Per Tandem unterwegs in Sudamerika, Neuseeland und Europa!
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Tuesday, 21 June 2005
Am Ufer der Creuse - Verneuil sur Igneraie: Noch mehr Schlosser auf dem Weg ins Burgund
Wir schlugen nun wieder Fahrtrichtung Osten ein, sudlich vorbei an Chateauroux wollten wir der Creuse entlang Richtung Burgund pedalen. Wiederum kamen wir an unzahligen Schlossern und prunkvollen Herrenhausern vorbei. Ein Rennvelofahrer, der sich auf der allsonntaglichen Morgenausfahrt befand, fuhr eine Weile plaudernd neben uns her. Nachdem er sich verabschiedet hatte und davon zog, meinten wir, seine Frau warte jetzt bestimmt mit dem Mittagessen, er hatte uns doch einladen konnen. Im nachsten Dorf stand er wartend an der Kreuzung. Ob wir denn Hunger hatten? Heute sei Muttertag und ob zu Hause funf oder sieben am Tisch sitzen spiele keine Rolle! Ein wenig verdattert uber die unerwartete Erhorung unseres Wunsches nahmen wir die Einladung gerne an. Wir folgten ihm die paar Kilometer nach Chasseneuil, wo wir das Tandem in den Garten des gepflegten Einfamilienhauses stellten. Der Lehrer und ehemalige Velorennfahrer entschuldigte sich, dass es nur ein kurzes Mittagessen gabe, sie gingen am Nachmittag noch die Grossmutter besuchen. Er stellte uns seiner Frau und den drei Kindern im Teenageralter vor und hatte sichtlich Freude daran, uns als Gaste zu haben. Das Essen unter dem Sonnenschirm dauerte mit allen Gangen schliesslich doch fast drei Stunden. Wir genossen die gemutliche Pause und unterhielten uns angeregt mit der sehr interessierten Familie. Alle horten gespannt unseren Reiseberichten zu und stellten viele Fragen, die wir gerne beantworteten. Gut gestarkt und rundum zufrieden machten wir uns wieder auf den Weg in den schwulen Nachmittag. Auf Nebenstrasschen rollten wir durch idyllische Taler. Wir uberholten vier Wanderer, welche uns nachriefen, woher wir denn kamen. Wir hielten an und wurden von den beiden alteren, sympathischen Ehepaaren mit Fragen gelochert. Sie stellten uns sehr gute Fragen, verbluffende oder tiefgrundige, welche uns noch nie jemand gestellt hatte und auf die wir nicht immer gleiche eine Antwort hatten. Nachdem wir uns eine Weile prachtig mit ihnen unterhalten hatten, luden sie uns zu einem Glas Orangensaft und selbstgebackener Kirschenwahe ein. Nach dem Mittagessen wurden wir nun auch noch mit einem Zvieri verwohnt! Wir waren glucklich uber die heutigen schonen Begegnungen und fanden am Abend auch noch einen netten Bauern, neben dessen Huhnerstall wir das Zelt aufstellen durften.

Nach einer regnerischen und windigen Nacht war die druckende Sommerluft der letzten Tage weggeblasen. Wir fuhlten uns wieder wohl in der kuhlen Morgenluft, die Hitze vertragen wir einfach schlecht. In der landlichen Gegend nordlich von La Chatre gefielen uns zwei Schlosser ganz besonders. Das Schloss Lys-St.-Georges bestand aus den Ueberresten einer grossen mittelalterlichen Wehranlage und einem darin eingefugten neueren Schloss. Von der alten Anlage steht noch die massive Ruine des ovalen Donjons mit meterdicken Mauern, einige kleine Rundturme und der Riegelbau des Torhauses. Das neuere Schloss, von einem hellgrun leuchtenden Wassergraben umgeben, war nicht verfallen, wirkt aber sehr alt und hatte damit eine besondere Ausstrahlung. Zusammen mit der romanischen Kirche und den herausgeputzten Hausern war dieses Dorfchen ein Augenschmaus. In Sarzay schauten schon von weitem die Kegelspitzen der Ziegeldacher aus den Kornfeldern. Die Wehranlage aus dem 14. Jahrhundert stand majestatisch in der Landschaft. Der hohe Bergfried ist von funf wuchtigen Rundturmen flankiert, welche das eigentliche Gebaude kaum sichtbar lassen, ein gewaltiger Anblick.

Ueber Nohand erreichten wir Verneuil sur Igneraie. Ausgangs des Dorfes wies eine Tafel auf das Chateau Coudray hin. Wir folgten den kurzen Weg zum grossen schmiedeeisernen Tor, "Visite libre" stand daran. Im Park des kleinen Schlosschens gab es eine Ausstellung uber George Sand, eine beruhmte Schriftstellerin und Feministin. Wir folgten der Ausstellung durch den Park, der gepflegt war, aber fruher sicher bessere Zeiten gesehen hatte. Als wir schon wieder fast gehen wollten, kam die Hauseigentumerin auf uns zu und begann, uber das Leben der George Sand zu erzahlen. Dieses Schlosschen war einst die Ferienresidenz dieser grossen Frau. Vor 25 Jahren war die Anlage nur noch eine Ruine, das Dach lochrig, alles ausgeraubt und der Park vollig verwildert. Da die Feministin und Sozialistin einst keinen guten Ruf hatte, sperrte der letzte Schlossbesitzer das Anwesen rigoros ab, er hatte die vielen Anfragen satt. Die heutigen Eigentumer sind nun seit 25 Jahren daran, dem Ort neues Leben zu geben. Sie wussten beim Kauf nicht, welche Geschichte sich hier verbarg. Als sie fur die Renovation der Fassade Nachforschungen anstellten, merkten sie, welch geschichtstrachtigen Ort sie da erworben hatten. Sie befassten sich intensiv mit dem Lebenswerk von George Sand und prasentieren dieses nun im Park auf Plakaten. Die Renovationsarbeiten am Haus und die Wiederherstellung des Parks schreiten stetig voran. Sie unternehmen alles in Eigenregie und so bleibt noch viel zu tun. In fruheren Jahren waren sie viel gereist, mit dem Zelt oder dem Wohnwagen. Plotzlich fragte sie uns, ob wir denn schon wissen ,wo wir heute schlafen. Wir durften sonst das Zelt im Park aufschlagen! Es war zwar erst Mitte Nachmittag, aber wir fuhlten uns so wohl hier, dass wir das Angebot strahlend annahmen. Sie mussten zwar noch weg, lassen uns aber das Haus offen, damit wir Dusche und WC benutzen konnen. Da hatten wir ja wieder einmal voll gewonnen! Im Schlosspark mit den alten Baumen stellten wir das Zelt auf, genossen den friedlichen Abend und schliefen herrlich an diesem besonderen Ort. Fur die Weiterfahrt druckten uns die lieben Gastgeber noch eine Buchse Cassoulet (eine Bohnen-Wurst-Spezialitat aus Castelnaudry, wo wir einige Wochen zuvor vorbeikamen) und ein Glas Apfelmus in die Hand!

Posted by tandem-adventure at 9:16 AM BST
Updated: Tuesday, 21 June 2005 9:21 AM BST
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