Per Tandem unterwegs in Sudamerika, Neuseeland und Europa!
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Tuesday, 21 June 2005
Lure - Bonhomme: Kretenstrassen, Seen und Tannenwaelder
In Melisey noerdlich von Lure bogen wir auf die D73 Richtung Faucogney-et-la-Mer ab, der "Route des milles etangs". Wir tauchten nun ein in eine ganz spezielle Landschaft am Rande der Vogesen. Unzaehlige Etangs lagen neben der Strasse oder etwas versteckt hinter Baeumen. Viele hatten ein Inselchen mit einem kleinen Ferienhaeuschen oder Wohnwagen. Da das Terrain nicht flach sondern recht huegelig war, hatten wir immer wieder schoene Ausblicke auf die Seelein, die mal im dichten Tannenwald, mal inmitten leuchtender Blumenwiesen lagen. Die letzten Tage dem Ognon entlang waren landschaftlich nicht sonderlich spektakulaer, hier gefiel es uns wieder ausgezeichnet. Urige Bauerndoerfer, schoene hoelzerne Scheunentore, gepflegte Gemuesegaerten, Kirchen mit Zwiebeltuermen aus farbigen, glasierten Ziegeln. Faucogney-et-la-Mer hatte schon bessere Zeiten gesehen, verblichene Aufschriften auf Hausfassaden zeugten von der einstigen Bedeutung. Kurz nach dieser Ortschaft stieg die Strasse unvermittelt brutal steil in die Hoehe. Ein Rennvelofahrer ueberholte uns und fragte etwas unglaeubig "vous connaissez?" Wir erwiderten "pas encore", er meinte "ca monte bien!". So war es dann auch, der Anstieg auf das Hochplateau gab uns arg zu beissen. Die Welt, die uns dort oben aber erwartete, liess alle Anstrengung gleich wieder vergessen. Magerwiesen mit Blumen in allen Farben, der Duft frisch gemaehter Wiesen, Heuballen wie Skulpturen in der Landschaft, Hecken, steinerne Wegkreuze, Bauernhoefe mit Huehnern auf der Strasse, Dutzende idyllischer Teiche und im Hintergrund die "Ballons", die hoechsten Erhebungen der Vogesen - ein Traum! Wir gelangten auf die Kammstrasse D57 und durch dichte Tannenwaelder, auch hier immer wieder versteckte Etangs, zum Col des Croix. Schon erblickten wir im Talkessel unten Le Thillot, nicht das erwartete kleine Staedtchen, sondern ein den ganzen Talgrund fuellendes Haeusermeer. Auf der "Voie vert", der ehemaligen Bahnlinie, rollten wir noch bis nach St. Maurice-sur-Moselle, wo wir auf dem tollen Campingplatz einen Ruhetag einlegten.
Auf der alten Strasse stiegen wir an zur Passhoehe des Col de Bussang (731 m), vorbei an der Quelle der Moselle oder spaeteren Mosel. Nach der Passhoehe rief die unerwartet spektakulaere Landschaft unser helles Erstaunen hervor. Die tannenbestandenen Berge woelbten sich hoch gegen den Himmel, hier sahen sie nun wirklich wie "Ballone" aus. Riesige Nadelwaelder soweit wir sehen konnten, das Tal stuerzte unerwartet in die Tiefe, die breite Strasse kurvte mit vielen Serpentinen talwaerts, eine rassige Schussfahrt in herrlicher Landschaft! Vor dem Aufstieg auf die "Route des cretes" wollten wir in Kruth Lebensmittel fuer die naechsten zwei Tage bunkern, aber ausser einem verstaubten Laedeli mit einem mageren Angebot gab es nichts mehr im Dorf, die Folge grosser Einkaufszentren... Aber man kann ja auch mal von Suppe, Brot und Kaese leben. Am Lac de Kruth, der ruhig zwischen den Bergflanken mit dunklen Waeldern lag, bogen wir ab Richtung "Markstein", der Passhoehe an der "Route des Cretes". Mit meist angenehmer Steigung schraubten wir uns hoeher und hoeher bis auf 1250m ue.M., wo wir auf die Kretenstrasse trafen, die die Vogesen in nord-suedlicher Richtung ueberquert. Trotz Bewoelkung und Durst sahen wir im Sueden tief unten die Ebene von Mulhouse und links und rechts in die steilen Taeler der Vogesen. Dutzende von Gleitschirmen hingen in der Luft, Skilifte standen stumm in der Landschaft, viel Verkehr zeigte, dass Samstag war.
Wir setzten uns in eine Blumenwiese und genossen das Mittagessen mit toller Aussicht, es war aber empfindlich kuehl hier oben. Dass wildes Zelten in den Vogesen streng verboten ist und Patrouillen Kontrollgaenge machen, das erfuhren wir erst am naechsten Tag. Das Plaetzchen dirket am Wanderweg, nicht weit von der Strasse weg, aber durch Baeume schoen vor Blicken und dem Wind geschuetzt, war schlicht perfekt zum Zelten. Wir wunderten uns, warum da noch kein Zelt stehe und stellten unsere Villa in die Blumenwiese. Die einzige flache Stelle weit und breit und nicht von Heildelbeeren ueberwuchert wurde wahrscheinlich mal fuer diesen Zweck angelegt. Uebergluecklich ueber den Volltreffer genossen wir den restlichen Nachmittag vor dem Zelt und gruessten alle vorbeikommenden Wanderer und Biker freundlich. Haetten wir vom Campingverbot gewusst, haetten wir sicher nicht so wunderbar geschlafen.
