Per Tandem unterwegs in Sudamerika, Neuseeland und Europa!
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Friday, 24 June 2005
Basel - Schwenningen: Emsiges Heuen im Schwarzwald
In aller Fruehe verliessen wir Basel Richtung Loerrach. Bis zur Landesgrenze war die Veloroute gut ausgeschildert, ab da mussten wir die spaerlichen Schilder suchen. Da diese sich auf das Radsymbol beschraenkten und keinerlei Ortsangaben enthielten und auch die Radkarte wenig aussagekraeftig war, mussten wir uns an die Strassenschilder halten. Prompt landeten wir auf der Autostrasse. Umkehren war nicht mehr moeglich, so hetzten wir bis zur naechsten Ausfahrt. Lastwagen hupten und Autofahrer zeigten uns den Vogel. Der Nase nach durch Quartierstrassen erreichten wir dennoch Schopfheim. Ab Wehr wurde es wunderbar ruhig. Durch das tief eingeschnittene Wehratal stiegen wir stetig in die Hoehe. Vorbei an Saegereien kamen wir in den "heilklimatischen Luftkurort" Todtmoos. Im sterilen Kurpark picknickten wir und waren die Tagesattraktion fuer die zahlreichen Kurgaeste im Seniorenalter. Nach dem Aufstieg auf die Passhoehe auf 1055 m oeffnete sich die Landschaft, die dunklen Tannenwaelder gingen ueber in eine schoene Weite mit Blumenwiesen. Es roch nach frisch geschnittenem Gras, wir freuten uns ueber das schon lange nicht mehr gehoerte Gebimmel der Kuhglocken. Fuer die Nachtlagersuche gingen wir ein Stueck einen Wanderweg hoch und fanden in der Naehe eines Naturschutzgebietes ein traumhaftes Plaetzchen fuer das Zelt. Im Schwarzwald ist wildes Zelten einfach, die Region ist duenn besiedelt und unter der Woche recht einsam.
Als wir am naechsten Morgen in St. Blasien einkaufen gingen, wollten wir die kurze Strecke vom Supermarkt zur Hauptstrasse wieder durch die Einbahnstrasse zurueck. Um den deutschen Ordnungssinn nicht zu provozieren, entschieden wir uns zu Fuss zu gehen und das Tandem zu schieben. Prompt hielt eine Autofahrerin an, oeffnete die Tuer und wies uns zurecht, dass das eine Einbahnstrasse sei...!
Vorbei am Schluchsee gelangten wir zum Titisee, wo wir an diesem strahlenden Samstag nicht die einzigen waren, die am Ufer picknicken wollten. Durch ein wunderschoenes Tal mit typischen Schwarzwaldhaeusern mit immensen Daechern stiegen wir gegen Waldau an. Wie fleissige Bienen waren die Bauern ueberall am Heuen. Die Wiesen wurden gemaeht, das Heu gewendet oder maschinell zu Heuballen geformt - fuer die Bauern harte Arbeit und lange Tage, fuer uns schoene Anblicke. In einer "Baeckerei mit Stehcafe" schlemmten wir feinsten Kuchen, Energie fuer den letzen Aufstieg auf einen Bergruecken. Schon von weitem malten wir uns aus, dass wir dort oben das Zelt aufstellen moechten. Der Waldrand mit Fernsicht bis zum Feldberg und zum Schauinsland war "klasse"!
Der dritte Tag im Schwarzwald war wie aus dem Bilderbuch. Die tolle Kammstrasse nach Furtwangen mit Weitblicken in die Berge, das einsame Breg-Tal mit wuchtigen Bauernhoefen und urigen Gaststuben und die Panoramastrasse von Schoenwald Richtung Villingen - wir waren begeistert vom Schwarzwald, wo die unendlichen Tannenwaelder dem Gebiet zu recht den Namen geben. Nach einer langen Abfahrt erreichten wir Villingen mit der herausgeputzten Altstadt und Schwenningen, das am Uebergang vom Schwarzwald zur Schwaebischen Alb liegt.

Posted by tandem-adventure at 10:43 AM BST
Updated: Friday, 24 June 2005 10:59 AM BST
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Bonhomme (Vogesen) - Basel: Kurzer Abstecher in die Schweiz fuer ein neues Hinterrad
Die Hinterradfelge wies ueber 20 kleine Risse bei den Speichenloechern auf. Vielleicht haette sie noch ueber 1000 km gehalten, vielleicht nur noch ein paar wenige, beide Faelle hatten wir in Neuseeland erlebt. Eine Spezialfelge fuer 48 Speichen im Elsass aufzutreiben waere ein aussichtsloses Unterfangen gewesen, geschweige denn einen Fachmann zu finden, der ein Rad bauen kann. Also musste die Nabe irgendwie nach Hochdorf im Kanton Luzern gelangen, damit unser Tandemspezialist eine neue Felge aufziehen kann.
Wir waren ja in den Vogesen nicht mehr weit von der Schweiz entfernt. Die verfruehte Rueckkehr wegen dieses Defekts waere fuer uns undenkbar gewesen. Wir wollten noch durch Sueddeutschland weiterfahren und dann von Osten her die Schweizer Grenze ueberqueren. An dieser Route wollten wir festhalten, wir waeren mental auch noch gar nicht bereit gewesen, ploetzlich in die Schweiz zu kommen. Nicht dass wir uns nicht auf die Schweiz freuen wuerden, im Gegenteil! Wir freuen uns riesig darauf, zum Abschluss der Reise eine "Tour de Suisse" zu fahren, unser schoenes Heimatland zu geniessen und unsere Familien und Freunde wiederzusehen. Aber nach ueber einem Jahr "auf Achse" darf dieser Schritt nicht ueberstuerzt erfolgen.
So telefonierten wir hin und her und nach einer schlaflosen Nacht entschieden wir uns fuer die naheliegendste, wenn auch fuer uns nicht einfachste Loesung, einen Abstecher in die Schweiz zu machen. Wir hofften, das Rad halte noch bis Basel und pedalten auf direktestem Weg dorthin. Bei einer Kollegin fanden wir fuer zwei Naechte Unterschlupf. Richard fuhr per Bahn mit dem Hinterrad nach Hochdorf, wo Marc in verdienstvoller Weise die neue Felge einspeichte. Wir erzaehlten niemandem etwas von dieser "Nacht- und Nebelaktion" udn fuhren am naechsten Morgen gleich wieder weiter in den Schwarzwald, um unsere Route um die Schweiz fortzusetzen.
Lustig war die Frage im "Veloplus", wo wir einige defekte Ausruestungsgegenstaende ersetzten, ob wir denn "auch auf einem Faehrtli seien?" Der Verkaeufer war ein wenig sprachlos, als wir sagten, dass unser Faehrtli schon ein Jahr daure!

Es war ein bewegender Moment, als wir in Basel nach 12 Monaten und 13 Tagen am 15. Juni die Grenze zur Schweiz ueberquerten. Mental reisten wir aber noch nicht ein, das wird erst etwa in einem Monat folgen. Wir fuehlten uns wir Besucher, surreal wir in einem Film. Dass wir fuer die Rueckkehr noch nicht ganz bereit sind, zeigte sich, als Richard in der Migros Proviant fuer die Bahnfahrt nach Hochdorf kaufte und spaeter feststellen musste, dass er das Eingekaufte an der Kasse liegengelassen hatte...
Die kurzfristige Rueckkehr in das normale Leben war ein kleiner Schock. Wir haben nun ein Jahr lang in der "Natur-Tierli-Bluemli-Welt" gelebt. Auch wenn wir immer ausgefuellte Tage hatten, kannten wir etwas nicht, naemlich Stress. Hier sahen wir nun ueberall gestresste Menschen, die gehetzt zur Arbeit eilten, Radfahrer die ohne Gruss vorueberflitzten. Das Leben hatte ein Tempo, das wir gar nicht mehr gewohnt sind.
Geldverdienen ist der Tagesinhalt. Das muss so sein, das Geld rinnt ja nur so durch die Finger. Was da wieder alles auf uns zukommt! Wir haben auf unserer Reise gelernt, mit einem sehr kleinen Budget zurechtzukommen. Wir haben im Supermarkt jeden Rappen umgedreht und dennoch gut gelebt. Und wenn wir nach Hause kommen kostet das Leben gleich wieder das x-Fache - erschreckend! In unserer Konsumgesellschaft "muss" man dies und das haben, aber ist auch alles lebensnotwendig? Sind wir dadurch wirklich gluecklicher?
Eine Flut von Information und Werbung prasselte ploetzlich wieder auf uns ein. Wir haben in diesem Jahr gerademal mitbekommen, dass es eine Tsunami-Katastrophe gab, Bush wiedergewaehlt wurde und der Papst gestorben ist. Das war's, mehr haben wir nicht erfahren! Und hier halten wir wieder einmal eine Zeitung in der Hand. Eine negative Schlagzeile jagt die naechste. Besteht die Welt nur aus schlechten Nachrichten?
Ueberall Werbung, an jeder Ecke. Die Flut von Propaganda erschlaegt uns fast. Haben wir frueher an all dem einfach vorbeigeschaut? Bald wird uns dies auch nicht mehr auffallen, werden wir uns wieder unbemerkt berieseln lassen von der allgegenwaertigen Werbung. Und vom Laerm. Auch dies faellt uns extrem auf. Dieser permamente Laermpegel ermuedet uns sehr schnell.
Es macht uns ein wenig Angst, dass wir in sieben Wochen zu Hause sind und uns wieder in diese Welt einleben muessen. Dennoch sind wir zuversichtlich und voller Tatendrang!

