Thomieres, wo wir uns vor Auffahrt mit ausreichend Lebensmitteln eindeckten, folgte ein langer und heisser Aufstieg am Col de Cabaretou (941m). Die Aussichten in die weite Berglandschaft waren prachtig. Weniger erfreulich waren die Auto- und Lastwagenfahrer, die riskante Ueberholmanover auf der unubersichtlichen Stasse unternahmen. Im Gegensatz zu den sehr vernunftig fahrenden Spaniern, welche immer und uberall zuvorkommend und nie gestresst waren, sind die Verhaltnisse auf Frankreichs Strassen nicht uberall so paradiesisch. Kein Vergleich zwar zu den rucksichtslos fahrenden Neuseelandern, aber sobald es viel Verkehr hat, werden die Franzosen ungeduldig. Auf den ruhigen Nebenstrasschen, auf denen wir uns fast ausschliesslich bewegen und von denen es hier nur so wimmelt, sind die Autofahrer aber freundlich und rucksichtsvoll und der Radfahrer Konig.
Ein Schild auf dem Col de la Baraque „Miel, Nougat, Pain d’epice“ verleitete uns zu einem Abstecher auf einen Bauernhof. Nach dem Kauf der Leckereien bot uns der Bauer an, hinter dem Haus das Zelt aufzuschlagen. Neben dem kristallklaren Weiher stellten wir unsere Villa in das weiche, trockene Buchenlaub. An der Abendsonne kochten wir Spaghetti, brutzelten Koteletts uns schlemmten Nougat zum Dessert - vive la France!

Posted by tandem-adventure at 10:21 AM BST
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St. Girons - Carcassonne: Ariege, Canal du Midi und Wehrturme
Mit St. Girons hatten wir zwar die Pyrenaen, in denen es uns so gut gefallen hatte, hinter uns gelassen. Die nun folgende liebliche Hugellandschaft der Ariege war aber ebenfalls ein Hochgenuss. Wir gondelten auf ruhigen Nebenstrasschen Flusschen entlang und uber einsame Hugelzuge. Weisse Blutenblatter wirbelten durch die Luft, der Kuckuck sang in den Hecken. Wir fragten abends Bauern fur ein Platzchen zum Zelten und durften an schonsten Lagen schlafen. Auf einem Hof zuchteten sie Mohair-Schafe und verkauften die Erzeugnisse aus der weichen Wolle in einer Boutique. Die Bauerin fuhrte uns durch den Stall, die Lammer waren gar nicht scheu und wir konnten ihr seidenweiches Fell streicheln.
Bei Le Mas d’Azil hatte der Fluss Arize eine grosse Hohle durch den Bergrucken gefressen, die Strasse fuhrte ebenfalls durch diesen naturlichen Tunnel, hoch wie eine Kathedrale. Ein Radfahrer wusste zu erzahlen, dass sein Vater dort drin wahrend des 2. Weltkrieges gearbeitet hatte, als die Produktion der Kampfflugzeuge von Toulouse hierhin in den Berg verlagert wurde.
Bei einem Bauernhof mit dem Schild „Fromage“ kauften wir Kase, zu unserer Ueberraschung waren die Bauern Schweizer, welche vor 16 Jahren ausgewandert waren. So kamen wir in den Genuss von „Schweizer“ Kase. In Gordouch trafen wir auf den Canal du Midi. Der Kanal wurde 1670 eroffnet und verbindet mit Hilfe von Schleusenanlagen das Mittelmeer mit dem Atlantik. Die ganze Anlage gilt als Unesco-Weltkunstwerk und wird heute rege von Hausbooten benutzt. Wir wussten, dass zwischen Toulouse und Carcassonne ein Radweg dem Kanal entlang fuhrt, aber nicht, dass dies nur fur ein 70 km langes Teilstuck gilt und davon Richtung Carcassonne nur noch 12 km auf uns warteten. Die alten Treidelwege entlang des Kanals, auf denen fruher Pferde die Schiffe zogen, konnen zwar auch auf den anderen Abschnitten befahren werden, waren aber fur uns zu holperig. Der lange Abschnitt dem Kanal entlang war fantastisch. Die eleganten 325-jahrigen Schleusen mit ihrer charakteristischen ovalen Form waren eine Augenweide, ebenso die alten Hauser und Warterhauschen. Im glatten Wasser des Kanals spiegelten sich die Baumreihen der Alleen, wir genossen die Ruhe und Besinnlichkeit. Als wir den durch die Baume recht geschutzten Kanal wieder verlassen mussten, waren wir wieder voll dem sturmischen Ostwind ausgesetzt. Ein einheimischer Radfahrer erklarte uns, dass es in dieser Gegend an 300 Tagen im Jahr winde. Auf der schmalen und stark befahrenen Hauptstrasse war das Fahren gegen diese unsichtbare Wand besonders frustrierend. Nach Stunden erreichten wir abgekampft Carcassonne, wo der Campingplatz wenigstens windgeschutzt war. Der Blick auf die mittelalterliche Festungsstadt in der Abendsonne war beeindruckend. Anderntags besichtigten wir die auf einem Hugel thronende Altstadt. Ein doppelter Mauergurtel und zahlreiche Turme mit spitzen Schieferdachern schutzten die Bewohner. Heute gleicht die Stadt eher einem Disneyland. Am fruhen Morgen oder spaten Abend durch die Gassen zu schlendern war toll, tagsuber verjagten uns aber die Touristenmassen.

Posted by tandem-adventure at 10:19 AM BST
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