Wir stellten den Wecker frueh, um vor dem Sonntagsverkehr unterwegs zu sein. Als wir aus dem Zelt krochen, blickten wir in dicken Nebel. So fuhren wir erst mal ein kurzes Stueck zurueck zu einem Restaurant, wo wir bei einem heissen Tee etwas abwarteten. Die Kretenstrasse ohne Aussicht zu fahren haette wenig Sinn gemacht. Die Wolken lockerten immer mehr auf und machten zoegernd der Sonne Platz. Wir pedalten durch diese faszinierende Morgenstimmung, alles war wie in Watte getaucht. Beidseits des Kammes sahen wir tief unten schemenhaft Doerfer und Seen liegen. Wie abgehoben von der Erde rollten wir ueber die Krete, ein tolles Gefuehl. Wir fanden ein Voegelchen auf der Strasse liegen, das am ganzen Koerper zitterte, wahrscheinlich war es mit einem Auto zusammengestossen. Franziska hob es auf und waermte es lange mit ihren Haenden. Es hatte einen flauschigen roten Kopf und leuchtend gelbe Federn an der Seite. Nach einer Weile blickte es wieder aufgeweckter umher und zitterte nicht mehr. Zum Fliegen konnten wir es aber nicht bewegen, so setzten wir es an einer windgeschuetzten Stelle in eine Blumenwiese und hofften, dass es sich bald erholen wuerde.
In Breitzhausen entdeckte Franziska ein Schild "Fromage". Im Alprestaurant kauften wir nicht nur einen wuerzigen Muensterkaese, sondern erlagen der Werbung des sympathischen Bergbauern und Wirt und leisteten uns ein "Fondue", mit Kaese ueberbackene Kartoffeln und ein Stueck Kaesewaehe zum Zmittag - eine Gaumenfreude!
Er drueckte uns auch noch eine Adresse eines kleinen Campingplatzes in Bonhomme in die Hand und meldete uns bei dieser Familie gleich telefonisch an. So hatte sich unsere Route wieder mal ihren Weg gefunden, anstatt vom Col du Bonhomme links runter und dann in den folgenden Tagen durch die noerdlichen Vogesen fuhren wir nun eben rechts runter nach Bonhomme. Das Schild "les Myrtilles" fuehrte uns zu einem violetten und lilafarbenen Haus am steilen Hang hoch ueber dem kleinen Dorf.
Eine junge Familie hat dort in den letzten Jahren eine wunderschoene Unterkunft kreiert. Im untersten Stock ihres Hauses vermieten sie zwei Zimmer mit Kueche und Aufenthaltsraum, im Garten steht an idyllischer Lage ein kleines Holzhaeuschen als "Mini-Ferienwohnung" und auf den Terrassen zwischen den steilen Magerwiesen kann man das Zelt aufschlagen. Vom Betonieren des Hausfundamentes bis hin zu den stilvollen Moebeln haben sie alles selbst hergestellt. Mit viel Geschmackssinn und Liebe fuers Detail haben sie ein kleines Paradies geschaffen. Auch die Lage im Herzen der Vogesen, zwischen der Weinstrasse und den Bergen, bei Wanderwegen und Wintersportmoeglichkeiten ist hervorragend. Auch wenn unsere Koerper nicht schon wieder einen Ruhetag benoetigt haetten, entschieden wir uns, an diesem schoenen Ort zwei Naechte zu bleiben. Per Bus fuhren wir am 13. Juni in die Geburtsstadt von Albert Schweitzer, nach Kaysersberg und genossen den Tag in den Gassen der farbigen Riegelbauten.

In Los Angeles hatten wir uns superstabile Raeder mit 48 Speichen gekauft, in der Hoffnung, die Hinterradfelge wuerde nun fuer den Rest der Reise halten. Noch vor zwei Tagen war bei der regelmaessigen Tandemreinigung die hintere Felge in Ordnung, auf dem Zeltplatz in Bonhomme mussten wir aber mit Schrecken feststellen, dass sie wiederum Risse aufwies, und dann nicht wenige. Mit 4600 km, hat diese Felge zwar so lange gehalten wie keine zuvor, aber wir standen nun wieder mal vor der Loesung eines grossen Problems. Wir verbrachten eine schlaflose Nacht, telefonierten uns die Finger wund und fanden schliesslich eine Loesung, die wieder einen Knick in unsere Reiseroute brachte.

Aktuelle Daten:
12940 Kilometer (davon 4500 km in Europa)
128250 Hoehenmeter (davon 53000 in Europa)

Posted by tandem-adventure at 9:59 AM BST
Updated: Tuesday, 21 June 2005 10:29 AM BST
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