Posted by tandem-adventure at 10:17 AM BST
Updated: Friday, 24 June 2005 10:38 AM BST
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Tuesday, 21 June 2005
Lure - Bonhomme: Kretenstrassen, Seen und Tannenwaelder
In Melisey noerdlich von Lure bogen wir auf die D73 Richtung Faucogney-et-la-Mer ab, der "Route des milles etangs". Wir tauchten nun ein in eine ganz spezielle Landschaft am Rande der Vogesen. Unzaehlige Etangs lagen neben der Strasse oder etwas versteckt hinter Baeumen. Viele hatten ein Inselchen mit einem kleinen Ferienhaeuschen oder Wohnwagen. Da das Terrain nicht flach sondern recht huegelig war, hatten wir immer wieder schoene Ausblicke auf die Seelein, die mal im dichten Tannenwald, mal inmitten leuchtender Blumenwiesen lagen. Die letzten Tage dem Ognon entlang waren landschaftlich nicht sonderlich spektakulaer, hier gefiel es uns wieder ausgezeichnet. Urige Bauerndoerfer, schoene hoelzerne Scheunentore, gepflegte Gemuesegaerten, Kirchen mit Zwiebeltuermen aus farbigen, glasierten Ziegeln. Faucogney-et-la-Mer hatte schon bessere Zeiten gesehen, verblichene Aufschriften auf Hausfassaden zeugten von der einstigen Bedeutung. Kurz nach dieser Ortschaft stieg die Strasse unvermittelt brutal steil in die Hoehe. Ein Rennvelofahrer ueberholte uns und fragte etwas unglaeubig "vous connaissez?" Wir erwiderten "pas encore", er meinte "ca monte bien!". So war es dann auch, der Anstieg auf das Hochplateau gab uns arg zu beissen. Die Welt, die uns dort oben aber erwartete, liess alle Anstrengung gleich wieder vergessen. Magerwiesen mit Blumen in allen Farben, der Duft frisch gemaehter Wiesen, Heuballen wie Skulpturen in der Landschaft, Hecken, steinerne Wegkreuze, Bauernhoefe mit Huehnern auf der Strasse, Dutzende idyllischer Teiche und im Hintergrund die "Ballons", die hoechsten Erhebungen der Vogesen - ein Traum! Wir gelangten auf die Kammstrasse D57 und durch dichte Tannenwaelder, auch hier immer wieder versteckte Etangs, zum Col des Croix. Schon erblickten wir im Talkessel unten Le Thillot, nicht das erwartete kleine Staedtchen, sondern ein den ganzen Talgrund fuellendes Haeusermeer. Auf der "Voie vert", der ehemaligen Bahnlinie, rollten wir noch bis nach St. Maurice-sur-Moselle, wo wir auf dem tollen Campingplatz einen Ruhetag einlegten.
Auf der alten Strasse stiegen wir an zur Passhoehe des Col de Bussang (731 m), vorbei an der Quelle der Moselle oder spaeteren Mosel. Nach der Passhoehe rief die unerwartet spektakulaere Landschaft unser helles Erstaunen hervor. Die tannenbestandenen Berge woelbten sich hoch gegen den Himmel, hier sahen sie nun wirklich wie "Ballone" aus. Riesige Nadelwaelder soweit wir sehen konnten, das Tal stuerzte unerwartet in die Tiefe, die breite Strasse kurvte mit vielen Serpentinen talwaerts, eine rassige Schussfahrt in herrlicher Landschaft! Vor dem Aufstieg auf die "Route des cretes" wollten wir in Kruth Lebensmittel fuer die naechsten zwei Tage bunkern, aber ausser einem verstaubten Laedeli mit einem mageren Angebot gab es nichts mehr im Dorf, die Folge grosser Einkaufszentren... Aber man kann ja auch mal von Suppe, Brot und Kaese leben. Am Lac de Kruth, der ruhig zwischen den Bergflanken mit dunklen Waeldern lag, bogen wir ab Richtung "Markstein", der Passhoehe an der "Route des Cretes". Mit meist angenehmer Steigung schraubten wir uns hoeher und hoeher bis auf 1250m ue.M., wo wir auf die Kretenstrasse trafen, die die Vogesen in nord-suedlicher Richtung ueberquert. Trotz Bewoelkung und Durst sahen wir im Sueden tief unten die Ebene von Mulhouse und links und rechts in die steilen Taeler der Vogesen. Dutzende von Gleitschirmen hingen in der Luft, Skilifte standen stumm in der Landschaft, viel Verkehr zeigte, dass Samstag war.
Wir setzten uns in eine Blumenwiese und genossen das Mittagessen mit toller Aussicht, es war aber empfindlich kuehl hier oben. Dass wildes Zelten in den Vogesen streng verboten ist und Patrouillen Kontrollgaenge machen, das erfuhren wir erst am naechsten Tag. Das Plaetzchen dirket am Wanderweg, nicht weit von der Strasse weg, aber durch Baeume schoen vor Blicken und dem Wind geschuetzt, war schlicht perfekt zum Zelten. Wir wunderten uns, warum da noch kein Zelt stehe und stellten unsere Villa in die Blumenwiese. Die einzige flache Stelle weit und breit und nicht von Heildelbeeren ueberwuchert wurde wahrscheinlich mal fuer diesen Zweck angelegt. Uebergluecklich ueber den Volltreffer genossen wir den restlichen Nachmittag vor dem Zelt und gruessten alle vorbeikommenden Wanderer und Biker freundlich. Haetten wir vom Campingverbot gewusst, haetten wir sicher nicht so wunderbar geschlafen.
Wir stellten den Wecker frueh, um vor dem Sonntagsverkehr unterwegs zu sein. Als wir aus dem Zelt krochen, blickten wir in dicken Nebel. So fuhren wir erst mal ein kurzes Stueck zurueck zu einem Restaurant, wo wir bei einem heissen Tee etwas abwarteten. Die Kretenstrasse ohne Aussicht zu fahren haette wenig Sinn gemacht. Die Wolken lockerten immer mehr auf und machten zoegernd der Sonne Platz. Wir pedalten durch diese faszinierende Morgenstimmung, alles war wie in Watte getaucht. Beidseits des Kammes sahen wir tief unten schemenhaft Doerfer und Seen liegen. Wie abgehoben von der Erde rollten wir ueber die Krete, ein tolles Gefuehl. Wir fanden ein Voegelchen auf der Strasse liegen, das am ganzen Koerper zitterte, wahrscheinlich war es mit einem Auto zusammengestossen. Franziska hob es auf und waermte es lange mit ihren Haenden. Es hatte einen flauschigen roten Kopf und leuchtend gelbe Federn an der Seite. Nach einer Weile blickte es wieder aufgeweckter umher und zitterte nicht mehr. Zum Fliegen konnten wir es aber nicht bewegen, so setzten wir es an einer windgeschuetzten Stelle in eine Blumenwiese und hofften, dass es sich bald erholen wuerde.
In Breitzhausen entdeckte Franziska ein Schild "Fromage". Im Alprestaurant kauften wir nicht nur einen wuerzigen Muensterkaese, sondern erlagen der Werbung des sympathischen Bergbauern und Wirt und leisteten uns ein "Fondue", mit Kaese ueberbackene Kartoffeln und ein Stueck Kaesewaehe zum Zmittag - eine Gaumenfreude!
Er drueckte uns auch noch eine Adresse eines kleinen Campingplatzes in Bonhomme in die Hand und meldete uns bei dieser Familie gleich telefonisch an. So hatte sich unsere Route wieder mal ihren Weg gefunden, anstatt vom Col du Bonhomme links runter und dann in den folgenden Tagen durch die noerdlichen Vogesen fuhren wir nun eben rechts runter nach Bonhomme. Das Schild "les Myrtilles" fuehrte uns zu einem violetten und lilafarbenen Haus am steilen Hang hoch ueber dem kleinen Dorf.
Eine junge Familie hat dort in den letzten Jahren eine wunderschoene Unterkunft kreiert. Im untersten Stock ihres Hauses vermieten sie zwei Zimmer mit Kueche und Aufenthaltsraum, im Garten steht an idyllischer Lage ein kleines Holzhaeuschen als "Mini-Ferienwohnung" und auf den Terrassen zwischen den steilen Magerwiesen kann man das Zelt aufschlagen. Vom Betonieren des Hausfundamentes bis hin zu den stilvollen Moebeln haben sie alles selbst hergestellt. Mit viel Geschmackssinn und Liebe fuers Detail haben sie ein kleines Paradies geschaffen. Auch die Lage im Herzen der Vogesen, zwischen der Weinstrasse und den Bergen, bei Wanderwegen und Wintersportmoeglichkeiten ist hervorragend. Auch wenn unsere Koerper nicht schon wieder einen Ruhetag benoetigt haetten, entschieden wir uns, an diesem schoenen Ort zwei Naechte zu bleiben. Per Bus fuhren wir am 13. Juni in die Geburtsstadt von Albert Schweitzer, nach Kaysersberg und genossen den Tag in den Gassen der farbigen Riegelbauten.

