Per Tandem unterwegs in Sudamerika, Neuseeland und Europa!
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Friday, 10 June 2005
Florac ? Langogne: Auf einsamen Strassen durch die wilden Cevennen
Die bestellten Ersatzreifen waren noch nicht auf der Post eingetroffen. Da wir sowieso zwei Ruhetage benotigten, hofften wir, dass sie noch ankommen werden. Auf dem Campingplatz lernten wir ein Ehepaar aus La-Chaux-de-Fonds kennen, die mit einem ehemaligen Post-VW-Bus unterwegs waren. Sie haben das gelbe Fahrzeug liebevoll zu einem einfachen, sehr personlichen Campervan umgebaut. Eine Familie mit funf kleinen Kindern und zwei vollbepackten Eseln bot ein schones Bild, als sie auf dem Campingplatz ankamen. Sie durchqueren Frankreich von den Pyrenaen zum Jura zu Fuss in sechs Monaten!
Als die Reifen auch nach zwei Tagen noch nicht angekommen waren, beschlossen wir dennoch weiterzufahren und sie uns nachschicken zu lassen. Wie sich dann viel spater herausstellte, waren sie irrtumlicherweise an unsere letzte Lieferadresse in Neuseeland geschickt worden. Gut erholt und ganz nach dem Mottto eines einheimischen Radfahrers "le mieux est devant" starteten wir Richtung Col de la Croix de Berthel. Auch der oberste Abschnitt des Tarn war sehr schon, nicht mehr so schroff und uberlaufen wie die eigentliche Tarnschlucht, dafur einsam und grun. Der Ginster bluhte, das Schloss Mirot thronte auf einem Felsen und unsere Beine kurbelten wie von selbst. Nach der Passhohe hatten wir auf der Panoramastrasse prachtige Ausblicke in die weiten, bewaldeten Hugelzuge der Cevennen. Die Hauser im ehemaligen L'Espinas waren nur noch Ruinen. Eine Infotafel berichtete uber das fruhere Leben und das Projekt des Nationalparks der Cevennen, dem Weiler wieder neues Leben einzuhauchen. Wir entschieden uns nun, die Kammstrasse zu verlassen und das kleine Bergstrasschen runter nach Vialas zu nehmen, ein Volltreffer, wie sich gleich herausstellte. Schon die Strasse als solche war herrlich, wie sie sich in das abgelegene Bergtal runterschlangelte, immer wieder Blicke auf entlegene Weiler und Vialas auf der anderen Talseite freigebend.
Als wir zwei Manner mit Schaufel und Pickel an der Arbeit sahen, gingen wir neugierig fragen, was sie da machen. Sie waren daran, eine eingesturzte Quellwasserfassung einer Muhle wieder instand zu stellen und forderten Schubkarren voll Schlamm weg. Die alte Muhlenanlage wird im Auftrag des Nationalparks der Cevennen restauriert. Die Manner erzahlten uns viel uber die Geschichte und forderten uns auf zu einem Rundgang durch die Anlage - ein wahres Bijou! Drei Muhlen nutzten das kostbare Wasser. Die oberste Muhle besitzt eine sehr komplizierte Mechanik, vollig untypisch fur die einfachen Muhlen auf dem Lande. Offenbar wurde diese Technik bei der nahen Mine abgeschaut. Die zweite Muhle weiter unterhalb und die dritte im Tal unten harren noch der Restaurierung. Die Muhlen waren eigentlich an einem seltsamen Ort angelegt worden, kein Bach weit und breit. Muhlen am Bach unten wurden haufig durch Hochwasser zerstort, hier bestand diese Gefahr nicht. Als Wasserzufuhr dienten drei unterirdische Quellfassungen mit gemauertem Gewolbe und kleinem Wasserreservoir und, als hauptsachlicher Wasserlieferant, ein kleiner Stausee. In diesem wurde das Regenwasser der intensiven Herbstniederschlage gesammelt. Das ausgeklugelte System reichte offenbar, die Anlage ganzjahrig betreiben zu konnen. Auch die Umgebung der Muhlen mit Trockensteinmauern, alte Terrassen und knorrigen Kastanienbaumen faszinierte uns, ein schoner Flecken!