In Los Angeles hatten wir uns superstabile Raeder mit 48 Speichen gekauft, in der Hoffnung, die Hinterradfelge wuerde nun fuer den Rest der Reise halten. Noch vor zwei Tagen war bei der regelmaessigen Tandemreinigung die hintere Felge in Ordnung, auf dem Zeltplatz in Bonhomme mussten wir aber mit Schrecken feststellen, dass sie wiederum Risse aufwies, und dann nicht wenige. Mit 4600 km, hat diese Felge zwar so lange gehalten wie keine zuvor, aber wir standen nun wieder mal vor der Loesung eines grossen Problems. Wir verbrachten eine schlaflose Nacht, telefonierten uns die Finger wund und fanden schliesslich eine Loesung, die wieder einen Knick in unsere Reiseroute brachte.

Aktuelle Daten:
12940 Kilometer (davon 4500 km in Europa)
128250 Hoehenmeter (davon 53000 in Europa)

Posted by tandem-adventure at 9:59 AM BST
Updated: Tuesday, 21 June 2005 10:29 AM BST
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Corancy - Lure: Durch das Burgund Richtung Vogesen
Mit kuehler und feuchter Witterung starteten wir dem Stausee Lac de Panneciere entlang und stiegen wieder hinauf auf die Anhoehen des Morvan. Das Gebiet ist mit den vielen Huegeln und den einfachen Haeusern sehr schoen, allerdings nicht ganz so wild und einsam wie in der Auvergne oder im Limousin. Die Naehe zum staerker besiedelten Burgund war spuerbar, viele Haeuser wurden zu Ferienhaeusern umfunktioniert. Ueber Planchez, Anost und La Cell-en-Morvan gelangten wir ins Tal des Dree, wo wir die Stadt Autun auf ruhigen Stassen umfahren konnten. Am Abend erlaubte uns ein Bauer, das Zelt in der Naehe des Hofes neben dem ehemaligen Bauernhaus aufzustellen. Das schmucke Gebaeude war nur noch eine Ruine, das Dach halbwegs eingestuerzt. Aber der Stall mit steinernem Tonnengewoelbe, das Cheminee in der Stube, die alten Holztore und die ganz ueberwucherte Veranda wuerden nach einem neuen Eigentuemer rufen, der den inmitten von Blumenwiesen und in der Naehe eines Teiches liegenden Ort zu neuem Leben erwecken wuerde! Wir stellten das Zelt in den Hof neben den alten Ziehbrunnen inmitten eines Meeres von Kamillenblueten und schliefen im feinen Duft herrlich.
Zwischen Couches und Buxy ueberquerten wir den Huegelzug von Villeneuve-en-Montagne, der mit tollen Straesschen und fantastischer Landschaft aufwartete. In Neuseeland hatten wir in einem Hostel ein Schweizer Ehepaar kennengelernt, das in Bantanges im Burgund eine "Gite" betreibt. Per Mail hatten sie uns zu sich eingeladen, falls unser Weg bei ihnen vorbeifuehre. Gerne nahmen wir die Einladung an und genossen den Komfort eines luxurioesen Zimmers und des feinen Nachtessens. Sie hatten ihre Jobs vor einigen Jahren an den Nagel gehaengt und betreiben die "Gite" im Sommerhalbjahr mit grossem Elan und einem bewundernswerten Einsatz.
Durch das Gebiet der "Bresse" beruemt fuer die Huehnerzucht, hatten wir duesteres Wetter mit Regen. Die vielen alten Bauerndoerfer haben sich zu Agglomerationsdoerfern entwicktelt, neue Einfamileinhaeuser standen neben restaurierten Bauernhaeusern. Entsprechend fanden wir keinen Bauern, der uns das Zelt aufzuschlagen erlaubte. Wir mussten immer weiter und weiter fahren, bis wir in Montbarrey einen Campingplatz fanden. Ein nettes schweizer Ehepaar, mit dem Wohnmobil unterwegs, entschuldigte sich, dass sie uns keine Schokolade schenken koennen und drueckten uns einen Batzen in die Hand!
Ueber Arc-et-Senans und St. Vit gelangten wir nach Emagny an den Fluss Ognon, dem wir nun bis nach Lure folgten. Rechterhand lag die letzte Bergkette und linkerhand die flacheren Huegel des auslaufenden Juras, im Nordosten gruessten in der Ferne bereits die Vogesen.

Posted by tandem-adventure at 9:31 AM BST
Updated: Tuesday, 21 June 2005 9:56 AM BST
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Verneuil sur Igneraie - Corancy: Eine Schussel Erdbeeren nach 1 Jahr auf Achse
Mit den geschenkten Leckereien im Gepack verliessen wir das Chateau Coudray und starteten in den strahlenden Tag. Bei schonem Fruhsommerwetter gelangten wir in drei Tagen uber Le Chatelet, Decize und St. Honore in den Naturpark "Morvan". Unterwegs durchquerten wir den "Foret de Troncais", einen 30 Kilometer langen Eichenwald. Louis XVI liess diesen riesigen Eichenholz-Vorrat anlegen. Der Wald ist von einem geometrischen Wegnetz durchzogen, an verschiedenen Orten stehen "Fontaines" im Wald, runde Brunnen oder Quellfassungen. Eichen soweit das Auge reichte, am meisten beeindruckte uns ein 350-jahriges Exemplar mit immens dickem Stamm. Nach Decize folgten wir ein Stuck weit dem Canal du Nivernais, kamen an Schleusen vorbei und winkten Urlaubern in Hausbooten zu. Ein Schild "Fromage du chevre" liess uns einen Abstecher zu einem Bauernhof machen, wo wir einen frischen Ziegenkase kauften, der ein Gedicht war. Ein pensionierter Bauer, bei dem wir das Zelt in den Garten stellen durften, wollte uns gleich den Hof verkaufen. Er will mit seiner Frau in eine Alterswohnung ziehen und sucht einen Kaufer. Hollandische oder britische Interessenten gibt es genug, aber die Lage direkt an der Haupstrasse verhinderte bisher einen Verkauf. Sie schenkten uns frische Eier ihrer Huhner. Am Morgen riefen sie uns vor der Weiterfahrt ins Haus, wo sie uns eine grosse Schussel Erdbeeren vom eigenen Feld vorsetzten - welch ein Festessen, waren wir doch an diesem Tag, dem 2. Juni, exakt seit einem Jahr unterwegs!

Der Badekurort St.Honore-les-Bains war eine eigenartige Ortschaft, riesige leere Hotelkasten, Villen und Pseudo-Schlosschen zeugten von einer Zeit, als Kuren ein wichtiger Bestandteil des Gesundheitssystems waren. Aus Lautsprechern rieselte von jeder Strassenlaterne Musik uber die Strasse, viele spazierende Kurgaste erblickten wir allerdings nicht auf den Trottoirs.

Nach vielen Tagen durch recht flache Gebiete waren wir glucklich, mit dem "Morvan" wieder einmal ein bergiges Gebiet vor uns zu haben. Langere Aufstiege, Panoramablicke, urige Dorfchen und eine extrem grune Landschaft mit vielen Hecken und Magerwiesen - da jubelten unsere Herzen! Gegen Abend erreichten wir Chateau-Chinon, wo wir eigentlich auf den "Camping Municipal" wollten. Schon im Stadtchen kam uns ein weisser Lieferwagen mit riesigem Wohnwagen nach dem andern entgegen. Wir sahen etwa 20 solche Konvois Richtung Campingplatz abbiegen, wieviele schon da waren oder noch folgten, wollten wir gar nicht wissen. Wir entschieden uns weiterzufahren. Es waren die typischen modernen Fahzeuge der Fahrenden. Sie ziehen offenbar manchmal in grossen Gruppen umher. Wenn dann so ein Clan mit vielleicht 100 Leuten oder mehr einen kleinen "Camping Municipal" belegt, findet man andernorts vielleicht eine bessere Nachtruhe. Wir mochten keine Vorurteile gegenuber andern Menschen oder Volksgruppen haben, so etwas liegt uns als Reisenden fern. Aber in diesem Fall zogen wir eine ruhige Nacht auf einem andern Campingplatz einfach vor. Die Vorurteile, die wir uber die "Gens de voyage" immer wieder zu horen bekamen, entsprachen dem Klischee. Sie klauen, bezahlen die Campingplaztgeburen nicht oder verjagen mit ihrer blossen Anwesenheit Touristen. So werden sie auf manch privatem Zeltplatz gar nicht mehr geduldet. Dafur erscheinen dann in den Zeitungen Meldungen wie "300 Fahrende besetzten fur einige Tage ein Feld im Dorf xy und liessen sich erst nach langen Verhandlungen zum Weiterziehen uberreden". Wir sahen auf unserer Tour durch Frankreich allerdings nicht viele Fahrende, begegneten aber doch ab und zu Szenen mit "sesshaften" Fahrenden. Irgendwo an einem Waldrand oder auf einem Feld standen 10 oder 20 alte Wohnwagen, umgeben von Unmengen Unrat und Autowracks. Bei solchen Anblicken wurden wir an Bilder in Peru oder Bolivien erinnert... Ein Lehrer erzahlte uns, dass es heute viele Fahrende gibt, die richtig sesshaft geworden sind und gut in der Gesellschaft integriert seien. Bei den Kindern, die er unterrichtet, fallt ihm auf, dass sie manchmal schon nach einer Stunde stillsitzen fragen, ob sie nach draussen durften.

Am Lac de Panneciere mitten im "Parc Regional Naturel du Morvan" fanden wir einen ruhigen Zeltplatz, der auch fur einen Ruhetag geeignet war. Wir baten die Campingplatzbetreiber, das Internet auf ihrem Computer benutzen zu durfen. Zum Mails schreiben reichte die lahme Verbindung nicht, aber wenigstens konnten wir die erhaltenen Mails kurz lesen. Mangels Internetzugang in Frankreich konnten wir keine Reiseberichte mehr veroffentlichen, aber dank der Hilfe von Richard's Schwester erscheinen die handgeschriebene Texte nun doch mit etwas Verzogerung!

Posted by tandem-adventure at 9:22 AM BST
Updated: Tuesday, 21 June 2005 9:30 AM BST
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Am Ufer der Creuse - Verneuil sur Igneraie: Noch mehr Schlosser auf dem Weg ins Burgund
Wir schlugen nun wieder Fahrtrichtung Osten ein, sudlich vorbei an Chateauroux wollten wir der Creuse entlang Richtung Burgund pedalen. Wiederum kamen wir an unzahligen Schlossern und prunkvollen Herrenhausern vorbei. Ein Rennvelofahrer, der sich auf der allsonntaglichen Morgenausfahrt befand, fuhr eine Weile plaudernd neben uns her. Nachdem er sich verabschiedet hatte und davon zog, meinten wir, seine Frau warte jetzt bestimmt mit dem Mittagessen, er hatte uns doch einladen konnen. Im nachsten Dorf stand er wartend an der Kreuzung. Ob wir denn Hunger hatten? Heute sei Muttertag und ob zu Hause funf oder sieben am Tisch sitzen spiele keine Rolle! Ein wenig verdattert uber die unerwartete Erhorung unseres Wunsches nahmen wir die Einladung gerne an. Wir folgten ihm die paar Kilometer nach Chasseneuil, wo wir das Tandem in den Garten des gepflegten Einfamilienhauses stellten. Der Lehrer und ehemalige Velorennfahrer entschuldigte sich, dass es nur ein kurzes Mittagessen gabe, sie gingen am Nachmittag noch die Grossmutter besuchen. Er stellte uns seiner Frau und den drei Kindern im Teenageralter vor und hatte sichtlich Freude daran, uns als Gaste zu haben. Das Essen unter dem Sonnenschirm dauerte mit allen Gangen schliesslich doch fast drei Stunden. Wir genossen die gemutliche Pause und unterhielten uns angeregt mit der sehr interessierten Familie. Alle horten gespannt unseren Reiseberichten zu und stellten viele Fragen, die wir gerne beantworteten. Gut gestarkt und rundum zufrieden machten wir uns wieder auf den Weg in den schwulen Nachmittag. Auf Nebenstrasschen rollten wir durch idyllische Taler. Wir uberholten vier Wanderer, welche uns nachriefen, woher wir denn kamen. Wir hielten an und wurden von den beiden alteren, sympathischen Ehepaaren mit Fragen gelochert. Sie stellten uns sehr gute Fragen, verbluffende oder tiefgrundige, welche uns noch nie jemand gestellt hatte und auf die wir nicht immer gleiche eine Antwort hatten. Nachdem wir uns eine Weile prachtig mit ihnen unterhalten hatten, luden sie uns zu einem Glas Orangensaft und selbstgebackener Kirschenwahe ein. Nach dem Mittagessen wurden wir nun auch noch mit einem Zvieri verwohnt! Wir waren glucklich uber die heutigen schonen Begegnungen und fanden am Abend auch noch einen netten Bauern, neben dessen Huhnerstall wir das Zelt aufstellen durften.

Nach einer regnerischen und windigen Nacht war die druckende Sommerluft der letzten Tage weggeblasen. Wir fuhlten uns wieder wohl in der kuhlen Morgenluft, die Hitze vertragen wir einfach schlecht. In der landlichen Gegend nordlich von La Chatre gefielen uns zwei Schlosser ganz besonders. Das Schloss Lys-St.-Georges bestand aus den Ueberresten einer grossen mittelalterlichen Wehranlage und einem darin eingefugten neueren Schloss. Von der alten Anlage steht noch die massive Ruine des ovalen Donjons mit meterdicken Mauern, einige kleine Rundturme und der Riegelbau des Torhauses. Das neuere Schloss, von einem hellgrun leuchtenden Wassergraben umgeben, war nicht verfallen, wirkt aber sehr alt und hatte damit eine besondere Ausstrahlung. Zusammen mit der romanischen Kirche und den herausgeputzten Hausern war dieses Dorfchen ein Augenschmaus. In Sarzay schauten schon von weitem die Kegelspitzen der Ziegeldacher aus den Kornfeldern. Die Wehranlage aus dem 14. Jahrhundert stand majestatisch in der Landschaft. Der hohe Bergfried ist von funf wuchtigen Rundturmen flankiert, welche das eigentliche Gebaude kaum sichtbar lassen, ein gewaltiger Anblick.

Ueber Nohand erreichten wir Verneuil sur Igneraie. Ausgangs des Dorfes wies eine Tafel auf das Chateau Coudray hin. Wir folgten den kurzen Weg zum grossen schmiedeeisernen Tor, "Visite libre" stand daran. Im Park des kleinen Schlosschens gab es eine Ausstellung uber George Sand, eine beruhmte Schriftstellerin und Feministin. Wir folgten der Ausstellung durch den Park, der gepflegt war, aber fruher sicher bessere Zeiten gesehen hatte. Als wir schon wieder fast gehen wollten, kam die Hauseigentumerin auf uns zu und begann, uber das Leben der George Sand zu erzahlen. Dieses Schlosschen war einst die Ferienresidenz dieser grossen Frau. Vor 25 Jahren war die Anlage nur noch eine Ruine, das Dach lochrig, alles ausgeraubt und der Park vollig verwildert. Da die Feministin und Sozialistin einst keinen guten Ruf hatte, sperrte der letzte Schlossbesitzer das Anwesen rigoros ab, er hatte die vielen Anfragen satt. Die heutigen Eigentumer sind nun seit 25 Jahren daran, dem Ort neues Leben zu geben. Sie wussten beim Kauf nicht, welche Geschichte sich hier verbarg. Als sie fur die Renovation der Fassade Nachforschungen anstellten, merkten sie, welch geschichtstrachtigen Ort sie da erworben hatten. Sie befassten sich intensiv mit dem Lebenswerk von George Sand und prasentieren dieses nun im Park auf Plakaten. Die Renovationsarbeiten am Haus und die Wiederherstellung des Parks schreiten stetig voran. Sie unternehmen alles in Eigenregie und so bleibt noch viel zu tun. In fruheren Jahren waren sie viel gereist, mit dem Zelt oder dem Wohnwagen. Plotzlich fragte sie uns, ob wir denn schon wissen ,wo wir heute schlafen. Wir durften sonst das Zelt im Park aufschlagen! Es war zwar erst Mitte Nachmittag, aber wir fuhlten uns so wohl hier, dass wir das Angebot strahlend annahmen. Sie mussten zwar noch weg, lassen uns aber das Haus offen, damit wir Dusche und WC benutzen konnen. Da hatten wir ja wieder einmal voll gewonnen! Im Schlosspark mit den alten Baumen stellten wir das Zelt auf, genossen den friedlichen Abend und schliefen herrlich an diesem besonderen Ort. Fur die Weiterfahrt druckten uns die lieben Gastgeber noch eine Buchse Cassoulet (eine Bohnen-Wurst-Spezialitat aus Castelnaudry, wo wir einige Wochen zuvor vorbeikamen) und ein Glas Apfelmus in die Hand!