Das Stichwort "Mine" liess Richard's Ohren wachsen. Die Manner erzahlten, dass Vialas wegen des Bergwerks einst der zweitgrosste Ort im Bezirk Lozere war. Nachdem der Betrieb stillgelegt wurde, kaufte ein Belgier die Anlage und beutete die Gebaude als Steinbruch aus. Leider, denn die Anlage war die Schonste weit und breit und ware heute eine Sehenswurdigkeit. Auf unserer weiteren Abfahrt Richtung Vialas hielten wir Ausschau nach Mauerresten im Wald. Plotzlich wimmelte es nur so von Mauern, alten Wegen, Schutthalden und ganzen Hausfassaden zwischen den Baumen. Wir stellten das Tandem ab, begaben uns auf eine kleine Entdeckungstour und kamen aus dem Staunen nicht mehr heraus. Eine gigantische Anlage verbarg sich da zwischen den Baumen wie eine riesige Burgruine. Mehrere Stockwerke hohe Wande mit Fensteroffnungen, Pfeilern, Schachten, Mauerbogen, Turmen - ein Gewirr an Gebauderuinen soweit das Auge reichte. Der Bach floss unterirdisch durch die Anlage hindurch, das Gewolbe war aber stellenweise eingebrochen. Wir hatten noch lange rumstreunen konnen, aber es war schon Abend und wir mussten noch einen Platz zum Schlafen finden. In Vialas war der "Camping Municipal" zwar noch geschlossen, das Zelt konnten wir dennoch (gratis) aufstellen. Das Wasser zum Kochen, Abwaschen und Trinken nahmen wir einfach mit dem Wassersack vom Dorfbrunnen mit. Nach dem Nachtessen erhielten wir Besuch von zwei Wildschweinen. Die schwarzen Borstentiere trampelten friedlich vobei. Als sie uns entdeckten, streckten sie die Schwanze in die Hohe und rannten im Zickzack davon. Nicht weit entfernt duckten sie sich hinter Busche und kamen wieder angetippelt, als wir im Zelt verschwunden waren.
Mit einem leckeren Mandelgipfel aus der Dorfbackerei verliessen wir Vialas und rollten bei einsetzendem Regen uber Genolhac nach Villefort. Im Stadtchen picknickten wir schlotternd unter einer Laube, zwei frierende deutsche Tofffahrer gesellten sich zu uns. Nach Villefort anderte die Szenerie schlagartig. Nicht mehr Walder und Wiesen sondern eine karge, felsige Landschaft mit tiefen Schluchten hinunter Richtung Rhonetal. Wir uberquerten eine Staumauer, stiegen am Rande einer Schlucht wieder kraftig in die Hohe und erreichten ein fruchtbares Hochplateau. Weisse Narzissen bluhten in den Wiesen soweit das Auge reichte. Im mittelalterlichen Mini-Stadtchen La Garde-Guerin erklommen wir die abenteuerliche Treppe auf den Turm der Burg von wo aus wir eine tolle Aussicht auf die romanische Kapelle, die Stadtmauer und die alten Hauser hatten. Mude ereichten wir nach einem langen Tag La Bastide, wo wir auf dem vorzuglich gefuhrten Campingplatz das Zelt aufstellten. Bei einer heissen Schokolade plauderten wir mit dem initiativen und sympathischen Campingplatzeigentumer im kleinen Restaurant. Er war Bauer in der Nahe von Paris und gab den Betrieb kurzlich auf. Mit diesem Campingplatz will er einige Jahre lang Geld verdienen und danach mit seiner Frau in einem Wohnmobil auf Weltreise gehen. Er hat die sauberste Sanitaranlage, die wir je auf einem Campingplatz gesehen hatten und konnte auch unsere seit langerem rumgetragene Frage beantworten, warum in Frankreich uberall auf den WC's die Klobrillen entfernt wurden. Per Gesetz seien diese nun verboten, da sich darunter Krankheitskeime ansammeln konnen...so mussen wir wie Skifahrer in der Hocke unser Geschaft erledigen. Dass wir bei Bauern meist mit offenen Armen empfangen werden, wenn wir um einen Platz fur das Zelt bitten, fuhrt er darauf zuruck, dass wir Schweizer seien. Als Franzosen hatten wir keine Chance und als Englander oder Hollander waren wir wenig beliebt. So erfuhren wir viel uber Eigenheiten und Sonderbarkeiten des Landes und kamen erst spat zum Schlafen.
In La Bastide mussten wir uns entscheiden, ob wir weiter durch die Ardeche fahren oder eher Richtung Nordwesten weiter in die Auvergne halten sollten. Aufgrund der Routenvorschlage des Campingbetreibers und einer deutschen Radfahrerin entschieden wir uns fur die Richtungsanderung in die Auvergne. Dem Fluss Allier entlang, vorbei an zahlreichen Bahnviadukten und Meeren von Lowenzahn erreichten wir Langogne.

Posted by tandem-adventure at 3:18 PM BST
Updated: Friday, 10 June 2005 3:28 PM BST
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