Posted by tandem-adventure at 9:16 AM BST
Updated: Tuesday, 21 June 2005 9:21 AM BST
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Am Ufer der Creuse: Ruinen werden zu neuem Leben erweckt
Wir verbrachten vier spannende Tage im Schloss von Madame D. Nach unserer Ankunft genossen wir eine Dusche, danach zeigte uns die Gastgeberin stolz ihren Park. Rund um das Schloss hatte sie verschiedene Gaerten erstellt. Wir schlenderten durch den Garten voller weisser Blumen, den Gemuesegarten, die Glyzinenlauben, den Mini-Rebberg, den Obstgarten und den Buchsgarten. Anschliessend lud sie uns ein in den Salon, wo sie alle unsere Erlebnisse seit dem Cezallier hoeren wollte. Dabei vergass sie die Pizza im Ofen, wir hatten ein recht knuspriges Nachtessen.
Unsere Zweizimmerwohnung in der ehemaligen Backstube war ein kleines Bijou. Vom Haarfoehn uber das Buegeleisen bis hin zur Saftpresse war alles vorhanden, es fehlte an nichts. Vom Schlafzimmer im Dachstock hatten wir Sicht auf das Schloss mit den vier Rundtuermen. Dieses stammt aus dem 14. Jahrhundert und ist ein schmucker, formschoener Bau. Zum Schlossgut gehoert ein ehemaliger Bauernhof mit grossen Scheunen, der Park und mehrere Hektaren Wald und Weiden. Es war alles in einem erbaermlichen Zustand, als Madame D. das Anwesen vor 14 Jahren kaufte. Die Leute im Doerfchen schuettelten nur den Kopf ueber die Frau, die eine solch ruinoese Anlage erwirbt. Die ehemalige Antiquitaetenhaendlerin hat eine besondere Leidenschaft. Sie kauft dem Zerfall ueberlassene Bauwerke, restauriert sie stilvoll und mit viel Fachwissen und haucht ihnen neues Leben ein. Mit einem immensen Arbeitseinsatz legt sie selber Hand an. Sie ist Historikerin, Bauarbeiterin, Architektin, Gaertnerin und Managerin in einem. Man sieht dem quirligen, weisshaarigen Energiebuendel die 70 Jahre gar nicht an. So besitzt sie inzwischen an verschiedenen Orten Frankreichs solche restaurierten Haeuser als Ferienwohnungen, die sie aber nicht fuer sich behaelt, sondern vermietet. Sie haucht den Gebaeuden nicht nur materiell wieder Leben ein, sondern haelt die Tueren offen fuer Freunde, Bekannte und Anwohner. Dadurch fuellen sich die Mauern wieder mit Leben und gewinnen ihre fruehere Bedeutung zuruck. Hier im Schloss hat sie in den Nebengebaeuden drei Ferienwohnungen eingerichtet. Das Swimmingpool im Park steht zu gewissen Zeiten den Einwohnern der Gemeinde zur Verfuegung. Durch ihre Offenheit und Kontaktfreudigkeit hat sie sich ein grosses Beziehungsnetz aufgebaut. Freunde gehen im Schloss ein und aus, man trifft sich hier und dort zum Diner. Dies aber ganz formlos und locker. Sie stammt zwar aus gutem Hause und hat immer in "grossen" Haeusern mit vielen Dienstboten gelebt, hasst aber alles vornehme und noble Getue. Auch ihre Garderobe, ihr Auto und ihre Manieren sind einfach "normal" keine Spur von versnobt. Sie erzaehlte uns manche lustige Geschichte, wie sie mit ihrer direkten Art vornehme Herrschaften vor den Kopf gestossen hatte. Sie schaetzt es gar nicht, wenn man zu ihr wie zu einer "Schlossherrin" heraufschaut. Sie wohnt hier nicht aus Prestigegruenden, sondern einfach weil sie Freude an diesem Gebaeude hat. Andere geben ihr Erspartes fuer Reisen, Schmuck oder Autos aus, sie eben fuer ihr Haus.
Der erste Tag war ausgefuellt mit Kleider waschen, Tandem putzen und Einkaufen. Am Abend fuhren wir mit Madame D. in die "Fabrik". Tags zuvor waren wir in St. Pierre daran vorbeigefahren und hatten uns gefragt, was da wohl mal produziert wurde. Es war eine Destillerie, in der wahrend des 2. Weltkrieges aus Zuckerrueben Alkohol hergestellt wurde. Jahrelang schlummerte die Fabrikruine vor sich hin. Das Dach war loechrig, was nicht niet- und nagelfest war wurde gestohlen, Vandalen versprayten die Mauern, der grosse Umschwung war voellig verbuscht und glich einer Abfallhalde. Madame D. macht ihre Freundin Helen, welche einen Ort fur Ateliers suchte, darauf aufmerksam. Fur die Plaene von Helen war dieser Ort wie geschaffen. Ein kleines und ein grosses Wohnhaus, die sich mit vertretbarem Aufwand wieder herrichten liessen, ein hohes Fabrikgebaeude mit interessanter Architektur, in dem sich kunftig Ateliers fuer Kunstschaffende und Probelokale fuer Theater einrichten lassen. Weiter gehoert eine Lagerhalle und ein grosser Umschwung mit mehreren Teichen dirkt am Fluss dazu. Die Fabrik liegt also nicht in einem Industriegebiet oder an einer Autobahn, sondern mitten im Gruenen an ruhiger Lage. Niemand nahm Helen und ihre Kollegen ernst, als sie mit den Renovationsarbeiten anfingen. Madame D. unterstuetzte sie aber mit Rat und Tat. Was der kleine Bautrupp innerhalb eines Jahres auf die Beine gestellt hat, verschlug uns glatt den Atem. Wir sahen auf Fotos den frueheren ruinoesen Zustand und auf einem Rundgang durch das Areal die geleistete Arbeit. Die Daecher wurden alle neu gedeckt, der broeckelnde Betonkamin mit professioneller Hilfe saniert, die Fassaden neu verputzt, die beiden Wohnhaeuser bewohnbar gemacht, das Buschwerk gerodet und ein Gemueangelegt. Es bleibt noch viel zu tun, aber was hier in Eigenregie geleistet wurde, war sehr beeindruckend. Der Kamin war in so desolatem Zustand, dass er wegen Einsturzgefahr haette abgebrochen werden sollen. Madame D. machte sich aber fuer eine Sanierung stark, weil dieser einfach zum Bild der Fabrik gehoert. Er hat einen ganz speziellen Querschnitt, wie eine sechsblaettrige Blume und ist heute das Schmuckstueck des Areals.
Wir verbrachten bei den "Fabriklern" einen aeusserst spannenden, lauen Sommerabend. Die Fleisch- und Wurstlieferungen vom Grill wollten kein Ende nehmen. Wir lauschten gespannt den Geschichten ueber die Fabrik und die andern wollten alles ueber unsere Reise erfahren. Nach dem Dessert schaltete der Lichtregisseur Bruno zu spaeter Stunde seine Beleucthung ein. Es war wie auf einer Theaterbuehne mit der professionell in Szene gesetzten Fabrikhalle und dem in den Nachthimmel leuchtenden Kamin. Auch hier hatten wir wieder ganz tolle Menschen kennengelernt und einen unvergesslichen Abend verbracht.
Mit dem unbeladenen Tandem unternahmen wir einen Tagesausflug zu den Etangs im Parc National de la Brenne. Hunderte von Teichen wurden frueher unter anderem fuer die Fischzucht angelegt und bilden eine ganz spezielle Landschaft. In einer Autogarage durften wir die Werkstatt benutzen, um eine neue Trommelbremse zu montieren. Das zweite Exemplar, erst im Maerz in Los Angeles gekauft, vibrierte und quietschte immer schlimmer. Wir erhielten aus der Schweiz eine neue Bremse, fuer deren Montage ein grosser, schwerer Schluessel notwendig ist, den wir aus Gewichtsgruenden nicht mitschleppen koennen.
Bei einem Nachtessen im Schloss lernten wir Thoma kennen, der ganz in der Naehe ebenfalls etwas Bemerkenswertes auf die Beine gestellt hat. Am naechsten Tag durften wir bei ihm vorbeischauen, wir ueberraschten den Kostuemschneider mit einem frischen Zopf. Er hat mit einem Kollegen zusammen vor 13 Jahren ein verlottertes, zweiteiliges Bauernhaus gekauft. Mit lauter Materialien aus alten Abbruchhaeusern haben sie ein Schmuckstueck erschaffen. Tonplatten fuer die Fussboeden, Holzbalken fuer die Decken, hoelzerne Treppen, Fenster, Tueren und Cheminees wurden zusammengetragen. Man sieht dies dem Sammelsurium aber gar nicht an, das Haus sieht aus, wie wenn es schon immer so gewesen waere. Wiederum ein verblueffendes Beispiel, wie alten Mauern neuse Leben gegeben wird. Ohne die fachliche und moralische Unterstuetzung von Madame D. haetten die beiden den immensen Aufwand aber nicht gewagt - heute leben sie in einem Bijou. Auch bei ihnen stehen die Tueren fuer bekannte oder unbekannte Gaeste weit offen.
Bei intensiven Gespraechen verbrachten wir einen letzten Abend in der Schlosskueche. Die weise Dame beeindruckt uns tief mit ihrem Wissen und ihrer Lebenserfahrung. Speziell ein Satz, den sie schon im Cezallier ausgesprochen hatte, blieb uns haften: "Il n a pas trop de gens pour aimer"!

Posted by tandem-adventure at 8:48 AM BST
Updated: Tuesday, 21 June 2005 9:52 AM BST
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Friday, 10 June 2005
Crozant ? Am Ufer der Creuse: Schlosstage
Mit frischem "Baguette Vienne", eine Art Gipfeli in Baguetteform und knusprigem Vollkornbrot verliessen wir Crozant. Nach Eguzon schlugen wir wieder die Himmelsrichtung Westen ein. In welligem Auf und Ab, vorbei an zahlreichen Seelein, erreichten wir St. Benoit du Sault, welches uns mit einer charmanten Altstadt uberraschte. Gegen Abend gelangten wir nach A., wo Freunde der Madame D. wohnen und wir ubernachten konnen. Sie habe uns bereits angemeldet, wir sollen einfach beim Haus mit den Turmen anklopfen. Schon als wir auf das Dorf zufuhren, sahen wir das "Haus" durch die Baume schimmern - ein wahrschaftes Schloss mit riesigem Park! Mit Herzklopfen schoben wir das Tandem uber das Schotterstrasschen zum Chateau, das plotzlich in der ganzen Grosse vor uns stand. Zu unserer Ueberraschung erwartete uns aber kein Prunk und Luxus. Ein kleines Holztafelchen an der Strasse trug den Namen des Schlosses, kein Zaun oder Tor versperrte den Weg. Abgesehen vom pittoresken Gebaude mit Turmen und Kaminen wahnten wir uns eher auf einem alten Bauernhof. Die Schlossherrin begrusste uns scheu in ihren alten Arbeitskleidern. Per Velo begleitete sie uns zur ehemaligen Muhle am Fluss, am anderen Ende des Anwesens, wo wir die Nacht verbringen durften. Der Versuch, aus der hubschen Muhle ein Ferienhauschen zu machen, blieb offenbar fruher mal auf halbem Weg stehen. Inzwischen war das Innere durch einen Wasserleitungsbruch und eingedrungenes Hochwasser in sehr marodem Zustand. Der modrig-schimmlige Geruch war zu intensiv, wir stellten schlussendlich das Zelt zwischen Muhlekanal und Fluss auf. Ein ideales Zeltplatzchen, aber wir hatten erst etwas Hemmungen, nicht im angebotenen Haus zu ubernachten. Das Schloss war aber soweit weg und Baume versperrten die Sicht, sodass dies wohl niemand merkte. Im Schlafsack drehten sich unsere Gedanken noch lange um das Schloss. Wie ist das wohl, wenn man so eine Anlage sein Eigentum nennt? Wir konnen uns so etwas nicht mal in den kuhnsten Traumen vorstellen. Die Beiden besitzen ein richtiges Schloss und leben einfach so darin, wie wenn sie in einem alten Hauschen auf dem Lande wohnen wurden, keine Spur von Reichtum.
Am rauschenden Bach schliefen wir herrlich, bis uns die Morgensonne weckte. Die Muhle und ihre Umgebung waren ein fantastischer Ort. Es stimmte uns etwas traurig, dass daraus nicht mehr gemacht wurde, aber offenbar fehlt es hier schlicht und einfach an Geld. Das Ehepaar hatte uns zum Morgenessen auf das Schloss eingeladen. Wir waren sehr gespannt, was uns da im Innern erwarten wurde. Einmal ein "lebendiges" und nicht museales Schloss von innen sehen zu konnen? Oder besser nicht zu viel erwarten, nach dem was wir schon gesehen hatten? In der Morgensonne lag das Gebaude majestatisch in der Parkanlage, die schon bessere Zeiten gesehen hatte. Der Wald war verbuscht, die hufthohen Wiesen unpassierbar, die Oekonomiegebaude hinter den Baumen verfallen. Dennoch naherten wir uns ehrfurchtsvoll dem geschichtstrachtigen Ort. Verlegen begrussten uns die Eigentumer. Der Flur hinter der kleinen Ture, die sicher einst nicht der Haupteingang war, hatte gerade so gut zu einem einfachen Bauernhaus gepasst. Alte Arbeitskleider, Stiefel und Gerumpel standen rum, alles andere als ein pomposer Empfang. Wir wurden durch die alte Kuche in den oberen Stock in den Esssaal gefuhrt. Verstohlen blickten wir im Vorbeigehen herum, ohne zu neugierig zu wirken, obwohl wir vor Neugierde fast platzten. Was wir da aber in unseren Augenwinkeln erspahten, war unglaublich. Eine Mischung aus Abglanz des fruheren Luxus, Gerumpelkammer und Brockenhaus, in diesem Sammelsurium hatten wir stundenlang rumschauen konnen. Gleichzeitig erschreckte uns der Zustand des Gebaudes. Tapetenfetzen hingen von den Wanden, in den Ecken schimmelte es, in der chaotischen Kuche stapelte sich das Geschirr. Alles wirkte schmuddelig, bis hin zu den lochrigen Pullovern der Gastgeber. Dabei waren es so liebenswurdige Menschen, die fur uns alles gemacht hatten. Die hagere, abgearbeitet wirkende Frau und der wohlbeleibte, krankelnde Herr wirkten keineswegs wie Konige, irgendwie war die ganze Szene recht surreal. Der Esssaal war ein grosser Raum mit hoher, holzerner Decke. Wandteppiche, silberne Kerzenstander, antike Mobel und ein fast antiker Fernsehapparat, dazu uberall Krimskrams. Auf dem grossen Tisch in der Mitte lagen Briefstapel und Medikamentenschachteln. Diese wurden etwas zur Seite geschoben, damit dazwischen die Porzellanteller und das Silberbesteck Platz fanden. Zum Morgenessen erschien ein weiteres Ehepaar, er von enormer Leibesfulle und sicher doppelt so alt wie die hubsche junge Frau mit Diamantring. Sie residieren in einem Schloss in der Nahe und unterhielten sich uber Auktionen und Antiquitaten. Ob sie wohlhabend und adlig waren oder nur so taten, wurde uns nicht klar. Es war eine illustre Gesellschaft, die da an der grossen Tafel sass. Wir gehorten zwar zum Fussvolk, riefen aber offenbar mit unserer Tour durch die Anden Hochachtung hervor. Bevor wir uns verabschiedeten, zeigte die Schlossherrin uns noch kurz die beiden anderen grossen Raume auf diesem Stockwerk. Sie schienen weniger benutzt und hatten eher musealen Charakter. In der Bibliothek standen stumm reihenweise alte Bucher mit Lederumschlagen wie ein reichhaltiger Schatz. Der Gesellschaftssalon mit den alten Sesseln, Sofas, Leuchten und Bildern wirkte beeindruckend. Wir versuchten noch etwas uber die Geschichte des Schlosses zu erfahren, nach zwei kurzen Antworten war uns aber klar, dass dies kein erwunschtes Gesprachsthema ist. Wahrscheinlich schamen sie sich fur den heutigen Zustand des Schlosses und ihre sehr offensichtliche "Armut". Madame D. erklarte uns spater, dass es viele Schlossbesitzer gabe, die seit Generationen das Schloss als Familienbesitz haben, kaum flussige Finanzen besitzen und das ganze Leben dafur krampfen, den grossen Besitz halbwegs zu unterhalten und damit der Familie zu erhalten. Sie habe uns sehr bewusst zu ihren Freunden im Schloss A. fahren lassen, um uns zu zeigen, dass es nicht nur versnobte Schlossbesitzer gabe. Viele Schlossbesitzer seien ganz "normale" Menschen, denen das Schloss eine grosse Last sein kann. Reiche Amerikaner, Englander oder Pariser wurden sofort Interesse an einem solchen Anwesen zeigen, die Familienehre lasst einen Verkauf aber nicht zu. So sahen wir auch auf unserem weiteren Weg durch das Zentrum Frankreichs viele heruntergekommene Schlosser in traurigem Zustand. Verwilderte Parkanlagen, uberwucherte Fassaden, lochrige Dacher, riesige Oekonomiegeaude oder Bauernhofe (die oft zum weitlaufigen Besitz gehoren) in Trummern. Schade fur diese geschichtstrachtigen Orte!
Nach diesem Morgenessen waren wir ganz erschlagen von den vielen Eindrucken, wir mussten das Erlebte beim Weiterfahren erst mal verdauen. Der heutige Tag wurde zu einem richtigen "Schlosstag". Wir hatten auf der Karte gesehen, dass es hier nur so wimmelt von Schlossern, Burgen und Herrenhausern. Fur den Weg nach B. zu Madame D. legten wir uns eine Route zurecht, die bei moglichst vielen Schlossern vorbeifuhrt. Anstatt der 26 km ergaben sich bis am Abend 68 km, wobei wir an 24 Schlossern vorbeikamen! Einige konnten wir aber nur von Weitem durch die Baume des Schlossparks erspahen, was es aber nicht minder spannend macht. Die Kronung des Tages war das "Maison" von Madame D., ein Schloss aus dem 14. Jahrhundert! In den ehemaligen Stallgebauden hatte sie einige Ferienwohnungen eingerichtet. Da zur Zeit keine Gaste da waren, durften wir in ein kleines, luxurioses Hauschen einzeihen und einige Tage "Ferien" machen.

Posted by tandem-adventure at 3:51 PM BST
Updated: Friday, 10 June 2005 4:04 PM BST
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Jassy ? Crozant: Auvergne und Limousin
Seit langem hatten wir wieder einmal in einem Haus geschlafen und den Luxus eines Bettes genossen. Beim Aufwachen war es ungewohnt still, der Morgengesang der Vogel fehlte. Der Schritt aus dem gut geheizten Haus in das kalte und trube Wetter war hart. Madame D. hatte uns zwei frische Baguettes mit auf den Weg gegeben. Als wir das Gepack mitsamt dem Brot vor das Haus stellten und nochmals nachschauen gingen, ob wir nichts vergessen hatten, war das Baguette nach unserer Ruckkehr weg. Wir sahen gerade noch den Hund des Bauernhofes gegenuber mit einem grinsenden Blick und dem Brot in der Schnauze im Stall verschwinden. Gut eingepackt fuhren wir gegen den bissigen Nordwind an, vorbei an zottigen, braunen Hochlandrindern. Das Wetter passte gut zur wilden Gegend. Wieder fuhren wir an unendlichen Feldern von Osterglocken vorbei. Manche Weiden waren mehr gelb als grun, so dicht standen die Blumen. Dieses Spektakel ist einmalig in dieser Gegend und von kurzer Dauer. In einigen Tagen werden die Osterglocken offenbar von Unmengen weisser Narzissen abgelost. Bei Espinchal ging diese karge Hochlandschaft abrupt wieder uber in die gewohnt liebliche Landschaft der Auvergne mit Hecken, Magerwiesen, Bachlein und kleinstrukturierter Landwirtschaft. In Egliseneuve war gerade Markttag. Traktorpneus oder Socken im Multipack kauften wir uns zwar nicht, aber ein leckeres Pain d'epice und in der Backerei ein neues Baguette.
Wir verbrachten einige wunderschone Fruhlingstage durch die Auvergne und das Limousin. Diese Regionen sind sehr landlich, dunn besiedelt und bieten ein ausgedehntes Netz an ruhigen Nebenstrassen. Die Landschaft ist sehr naturnah, eine reiche Tier- und Pflanzenwelt erfreut Auge, Ohr und Nase. Hubsche Weiler und Bauernhofe lagen an der abwechslungsreichen Route, in den Dorfern fanden wir genugend Energienachschub in Backereien, Metzgereien und Lebensmittelladelis. Wir passierten das Plateau de l'Artense mit Lowenzahnteppichen soweit das Auge reichte, im Hintergrund das Vulkanmassiv des Mont d'Or. Oder das "Plateau de Millevaches" mit vielen Mooren, Sumpfgras, Birken und Weihern, was auf uns recht skandinavisch wirkte. Umgesturzte Baume in den Mooren zeigten ihre flachen Wurzelteller, an derer Stelle ein Tumpelchen lag. Haufig sahen wir Eichelhaher davonflattern und der Kuckuck rief aus dem Wald. Mit tausend Kurven und stetem sanftem Auf und Ab rollten wir ruhig und besinnlich durch diese fantastischen Regionen, Radelgenuss vom Feinsten! Wir ubernachteten auf einem Bauernhof, dessen Bauer uns frische Kuhmilch brachte, auf geschlossenen und geoffneten Campingplatzen und sogar mal auf Kohle.
In Bosmoreau-les-Mines fragten wir einen Bauern, der gerade das ehemalige Minengelande mahte, um Zelterlaubnis. Bis 1922 wurde die Kohle hier aus der Tiefe heraufbefordert. Heute sind die Ueberreste der Gebaude eine Art Freilichtmuseum mit Informationstafeln. Auf den Halden der nicht verwertbaren Kohle wachst inzwischen wieder Gras, die Zeltheringe brachten wir aber nur mit Muhe herein. Ein ganz spezieller Zeltplatz neben dem alten Schornstein, dem Wasserturm und dem Direktorenhaus! Die Nacht auf dem Campingplatz am Lac de Vassivieres war weniger erholsam. Heftige Gewitter zogen voruber. Als die Blitze ganz in der Nahe einschlugen und das Donnergrollen beangstigend laut war, fluchteten wir fur eine Weile in das Sanitargebaude. So nahe am Wasser war es uns nicht mehr geheuer, unser Zelt hat keinen Blitzableiter.
So gelangten wir von Jassy im Cezallier uber La Tour d'Auvergne, Tauves, La Courtine, Sornac, Lac de Vassivieres, Peyrat-le-Chateau, St. Martin-Chateau, Bourganeuf, Bosmoreau-les-Mines, St. Dizier, Benevent, St. Vaury und Dun-le-Palestel nach Crozant. Der Routenvorschlag von Madame D. war erstklassig. Die 400km zwischen ihrem Wohnort und dem Cezallier fahrt sie nicht gerne auf der Autobahn, sie bevorzugt die ganz kleinen, abwechslungsreichen Nebenstrassen, auch wenn sie damit zwei Tage braucht.

Posted by tandem-adventure at 3:46 PM BST
Updated: Friday, 10 June 2005 3:51 PM BST
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Brioude ? Jassy: Osterglockenteppiche in der weiten Hochebene des Cezallier und Knick in der Route
Wir verliessen das Stadtchen Brioude und tauchten wieder ein in die strahlende Farbenpracht von bluhenden Baumen, Magerwiesen, Weizenfeldern mit Mohnblumen, gelben Rapsfeldern und uber allem der tiefblaue Himmel mit weissen Quellwolken. In der weiten Ebene passierten wir charmante Dorfer, Burgruinen, Schlosser und kleine Bahnwarterhauschen.
Wir picknickten in einer Wiese mit Blick auf Ruine Lanau und beobachteten die schnell in die Hohe wachsenden Quellwolken. Zwei grosse Feldhasen kamen angehoppelt, machten wenige Schritte vor uns erschrocken Halt und flitzten davon. Vorbei am Marchenschloss Torsiac kurvten wir runter zum Fluss Allagnon. Ab und zu tropfte es etwas aus den Blumenkohlwolken, dazwischen stach die heisse Sonne nieder. Wir stiegen kontinuierlich an Richtung "Cezallier". Ardes war ein faszinierendes Stadtchen, der stattliche Kern mit grossen Hausern und verblassten Schriftzugen aus alter Zeit wirkte wie eine Filmkulisse. Die Zeit schien hier seit langem stehengeblieben zu sein. Wir erfuhren spater, dass diese Stadt wie andere auch wahrend des 2. Weltkrieges durch die gefallenen Soldaten stark entvolkert wurde und sich davon nie mehr erholte. Durch das Vallee de Rentieres stiegen wir weiter in die Hohe. Das Tal war eigentlich mehr eine Schlucht, oft hatte nur die schmale Strasse und der Fluss im Talgrund Platz. Wir fuhren durch dichte Walder und dem klaren, rauschenden Fluss entlang. Standig hielten wir nun Ausschau nach einem geeigneten Platzchen fur das Zelt, aber auf den wenigen Weiden war das Gras zu hoch, am Fluss war es zu sumpfig, im Wald nirgends flach. Immer wieder hielten wir an und kundschafteten zu Fuss mogliche Platze aus, aber ohne Erfolg. Es war zwar schon Abend, aber die Beine liefen rund und so stiegen wir immer weiter empor in der waldigen Schlucht. Weiter oben gewahrten uns Kurven einige schone Ausblicke - Walder soweit das Auge reichte, kein Dorf, kein Bauernhof, nur Baume. Wir waren wieder mal in der vollkommenen Abgeschiedenheit unterwegs und genossen es. Kurz vor St. Alyre-es-Montagne stand eine alte Frau vor einem Bauernhaus. Wir hielten an und plauderten ein wenig mit ihr. Ihre Mutter stammte aus Langnau i.E., die 79-jahrige rustige Frau wohnt ganz alleine mit ihrem Hund und ein paar Schafen hier. Sie fuhr nie Auto, der Backer bringt taglich frisches Brot und ihre Kinder versorgen sie einmal wochentlich mit Lebensmitteln. Unsere Hoffnung, das Zelt hier aufschlagen zu konnen, zerschlug sich wieder, waren doch auf der einzigen flachen Weide die Schafe am grasen. Obwohl es schon 19 Uhr war, strampelten wir zuversichtlich weiter bergan. Das waldige Tal, durch das wir nun zwei Stunden gekurbelt waren, ging plotzlich uber in eine offene, sehr "irisch" oder "schottisch" wirkende, karge Weidelandschaft, ein verbluffender Wechsel des Landschaftbildes. Der Bauer beim Dorfeingang verwies uns zu demjenigen am Dorfausgang, weil er uberall Tiere in den Weiden habe. Beim andern Bauernhof war nur der Grossvater zuhause. Er meinte, wahrscheinlich habe der Sohn schon nichts dagegen, wenn wir das Zelt kurz nach dem Dorf neben dem Stall aufstellen wurden. Dort erblickten wir oberhalb des Stalles eine romanische Kirche und ein altes Pfarrhaus. Just in dem Moment kamen von der Kirche her zwei rote Autos runter, wir hielten sie an und fragten, ob wir dort oben zelten durften. Es war schon 20 Uhr und wir sahen inzwischen mude und hungrig aus. Die weisshaarige Frau meinte, aber selbstverstandlich konnen wir das Zelt hinter dem Haus aufstellen und falls es regnet in der im Bau befindlichen Garage Schutz suchen. Sie fuhren davon und wir stiessen zufrieden das Tandem die steile Zufahrt hoch. Die alte Kirche stand majestatisch auf einem Hugel und bildete zusammen mit Pfarrhaus und Friedhof eine eigenstandige, vom Dorf ein Stuck entfernte Baugruppe. Einen schoneren und ruhigeren Zeltplatz hatten wir uns nicht ertraumen konnen. Bei einem Sonnenuntergang in allen Rosafarbtonen kochten wir das Nachtessen, unsere Blicke schweiften weit in die so eigenartige und uberwaltigende Umgebung. Als es eindunkelte, schwirrten Fledermause um den Kirchturm. Wir verbrachten eine Nacht, in der wir kein einziges Gerausch vernahmen.
Am Morgen lag eine dicke Nebelsuppe uber den Bergen. Der sowieso schon spezielle Ort wirkte dadurch noch mystischer. Als wir schon fast fertig zusammengepackt hatten, kam die Hauseigentumerin mit zwei jungen Mannern an. Sie lud uns gleich zu einem Kaffee in die Kuche ein, machte Feuer im Kamin und entschuldigte sich, dass sie gestern abend nicht daran gedacht hatte, uns den Schlussel zum Haus zu geben. Auch wenn sich dieses in Renovation befindet, hatten wir doch irgenwo im oberen Stock auf einem Fussboden schlafen konnen. Fur uns war das aber kein Problem, hatten wir doch einen perfekten Zeltplatz. Ob wir denn schon ein Programm hatten fur heute oder einen Ruhetag einlegen und nachste Nacht in einem Bett schlafen, duschen, Kleider waschen und mit ihnen essen mochten? Ueber soviel Gastfreundschaft waren wir ganz verblufft und nahmen das Angebot gerne an. Madame D. zeigte uns das Haus und erzahlte dessen Geschichte. Sie hatte das ehemalige Pfarrhaus vor sechs Jahren gekauft, es war vom vorherigen Eigentumer laienhaft renoviert und spater dem Zerfall uberlassen worden. Fur einen Spottpreis konnte sie das ruinose Gebaude erstehen und ist nun daran, dieses fachgerecht zu restaurieren und als Ferienhaus herzurichten. Dass die Frau ein erfahrener "Profi" ist, sah man gleich an den bisher erfolgten Arbeiten. Beispielsweise wurde das Eternitdach entfernt und durch ein althergebrachtes Schieferdach wie auf der Kirche nebenan ersetzt. Alle Renovationsarbeiten erfolgen mit viel Sinn fur Stil und Berucksichtigung denkmalpflegerischer Aspekte. Wie alle Jahre ist sie zur Zeit fur einige Wochen hier um mit Hilfe ihres Gartners und dessen Bruder weiterzuarbeiten. Da das Haus noch nicht bewohnbar ist, haben sie im Nachbardorf Jassy ein Ferienhaus gemietet, und da war eben noch ein Zimmer frei fur uns! Aber vorerst wollten wir noch nicht nach Jassy fahren, sondern diesen tollen Ort noch etwas geniessen. In der Kuche warmten wir uns am Kaminfeuer, assen mit dem "Bautrupp" Zmittag und machten einen Spaziergang uber die Hugel und Schafweiden hinter der Kirche. Die Landschaft war einfach phanomenal, diese karge Weite, die so ganz anders ist als das restliche Frankreich. Kirche und Pfarrhaus hatten auf uns eine ganz besondere Ausstrahlung, wie wenn dieser Platz ein mystischer "Kraftort" ware. Dass die Kirche soweit entfernt vom Ort und an einer untypischen, wetterausgesetzten Lage erstellt wurde, deutet darauf hin, dass dieser Ort vielleicht schon seit Urzeiten eine Kultstatte war. Am Nachmittag genossen wir in Jassy den Luxus eines geheizten Hauses und einer Dusche und wuschen alle unsere Kleider. Eine Erkundungstour fuhrte uns, vorbei an ganzen Weiden voller gelber Osterglocken, zu einem kleinen Bergsee. Anschliessend zog es uns nochmals zuruck nach St. Alyre-es-Montagnes. Wir wollten der Kirche und dem Pfarrhaus nochmals einen Besuch abstatten. In Jassy verbrachten wir alle zusammen einen sehr lustigen und unterhaltsamen Abend. Madame D. meinte, falls ihr Wohort in der Nahe von Chateaurox an unserer Route liegen wurde, waren wir herzlich willkommen und konnten dort ein paar Tage "Ferien" machen. Wir nahmen mal unsere Frankreichkarte hervor und sahen, dass das ganz in der anderen Richtung lag und wir dafur weit nach Westen Richtung Atlantik fahren mussten. Die aufgestellte und quirlige alte Dame hatte es uns aber angetan. Die Routentips, die sie uns fur den Weg zu ihr gegeben hatte, versprachen einen Abstecher durch einen wunderschonen Teil Frankreichs zu werden. So stand fur uns bald fest, dass unsere Route wieder mal einen Knick erhalt - wir fahren nach Westen! Zum Gluck haben wir hier in Europa keine fixe Route oder Flugtermine mehr, vielmehr konnen wir es unserer Reise uberlassen, wohin sie uns tragt! Dass wir gestern abend genau in diesen Sekunden dort standen, als die beiden Autos von der Kirche runterkamen kann ja wohl kein "Zufall" sein. Der Ausloser fur einen sehr intensiven Abschnitt unserer Reise, wir wurden in den folgenden Wochen nur so uberhauft mit Erlebnissen, Begegnungen und schonsten Seiten Frankreichs. Als Madame D. uns zum Abschied ihre Adresse "Chateau xy" notierte, war uns klar, weshalb sie einen Gartner angestellt hatte...wir waren gespannt, was uns etwa in einer Woche im Tal der Creuse erwarten wurde.

Posted by tandem-adventure at 3:36 PM BST
Updated: Friday, 10 June 2005 3:46 PM BST
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